Von Bart Lootsma.
Von Bart Lootsma.
Echter Hardcore-Modernismus in der Tradition der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ist heute rar in Österreich. Das ist ein Teil der Entwicklung österreichischer Kultur, der fast vollkommen ausgelöscht wurde. Die interessantesten Modernisten, darunter Namen wie Frank, Schindler, Neutra, Plischke, Kiesler und andere, hatten das Land verlassen, zum Teil um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen. Gewiss, die radikale Architektur der 1960er Jahre bildete eine Fortsetzung des Modernismus, aber nicht, was seine formalen Aspekte betrifft. Es ist auffallend, dass – einmal abgesehen von dem eher kuriosen und unbeholfenen Versuch Arnulf Rainers, zu einem Verständnis von Piet Mondriaan zu gelangen – österreichische Künstler, in ihrem Bemühen, nach dem Zweiten Weltkrieg die Moderne einzuholen, sich ihre Inspirationen eher beim Surrealismus und Abstrakten Expressionismus als bei den mehr „industriellen“ geometrischen Traditionen des Modernismus holten. Das passte wohl besser zur österreichischen Tradition.
Weichlbauer/Ortis sind in diesem Fall die rare Ausnahme. Besonders mit ihrer provozierend knallgelben Wohnhausanlage Wohn DNA, die in der Welt der Architektur recht berühmt geworden ist, hängten sie sich an eine amerikanisch inspirierte Revitalisierung des Modernismus an, wie er von Colin Rowe, John Hejduk und insbesondere Peter Eisenman ins Leben gerufen wurde. Gerade die Nachdrücklichkeit, mit der Letzterer auf einer post-humanistischen Architektur besteht, die einzig aus ihrer internen, formalen Kohärenz heraus lebt, ist grundlegend für ein Verständnis der Arbeiten von Weichlbauer/Ortis, ebenso wie es wichtig ist, ihre Rückkehr zu den Wurzeln der modernen Architektur zu verstehen, namentlich Theo van Doesburg und „De Stijl“. Im Werk von Weichlbauer/Ortis wird Architektur auf ihre grundlegendsten Elemente reduziert, primär Farben, Formen, Flächen, die ihr eigenes Spiel miteinander treiben. Aber es ist keine vollkommen abstrakte Architektur. Es ist eher , wie Manuela Hötzl schreibt, eine „konkrete Abstraktion“ oder eine „Abstraktion in Beton“. Da die beiden Partner die technologischen Griffe und Kniffe des Bauprozesses aus dem Effeff beherrschen – Weichlbauer unterrichtet an einer Berufsschule und Ortis betreibt neben der gemeinsamen Architekturpraxis weiterhin eine Baufirma – sind die fundamentalen Teile ihrer Arbeit jene Elemente, aus denen ein Bauwerk besteht: Wände, Fußböden, Fenster und so weiter. Sie behandeln diese Elemente wie Bausteine einer Art DNA, die ständig neu umfiguriert werden kann, die sich an Funktions- und Organisationsbedürfnisse anpasst und dabei dennoch stets eine innere Stimmigkeit bewahrt. Auch wenn ihre Arbeiten nicht wie klumpenförmige Architektur aus dem Computer aussehen, so wurden ihre Konfigurationen doch mit Hilfe des Computers erstellt, oder man könnte sogar sagen, dass das Programm, das sie organisiert, selbst ein Computer ist. Ihr Interesse an all den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen verbindet Weichlbauer/Ortis mit einer internationalen Gruppe von Architekten, die nach einem neuen Diskurs Ausschau halten, der es ihnen erlauben würde, in einem internationalen Kontext zu arbeiten, ohne sich den spezifischen Gegebenheiten einer Situation vor Ort im Einzelnen unterwerfen zu müssen.
Die Wohnirritation ist ein typisches Beispiel ihrer Arbeit. Es ist ein billiges Gebäude, das einerseits Studentenwohnungen, andererseits Teilzeitbüros beherbergt und an eine verkehrsreiche Straße in den Außenbezirken von Graz angrenzt. Das Äußere ist eine einfache, dunkle, blaue Kiste, durchbrochen von Fenstern, die sich mit dem gleichen Material verschließen lassen, aus dem auch die Fassade besteht. Das Innere lässt sich nach Bedarf umstrukturieren. Selbst wenn man daraus eine immanente Kritik des kitschigen Dekors der umliegenden Gebäude ablesen könnte, so ist doch die Wohnirritation alles andere als ein Beispiel für kritischen Regionalismus. Im Prinzip könnte sie überall auf der Welt stehen und dennoch ihre Kraft unter Beweis stellen.
Martin Scharfetter, AllesWirdGut und Weichlbauer/ Ortis beweisen, dass sich auch in Österreich Architekten darüber Gedanken machen, wie sie in dem neuen Kontext der Architektur arbeiten können, die durch sowohl lokale wie globale Bedingungen definiert wird, und nicht etwa nur durch eine der beiden unter Ausschluss der anderen. Architekten arbeiten heute definitionsgemäß unter „glo-kalen“ Bedingungen, und wenn sie Österreicher sind, werden wir sie vielleicht ab jetzt als „Glaustrians“ oder „Glaustrianer“ titulieren können.