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"Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache...." (Turmbau zu Babel) Von Manuela Hötzl.

mega: manifeste der anmaßung

forum für experimentelle architektur, Künstlerhaus Wien, 10. April bis 2. Juni 2002

Mega ist mehr als "groß", Mega impliziert Utopie und Anmaßung. Mega bedeutet auch "mächtig" und eine Tendenz, die unabwendbar, aber in Frage zu stellen ist. Die Ausstellung im Künstlerhaus lässt sich auf das Experiment ein Fragen zu stellen, mit dem Risiko keine Lösungen zu finden. Es gilt wieder jenen Punkt zu erreichen, bei dem die Quantität in Qualität umschlägt(Karl Marx) - doch ist die Qualität noch erkennbar? Sind in einer Megastruktur die Dinge noch so unterscheidbar, dass sie sich uns offenbaren? Ist der Wille und die Sehnsucht nach Utopie nicht vielmehr einer abgestumpften Langweile gewichen, die weniger aus Überheblichkeit als aus Verständnislosigkeit entstanden ist?

Die Ausstellung "Mega" verlangt nach Anmaßung und Manifesten, indem sie vordergründig schon so konzipiert ist, dass sie selbst Anmaßung und Manifest darstellt. Über 50 Künstlern und Architekten wurde eine Parzelle mit den Maßen 1,80 x 1,80 Meter im Künstlerhaus zur Verfügung gestellt - mit einem Luftpfeiler von 6 bis 8 Metern. Diese Ausstellungsraum-Sequenzen werden hintereinander nach einem Zeitplan mit den jeweiligen Manifesten besetzt, eröffnet und diskutiert. Seite an Seite, dicht wie in Manhattan, soll innerhalb der Ausstellungsdauer ein Objekt nach dem anderen entstehen: Eine "Stadt" der Manifeste, der Türme und Utopien, die erst mit dem Ende der Ausstellung vollendet ist. Babylon schreit nach Rache! In der biblischen Geschichte wurde der Turmbau zu Babel Symbol der Überheblichkeit des Menschen "der sich zuviel anmaßt und dafür bestraft wird": "Auf! Wir wollen uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis in den Himmel reichen soll, und wir wollen uns einen Namen schaffen, damit wir uns nicht über die ganze Erde hin zerstreuen!". Einigkeit und Macht manifestiert sich in einem Bau. Der Aufruf zur Zerstörung kam von "oben": "Wohlauf, laßt uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner des andern Sprache verstehe!" Der Verlust der gemeinsamen Sprache hat das Projekt zu Fall gebracht. Diese Art der Verwirrung ist symbolträchtiger als der Turmbau und effizient. Die Utopie ist verloren und jeder bewegt sich mit Verständnislosigkeit unter Verständnislosen. Der Babylon-Mythos lässt sich bis in die Gegenwart verfolgen. Die Tendenz sich weltweit zu verbreitern, vielfältig zu verknüpfen und wiederum Mega-Dimensionen zu erreichen, Anzeichen der Globalisierung. Auswirkungen im täglichen Leben sind dezentralisiert und global - aber doch immer mehr individuell. Sind demnach gemeinsame Utopien vorhanden oder gar nicht mehr anstrebenswert? Gefragt ist ein Verständnis für die vielfältigsten Phänomene und zumindest eine Vision, die in der Zukunft liegt.

Die Verwirrung durch die Sprache hat sich verstärkt. "Mega" wird versuchen, und das ist sicher anmaßend, diese Verwirrung aufzulösen - mit dem Risiko das Chaos noch zu verstärken. Jedes Projekt bzw. Manifest wird zum Anlass für eine Diskussion genommen. Bei jeder Teileröffnung wird eine Gesprächsrunde abgehalten, bei der die Teilnehmer mit einem Gegenspieler aus verschiedenen Bereichen (Literatur, Physik, Philosophie, Kunst, Psychologie, Religionen, Ökonomie, Medizin, Astronomie etc.) konfrontiert werden.

Die Gespräche werden aufgezeichnet und im anschließenden Katalog dokumentiert. "Mega" wird somit zu einem "Ausstellungssymposium" in einem sich bewegenden, veränderbaren Umfeld.

Ergänzend zu der wachsenden Ausstellung und den Diskussionen (dem Laboratorium) wird eine "schöne Ausstellung" über die Entwicklung des Megadenkens und Megadimensionen in der Architektur informieren und einen historischen Bezugsrahmen dazu abgeben. Dia-Essays sollen unter dem Titel "Sehnsucht Babylon" interessante Aspekte des Megadenkens zeigen und ein "Archiv" stellt eine umfassende, enzyklopädische Materialsammlung zum Thema "Mega" zur Verfügung.

In Kooperation mit Roco und dem Verband Österreichischer Modelleisenbahnclubs wird das Projekt „EBB – Babylonische Eisenbahn“ präsentiert. Vorträge, Theateraufführungen etc. sind geplant und im Kunsthaus Muerz wird parallel ein Teil der "Schönen Ausstellung" gezeigt, die die Philosophie und die Ideologie der Mega-Idee und der Mega-Dimensionen, sowie die wandelnde Bedeutung des Begriffes „menschlicher Maßstab” in der Architektur und Kunst vergegenwärtigt.
Außerdem werden die ehemaligen Teilnehmer der Ausstellung "fuß in der tür" das unmittelbare Umfeld des Künstlerhauses bespielen.

Mega präsentiert sich Mega und hat doch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Das eigentliche, tiefere Thema der Ausstellung ist das Wort bzw. das Phänomen Anmaßung - als Ausdruck einer prinzipiellen Haltung: seine philosophischen Implikationen für die Ästhetik und Ethik der Architektur, seine normative Kraft für die Entfaltung der Entwurfsphantasie und bei deren praktischer Umsetzung. Lösungen werden nicht angestrebt. Die Ausstellung ist keine Leistungsschau, sondern eine Leistungsvorschau.

Sie deckt ein großes Spektrum ab und wird in sich eine Megastruktur darbieten. Und sie lässt sich auf das Risiko ein, herauszufinden, dass es vielleicht keine Utopien mehr gibt. Dass Masse noch keinen Mehrwert repräsentiert und der "menschliche" Maßstab nicht das Maß der Globalisierung darstellt. Mega steht als Metapher für "Utopie" und stellt sich dem Prozess einer Ideenfindung für zukünftige Projekte. Außerdem soll sie die Initialausstellung für eine regelmäßige stattfindende Triennale experimenteller Architektur in Wien werden.



erschienen in Sondernr./Architektur&Baunews,S.2 und
in architekt 09/02, in czechischer Spr.

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