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Von Manuela Hötzl.

Die lässige Leichtigkeit des Bauens

Architektur: INNOCAD

INNOCAD, das energetische Jungbüro aus Graz mit dem trockenen Namen, geht seit 1999 ganz eigene Wege.

Raus aus der Universität und als Frischling auf dem Markt sucht INNOCAD abseits des klassischen Architektenberufsbildes nach neuen Möglichkeiten für eine Projektrealisierung. Eines der ersten, der Wohnbau homebase, zeigt den unkomplizierten Charakter ihrer Arbeits- und Lebensphilosophie. Verkrampft ist bei diesen Jungs nichts – geplant alles: eine Markt-Strategie mit verteilten Rollen.

Selten bauen Architekten für sich selbst. Mir sind zwar keine offiziellen Statistiken über Architekten-Eigenwohnheime bekannt, meine persönliche Statistik, die sich auf unzählige Bürobesuche stützt, sagt mir aber, dass selbst bei publikationswilligen Architekten die eigene Wohnung zumindest nicht im Vordergrund steht oder in die Öffentlichkeit drängt. Dass sie oft gar nicht zu einer Realisierung kommen, mag auch an dem Budget von Architekten liegen – oder an ihren Präferenzen. Ein Witz besagt, dass ein Architekt mit einem Lottogewinn so lange arbeitet, bis das Geld weg ist. Andererseits stellt das Sprichwort „Zeige mir, wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist“ für Architekten eine zusätzliche Hemmschwelle ihres Berufsbilds dar. Nicht jeder kann sich so eindeutig in seinem Glashaus präsentieren wie Philip Johnson.

Vielleicht ist das auch eine Frage der Endgültigkeit, des Ankommens – das bei dem Grazer Architekturbüro INNOCAD noch in weiter Ferne liegt. Ihre Devise „Wir wollten unser Berufsbild selbst definieren“ ist kein fertiges Konzept. Ihre Strategie „Learning by Doing“ schließt zwar eine schrittweise Entwicklung ein, aber Perfektionismus nicht aus.

Schon bei einem ihrer ersten Wettbewerbe, als junge Studenten, zum Thema „Wohnen 2000“ suchten sie nach einer effektiven Arbeitsweise, die ihrem Anspruch auf Vollständigkeit gerecht werden konnte. Damals noch zu viert, unbefriedigt vom universitären Wissen, verteilten sie diverse Rollen untereinander und machten sich unter den verschiedensten Gesichtspunkten zu einer Forschungstour auf. Jeder widmete sich ausführlich einem Teilbereich des „Wohnens“, recherchierte, fasste zusammen und präsentierte sein Ergebnis den anderen. Erst als alle den notwendigen Wissensstand erreicht hatten, machten sie sich an die Arbeit. Diese war nicht nur punktuell erfolgreich, sondern fließt immer noch in die laufenden Projekte mit ein. Mittlerweile ist INNOCAD zu einem kleinen Firmenimperium mit eigenem Stadthaus in Form des unternehmenseigenen, dreidimensionalen, vergoldeten Logos herangewachsen und namentlich unter INNOCAD und 99PLUS vereint. Baumeister- und Bauträgerlizenz eingeschlossen.

Der Versuch, Kreativität mit dem nötigen Geschäftssinn zu kombinieren, ist sicher keine Erfindung von INNOCAD. Ihre selbstverständliche Herangehensweise an den Markt jedoch schon. Dafür haben sie das traditionelle Berufsbild gar nicht erst aufgebaut. Und waren schon von Anfang an mit keinerlei Berührungsängsten ausgestattet in die Projektentwicklung gestartet. Ihr Architekturanspruch wächst mit. Von Moden nicht unbeeinflusst, fehlt jedoch nie eine gewisse Ironie in ihrem Design. Das ist vielleicht der persönliche Spaß der Architekten daran, der aber nicht vordergründig deutlich wird – und auch unangebracht wäre. INNOCAD ist ein System, ein Netzwerk, ein Rollenspiel, Spaß und Pragmatik. Sie schaffen sich ihre Rahmenbedingungen am liebsten selbst, damit die Freiheit auch in der Gestaltung bleibt. Beim Wohnbau Georgigasse in Graz, den sie zum Teil auch selbst bewohnen, zeigt sich das in einem vorgefertigten Holzbausystem, das auf den beiden Altbauten aufgesetzt wurde. Aus den Grundbedingungen das Beste herauszuholen, mit dem Budget, das vorhanden ist, bestimmt immer ihre Herangehensweise und wird nur am Rande an Details sichtbar. Diese sind ihnen gar nicht so wichtig, machen aber dennoch immer das Flair der Bauten von INNOCAD aus. Ob es sich nun um eine in den Boden eingelassene Badewanne handelt, ein Aquarium in der Dusche, einen Adlerhorst über dem Eingang oder Sonnensegel, die sie zum Schluss noch selbst anbringen.

