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Die hügelige Steiermark, eines der jüngeren Weinbaugebiete Österreichs, weist ideale Voraussetzungen sowohl für sonnenhungrige Reben als auch für erholungsbedürftige Städter auf. Von Manuela Hötzl.

Rebenschwarz

Keller und Presshaus des Weinbauernhofs Krispel - Architekten: Renate und Martin Weidemann, Hamburg

Erzherzog Johann hat die französischen Reben dort eingeführt, weil ihn die Landschaft an Südfrankreich erinnerte. Natürlich hat sich das landschaftliche Bild seit Johanns Zeiten verändert, denn auch hier hat in den letzten Jahren eine Bauflut eingesetzt, die die Steiermark nicht eben mit qualitativen Neubauten überzieht. In der ländlichen Struktur, die an sich schon kleinteilig zusammengesetzt ist, wird immerfort ergänzt, modifiziert und erweitert. Man findet aber immer noch Gebiete, die frei sind vom Verdacht der verkitschten Tradition und des missverstandenen Fortschrittlichen. Beim Weingut Krispel zeigt sich, dass Tradition und Zeitgeist sehr wohl zu einer Harmonie finden können. Neusetz heißt der kleine Ort zwischen Straden und St. Anna im Aigen nahe der slowenischen Grenze, in dem sich der Hof des Winzers Anton Domatschitz befindet. Der Weinbau wurde dem Hausherrn nicht in die Wiege gelegt; obgleich er aus einer traditionsreichen Bauernfamilie kommt, war der Weinbau nur ein kleiner, unwesentlicher Bestandteil des landwirtschaftlichen Betriebes. Er selbst übernahm den Hof erst relativ spät. Als ausgebildeter Schlosser richtete er sich den Stall als Werkstatt ein. Um die vorhandenen, in Abstand zueinander angeordneten Gebäude – Wohnhaus, Stallung und Lagerhäuser – noch anderweitig zu nutzen, renovierte die Familie das Wohnhaus und eröffnete einen Buschenschank. In einem Buschenschank dürfen nur Weine oder Traubensaft aus eigener Produktion verkauft werden, und also machte sich Anton Domatschitz daran, mit der alten Holzpresse seines Vaters Wein herzustellen. Viel Ahnung hatte er damals noch nicht, doch bald schon war er der Faszination des Weines erlegen und entwickelte sich zu einem engagierten Winzer, mit qualitativ hochwertigen Weinen im Angebot. Die Schlosserwerkstatt gab er auf und funktionierte den ehemaligen Stall zum Weinkeller und Verkostungsraum um. Auch die anderen Gebäude des Hofes wurden nach und nach dem neuen Betrieb angepasst und in Lager, Büro, Gaststube und Gästezimmer umgewandelt.

Dann kam Anton Domatschitz auf die Idee einer pumpenfreien Weinherstellung, da ihm das übliche Verfahren, bei dem der Traubensaft im Verlauf der verschiedenen Stadien – Pressen, Setzen, Gären – immer wieder zwischen den großen Edelstahltanks hin und her gepumpt wird, nicht adäquat für die wertvolle Flüssigkeit erschien. Er suchte nach einer schonenderen Methode und fand eine geradezu einfache Lösung: den Wein von Behälter zu Behälter fließen zu lassen. Die schweren Edelstahltanks dafür in die richtige Position zu bringen, erforderte einiges an technischer und räumlicher Planung. Mit einem Ingenieurbüro wurde der Anlagenbau erarbeitet, das neue Gebäude sollte die Hamburger Weidemanns in den Bestand einfügen. Nachdem der erfinderische Weinbauer die alte Bausubstanz in Eigenregie wieder und wieder an die neuen Gegebenheiten angepasst hatte, war ihm klar, dass er für den erforderlichen Neubau Fachleute benötigte. Die Architekten, selbst treue Gäste des Weinguts, entwarfen eine längliche Halle mit einem angeschlossenen Büro- und Kostraum, der drei der Gebäude miteinander verbindet und den Hof zur Straße hin schließt. Nach außen markiert der Bau die Ecksituation, gibt sich schlicht und kühl, nur die Verglasung auf Höhe der inneren liegenden Kranschiene deutet auf die Produktion hin. Nach innen streckt sich der Neubau in den Hof hinein und bildet eine repräsentative Eingangssituation, die schon auf die dahinter liegende Halle verweist. In dem Zwischenraum ist das Büro eingerichtet. Der Kostraum liegt zwischen Altbau und Weinkeller: Ein Schaufenster gibt den Blick in die Halle frei, während ein nach Osten ausgerichtetes Fenster für die Verkoster von Zweigelt, Cabernet Sauvignon und anderen Weinen die reizvolle Landschaft einrahmt.
Um Platz für einen Schiebekran zu bieten, der die Tanks anhebt und in die richtige Position bringt, musste die Halle relativ hoch sein. Ein Teil der Behälter ist deswegen unter Erdniveau untergebracht. Das Presshaus wurde mit anthrazitfarbenen Paneelen verkleidet und zeigt sich in seiner zurückhaltenden, einfachen Form seine Funktion als Produktionsstätte. Da jeder Tank über ein eigenes Kühlsystem verfügt, mussten im Inneren keine besonderen raumklimatischen Bedingungen erfüllt werden. Nur an der Sonnenseite wurde die Dämmung etwas verstärkt. Die Halle wird industriell genutzt und gibt auch nicht vor, etwas anderes als ein Industriebau zu sein.
Eine Holzverschalung kam für die Architekten nicht in Frage, da sie optisch zu sehr mit alten Scheunen in Verbindung gebracht wird. „Moderne Technologie verlangt nach architektonischen Ausdrucksmitteln“, erklären sie in ihrem Konzept. Für die Farbe Schwarz war Anton Domatschitz als Einziger vor Ort sofort begeistert. Er war es auch, der den Bürgermeister schließlich dazu überreden konnte, die Baubewilligung zu erteilen.



eschienen in Bauwelt Nr.17/02, 03.Mai/02,S.24ff