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Im 21. Bezirk errichtet die Rail Test & Research GmbH, eine Tochtergesellschaft der Schieneninfrastruktur-Gesellschaft, ein spektakuläres Gebäude mit spektakulärem Inhalt: Den Neubau des Klima-Wind-Kanals (KWK). Fertiggestellt wird das Projekt Ende 2002 – im jetzigen Stadium lässt die Baustelle Architekten- und andere technikbegeisterte Herzen höherschlagen, denn der Stahl- und Betonbau, der sich langsam um die hochtechnologische innere Masse stülpt, offenbart sich wie das Urerlebnis von Bauen. Von Manuela Hötzl.

Cooler Zug in Mega-Form

Architekten: Poduschka/Popelka, Wien - Windkanal

Seit 1960 betreibt das Österreichische Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal GmbH einen Klima-Wind-Kanal für Schienenfahrzeuge. Wichtige technische Innovationen in diesem Bereich wurden im Arsenal Wien von internationalen Kunden den letzten Tests unterzogen. Schon 1996 wurde nach einigen Vorstudien die Entscheidung getroffen, die Versuchsanlage auf Grund von Kapazitätsauslastung zu erneuern bzw. überhaupt einen geigneteren Standort zu suchen und auf zwei Windkanäle auszuweitern. Diesen stellte das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie in Floridsdorf zur Verfügung, das sich in Zukunft zu einem großen Technologiepark ausweiten soll. Die neue Anlage des Windkanals ist im Besitz der Rail Test & Research GmbH, den Betrieb und die Vermarktung übernimmt die Rail Tec Arsenal GmbH (RTA), an der die wichtigsten europäischen Schienenfahrzeughersteller beteiligt sind. Mit Unterstützung vom Bund und der Stadt Wien ist das Projekt ein "private-public-partnership" Modell, das die Kosten von insgesamt 65 Millionen Euro dafür aufbringen konnte.

Der Planung ging ein Auswahlverfahren eines Totalunternehmer voraus, für das die Arge Klimawindkanal AIOLOS - VA Tech VOEST MCE - VA Tech Elin EBG mit den Architekten Poduschka/Popelka im Juni 2000 den Zuschlag bekam. Architektur war für den Betreiber von Anfang ein wichtiges Kriterium, das explizit in der Ausschreibung verlangt wurde. Es musste ein repräsentabler Bau her, der die Abläufe zwischen Büro, Kunden- und Technikbereichen koordiniert und inszeniert. Für die Architekten bedeutete das, ein relativ flexibles räumliches Konzept zu entwerfen, dass die sich ständig veränderten und vor allem erweiterten Ansprüche aufnehmen konnte. Diese Umplanungen und Vergrößerungen betrafen hauptsächlich den Technikbereich des Gebäudes und ist daraus entstanden, dass für alle Firmen dieser hochtechnologische Bau in dieser Größenordnung Neuland darstellte. Es wusste zwar jeder was er benötigte, aber nicht wo und wie viel. Das Know-how für den Klimawindkanalbau kommt von der kanadischen Firma AIOLOS. Die ersten Planungen wurden in Sitzungen und auf kommunikativer Ebene ständig weiterentwickelt, dennoch wird auch noch jetzt immer wieder ergänzt. Die Architekten Poduschka/Popelka entwarfen ein lineares Raumkonzept. Das Bürogebäude ist im Norden des Grundstücks situiert, daran schließen sich die zwei Vorbereitungshallen, die zwei Windkanäle und eine Unmenge an Räumen an, die nur für die diversen technische Inhalte, wie Elektrik, Lüftung, Kühlung und Computertechnik zur Verfügung stehen.

Der Ansatz ist pragmatisch: über das Baukastensystem wird eine strenge Hülle gespannt, die silbern glänzend die Funktionen von außen klar ablesbar macht. Der Betonbau bekommt einen silbernern Anstrich, über die Stahlkonstruktion wird ein Stahlblech die glänzende Haut bilden.

Das ist jetzt freilich noch nicht zu sehen, zu sehen ist aber das gesamte, in diesem Fall wirklich komplexe, System von Räumen und Nicht-Räumen. Denn viele Bereiche werden bei Fertigstellung der Technik übergeben und nicht mehr zugänglich sein. Im Moment liegt das 100 Meter lange Gebäude da, wie eine aufgeschnittene Zwiebel, die alle Schichtungen sichtbar macht. Ganz im Inneren liegen auf und unter der Stahlkonstruktion die zwei Windkanäle, die sich wie zwei Schleifen durch das Stege-und Treppensystem winden. Die Stahlkonstruktion musste an einigen Stellen überdimensioniert werden, um im Falle einer Unwuchtigkeit der Turbinen, die Kraft aufnehmen zu können. Die Stahlrohe für den Kanal wurden in Tschechien vorgefertigt und werden jetzt an Ort und Stelle zusammengeschweißt. Diese Stahlkonstruktion bekommt zwar noch eine frische Lackierung in blau-grün, ihr technoider Charme als rohe Konstruktion bleibt dennoch erhalten. Der Bürotrakt dagegen muss den internationalen Kunden und Besuchern einiges bieten. Schon im Foyer befindet sich ein großes Schaufenster, das einen Blick auf die zwei Windkanäle freigibt. Daneben ist der Steuerraum der Technik situiert, der ebenfalls einen Ausblick ins Innere besitzt. Die Büro- und Besprechungsräume werden von den Architekten als Gegensatz zu den "harten" Stahlkonstruktionen, weich gestaltet. Textilien an den Wänden, helle Farben und Präsentationswände sollen diesen Gegensatz verdeutlichen. Im oberen Bereich können die Kunden in den Windkanalraum hineingeführt werden und von einer Tribüne aus den Betrieb überschauen.

Ein Besuch dieser Baustelle kann nur empfohlen werden, die Dimensionen der Anlage sind in der Tat beeindruckend. Die Architektur bildet bei diesem Projekt die Inszenierung einer Technikschau auf höchstem Niveau. Die Wegführung und Raumaufteilung ist zwar funktionell bestimmt, die bewusste Darstellung und die Möglichkeit der Einsicht in vielen Bereichen haben die Architekten sehr sensibel gestaltet. Die Kombination von Architektur und Technik, Arbeitsabläufen und Präsentationsebenen werden diesem Bau sein ganz spezielles Flair erst einhauchen. Am Ende sei noch die brennende Frage - "Was kann ein Windkanal" - schnell beantwortet: Simulation von Sonneneinstrahlung, Luftfeuchtigkeitsregulierung, Simulation von Regen und Schnee, Schienen- und Straßenfahrzeugtests auf Rollenprüfständen mit Windgeschwindigkeit bis zu 250 km/h in einem Temperaturbereich von minus 50 Grad bis plus 60 Grad Celsius.



erschienen in Architektur&Bauforum/01, Febr.02, S.97ff
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