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Es ist ein langsamer Prozess, ein Stadtgebiet zu verbessern und zu verändern. Doch wie fängt man es an, welche Strategien stehen zur Verfügung einen solchen Prozess in Gang zu setzen, der so viele Aspekte wie möglich integriert? In Graz hat gerade ein Versuch einer koordinierten Stadtentwicklung die erste Runde passiert. Die Ergebnisse des Wettbewerbs wurden am 13.November präsentiert, die ein erster Schritt zu einem Modell einer kommunikationsorientierten Lösung und einer städtebaulichen Leitidee bedeuten soll. Von Mauela Hötzl.

West End Graz/ Teil 1

Auch Graz hat seine Problemzonen, aber tut jetzt etwas dagegen

Das Gebiet Graz-West hat schon viele Ansätze einer Verbesserung über sich ergehen lassen müssen. Das Ergebnis war bisher von punktuellen Wettbewerben und Projekten geprägt, die alle wieder in Schubladen verschwunden sind. Dabei ist das Gebiet ein potentieller Entwicklungsfortsatz
für die Stadt Graz: zentrumsnah, typisches Industriegebiet mit 100 ha Brachflächen, einer extremen Mischung aus Wohnbau- und veralteten Wirtschaftsstandorten mit dennoch über 30.000 Einwohnern, schlechten Verkehrsanbindungen und der angrenzenden Grünzone des Plabutsch. Verschiedenste Interessenlagen mit widersprüchlichen Zielen verhinderten bis jetzt eine Entwicklung und machten das Gebiet für Investoren unattraktiv.

Durch diese jahrelangen städtebaulichen Versäumnisse entstand dringender Handlungsbedarf. Der Grazer Gemeinderat gab im Februar dieses Jahres einstimmig dem Antrag für eine ‚Initiative Graz West‘ statt. Aus ihr heraus entstand das Projekt ‚Stadtentwicklung Graz West‘ unter der Projektleitung der Architekten Hans-Jörg Luser aus dem Amt für Stadtentwicklung und Harald Saiko als externes Planungsbüro, deren Hauptziel die Erarbeitung einer Leitidee ist, unter Einbindung der kommunalen Öffentlichkeit. Finanziell gesichert ist das Projekt für die nächsten drei Jahre. Mittlerweile wurde auch eine EU-URBAN-Förderung von 55 Millionen Schilling bewilligt.

Das erste halbe Jahr war geprägt von einer detaillierten Bestandsaufnahme, über 90 Gespräche mit Politikern, Gesellschaften und Investoren wurden von den Projektleitern geführt. Daraus hat sich rasch ein Schwerpunkt herauskristallisiert: Das Gebiet um die Fachhochschule mit neuen Studienzweigen und ansteigender Studentenzahlen. Konkret plant die Fachhochschule im Jänner 2001 einen Wettbewerb auszuschreiben, der die Schule erweitern und zu einem Campus mit Studentenwohnheim gestalten soll. Das würde einen wichtigen Kern in diesem Gebiet darstellen, deswegen wurde ein Wettbewerb zur Untersuchung von Potentialen und Konzepten des städtebaulichen Umfeldes geplant, der die Rahmenbedingungen zur Ausschreibung des Fachhochschulcampus festlegen sollte. Das Feedback der Architekten war trotz des engen Zeitrahmens sehr hoch, das Projektteam musste zum ersten Mal schnell reagieren.
Abgegeben haben 7 internationale Büros: Atopos, London; Kees Christiaanse, Rotterdam, Helmut Reitter, Innsbruck; Delugan Meissl, Wien; Heiner Hierzegger, Graz; Andreas Kleboth, Innsbruck; L.O.V.E., Graz; MVDRV, Rotterdam.
Die Jury, bestehend aus Gert Lorber, Joost Meuwissen, Hansjörg Luser (Amt für Stadtentwicklung), Heinz Rosmann (Amt für Stadtplanung), Herr Reininghaus (Vertreter der Fachhochschule) hat zwar ein Projekt erstgereiht und zur Weiterbearbeitung empfohlen, je nach Entwicklung und durch die verschiedenen Schwerpunkte der abgegeben Arbeiten sollen aber alle Projekte in die zukünftige Planung miteinbezogen werden. Was auch Ziel der Ausschreibung war.

Das erstgereihte Projekt vom Innsbrucker Architekten Andres Kleboth schlägt eine räumliche Mischung von junger Privatwirtschaft und Fachhochschule vor. Er geht von dem Potential des Campusgeländes aus, das in linearer Form für das Gebiet weiterentwickelt wird. Räumlich ist das Projekt sehr wage, die kreierten Zonierungen können vergrößert werden und zielen vor allem auf eine konzeptionelle und kommunikative Entwicklungen ab.

Das Projekt von MVRDV versucht das gesamte Gebiet unter der Schaffung einer eigenständigen Identität zusammenzufassen, ohne allerdings die konkrete Planung des Campusgebietes hervorzuheben. Die Jury begrüßt die mögliche Erweiterung des offenen Bebauungsprinzips, das vor allem von einer größeren Dichte ausgeht.

Inwieweit die Projekte jetzt in die Ausschreibung des Wettbewerbs um die Fachhochschule eingearbeitet werden, liegt in der Hand der Fachhochschule und den teilnehmenden Architekten.
Zu den konkreten Eingriffen in die Stadtplanung von ‚Graz West‘ ist aber vor allem der Aspekt spannend, welche Rolle der Architekt in diesem Prozess einnimmt. Er fungiert als Manager eines Gebietes, Vermittler von Interessen und Verwalter von Informationen und Daten und als Mediator unterschiedlicher Foren. Architekt Harald Saiko sieht seine Rolle so:“ Nach dem Verschwinden der Autorität des traditionellen Bau-Meisters vergangener Jahr(hundert)e ist der Diskurs über die Architektur in den letzten Jahren wesentlich von der Debatte über die Veränderung der Disziplin an sich geprägt. Unbestritten müssen sich Architekten heute mit einer Vielzahl von Interessensträgern, aber auch verschiedensten Entscheidungsfindungsstrukturen auseinandersetzen.“

Ziel des Entwicklungsprozesses ist zunächst ein städtebauliches Leitbild, danach eine umfassende Nutzungsfestlegung von Grundstücken bis zu ganzen Gebieten. Neben einigen Widmungs- und Bebauungsplänen handelt es sich dabei meistens um Empfehlungen auf verschiedensten Ebenen.
Planungsschwerpunkte gibt es natürlich, wie der Plabutschgipfel, das Zentrum um die Fachhochschule mit dem Referenzprojekt von Arch. Andreas Kleboth, das in den Campus und dem Neubau des Studentenheimes eingearbeitet wird, die Festlegung der Bauentwicklungsgebiete, das das MVRDV Projekt bezieht, und schließlich ein Gesamtverkehrskonzept mit Einbeziehung aller Gebiete. Ob sich die Beteiligten an ihre Abmachungen halten, liegt jedoch immer noch in ihrer Hand. Auch die geplante politische Absicherung wird dieses Risiko nicht ausschalten können.



erschienen in Architektur Aktuell, 01-02/01,S.2ff

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