So ist der Wohnbau in der Georgigasse vordergründig unaufgeregt. Das bestehende Haus etwas außerhalb der Grazer Innenstadt scheint weitgehend unverändert. Von der Straßenseite sieht man nur einen schmalen Streifen des Zubaus auf dem Dach über den Altbestand ragen. Erst im Hof, in dem ein weiterer eingeschossiger Bauteil steht, wird das Aufeinandertreffen zweier Wohnphilosophien offensichtlich. Der Altbestand wurde umfassend saniert und adaptiert. Jeweils zwei Kuben aus vorgefertigtem Massivholz sitzen auf den Dächern. Mittels Kran wurden diese innerhalb eines Tages platziert, um die temporäre Ausquartierung der Mieter möglichst kurz zu halten. Im Haupthaus sind zwei Maisonettewohnungen untergebracht, das Hofhaus beherbergt zwei Kleinwohnungen mit Galerie. Fassaden, Material, Form – innen wie außen ist alles anders an dem neuen Bauteil. Rauer Verputz, Kastenfenster, Schrägdach stehen glatten Massivholzplatten (die im Übrigen zum ersten Mal als Außenfassade verwendet wurden), außen liegender Verglasung und Terrassen gegenüber. Dennoch erscheint es als ruhiges Ensemble, das nebenbei alle Bewohner mit einem Maximum an Wohnqualität ausstattet. Sicher nicht nur, weil die INNOCADs selbst dort wohnen.

INNOCAD ist kein typisches Büro für Graz – und sicher international einmalig. Schaut auf diese Jungs, sie geben einiges vor: ein kreatives Unternehmenskonzept und eine pragmatische Architekturauffassung. Sie schaffen sich ihre eigenen Strukturen und, wenn nötig, auch ihre eigenen Projekte. Nach dem Eigenheim homebase eröffneten sie 2005 schon ihr eigenes Bürohaus. Ihre Architektur ist nie objekthaft, nie distanziert. Sie verweigern sich nicht der zeitgenössischen Alltagskultur, sind Hip-Hop und Techno, rhythmisch und extravagant, unharmonisch und simpel. Eben eine neue Generation.



Manuela Hötzl (geb. 1972) gründete 2000 das freie Journalistinnenkollektiv Redaktionsbuero in Wien mit Schwerpunkt Kultur, Architektur, Design (zusammen mit Antje Mayer). Seit 2000 ist sie freie Architekturkritikerin für Architektur & Bauforum (A), Bauwelt (D), ARCHIS (NL), architektur (A) u. a. 2002 bis 2003 leitete sie die Online-Redaktion von Zuschnitt.at (zusammen mit Kurt Zweifel); Außerdem produziert sie seit 2003 die Radiosendung Schöne Architekten auf Radio Orange. Sie hat seit 2001 einen Lehrauftrag an der TU Wien, Institut für Visuelle Gestaltung, und ist Mitglied des Kuratoriums vom Haus der Architektur Graz.
Seit Mai 2004 zeichnet sie (mit Antje Mayer) als Chefredakteurin für Kontakt. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in Zentraleuropa verantwortlich. Publikationen: u. a. "Wörterbuch der Baukunst 1+2", Ortner & Ortner, Verlag Birkhäuser; "HDAX 02" (Publikation von Haus der Architektur Graz); diverse Katalogbeiträge wie 20 x 3. 20 junge Architekturbüros aus Österreich (hrsg. v. architektur in progress, Volker Dienst, Wien 2002), oder An der Klippe. Herwig Illmaier (hrsg. v. Barbara Feller, Maria Welzig, Wien 2003). Sie lebt und arbeitet in Wien.

Text erschienen in:
Einfach! Architektur aus Österreich. Just! Architecture from Austria

ISBN 3-901174-61-3
978-3-901174-61-2
Verlag Haus der Architektur Graz
2006/148 Seiten/pages
Verkaufspreis/price: € 28,90
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