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Von Michael Hasslacher.

ÜBER MUSIK ZU REDEN ...

ÜBER MUSIK ZU REDEN ...
... IST WIE ÜBER ARCHITEKTUR ZU TANZEN

Diese altbekannte Weisheit hat Frank Zappa in die Welt gesetzt, und jeder hat wahrscheinlich diese Erfahrung schon gemacht – z. B. diesen vergeblichen Versuch im Familien- oder Freundeskreis eine Diskussion über Architektur zu starten, ohne in die üblichen Polemiken zu verfallen. Spätestens wenn dann das Adjektiv „schön“ ins Spiel kommt, entwickelt sich ein wahrer Eiertanz. Dagegen ist einfach nicht zu argumentieren, zumindest nicht, ohne beleidigend zu werden. Doch woher kommt diese Sprachlosigkeit? Sind alle Laien, also unsere späteren Bauherren, einfach nur ignorant und oberflächlich? Oder können wir außerhalb des Zeichenblocks nicht kommunizieren?


Durch einen Caféumbau konnten ein Studienkollege und ich vor ein paar Wochen erste eigene Erfahrungen mit Bauherren sammeln. Zu wissen, dass man mehr weiß als sein Gegenüber, ist dabei gar nicht so einfach. Schließlich will man ja nicht überheblich oder arrogant wirken, sondern sich freundlich und offen darauf einlassen. Doch die Fettnäpfchen standen schon parat. Denn ohne es wirklich zu wissen, benutzten wir Fachausdrücke, die uns
im Studium selbstverständlich über die Lippen kamen, bei dem Bauherrn aber nur unverständliches Stirnrunzeln hervorriefen. Doch wie erklärt man den Begriff Raumkonzept, die Notwendigkeit von Zonierungen oder die Bedeutung des halböffentlichen Raums?

Während man sich auf der Uni zwischen Assistenten und Kollegen in einem Fachdiskurs bewegt, die mit der Materie vertraut sind, steht man außerhalb des sicheren akademischen Ufers ziemlich sprachlos da. Wie vermittelt man seinem Bauherren seine Ideen, haben diese doch eine vollkommen andere oder auch gar keine Zugangsweise zur Architektur. Nur auf sehr zeitaufwändige Renderings zurückzugreifen hilft da auch nichts. Dass viele Projekte scheitern, liegt also
nicht unbedingt nur an einer, dem Laien oft unterstellten Ignoranz, sondern auch an der Unfähigkeit vieler Architekten, verständlich und auf einer Ebene mit ihrem Bauherren zu kommunizieren. Denn wie in anderen Disziplinen auch, wie z. B. der Medizin, haben wir uns ein Fachwissen erarbeitet, das nach einer eigenen Fachsprache und Kommunikation verlangt, die für einen Nichtarchitekten aber vollkommen unverständlich sein muss.
Riklef Rambow, Geschäftsführer von PSY:PLAN, hat sich in seinem Buch Experten-Laien-Kommunikation in der Architektur damit auseinandergesetzt und die Struktur und Entstehungsweise unserer Fachsprache, sowie Möglichkeiten einer besseren Verständigung untersucht – und das Studium als zentraler Prägungsabschnitt
spielt dabei eine entscheidende Rolle. So findet man im Buch auch viele Situationen wieder, die einem persönlich bekannt vorkommen. Da gibt es z. B. empirische Untersuchungen, die belegen, dass wir Architekten die menschlichen Lebensbedingungen zwar verbessern wollen, anderseits den Kontakt im Laufe unserer Ausbildung mit Nutzern und Laien systematisch meiden – denn Architekturstudenten „lernen sehr schnell, dass ihre professionellen Werte und Kriterien sich von denen der Außenwelt unterscheiden und entfernen sich in ihrem Denken von dem der Öffentlichkeit“.
Man widmet sich lieber dem autonomen, akademischen Diskurs und sucht seinesgleichen, anstatt sich mit den Nutzern auseinanderzusetzten – diese treten in Entwurfsübungen nur vermittelt auf, und zwar nicht vermittelt über empirische Befunde, sondern über Einzelerfahrungen und Überzeugungen der Lehrenden und der „architektonischen Helden“, welche – nachweislich – ein „sehr stark verzerrtes Menschenbild“ aufweisen. Hinzu kommt, dass menschliche Bedürfnisse von Architekten eher „normativ als deskriptiv“ aufgefasst werden. Verstärkt durch die Profilierung während der Ausbildung, die besonders über Innovation und Originalität läuft, wird diese normative, oder auch vorschreibende Orientierung noch verstärkt. Auf der anderen Seite steht der Laie, der oft allein die narrative Qualität eines Gebäudes schätzt und Architektur nicht als einen Prozess aus Architekturdiskurs, Gesellschaft und Finanz begreift. Für ihn geht es nicht um das sinnerfassende Nachvollziehen eines vom Architekten erfundenen Inhalts, sondern um die Aneignung konsumierbarer, ästhetischer Identitätsangebote. Dass Hundertwasser immer noch „der“ Architekt ist, darf also nicht verwundern – ganz im Gegensatz dazu die glatte und als kalt empfundene
Moderne.

Doch nicht die Wahrnehmung des Laien ist abgestumpft, vielmehr ist jene der Architekten, als Resultat eines jahrzehntelangen Prozesses von Ausbildung und Berufspraxis, extrem verfeinert und differenziert – die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Experten und Laien lassen sich also nicht nur durch schlichten Austausch von Begriffen beheben. Rambow geht es eher um eine grundlegende Umstrukturierung, um eine Kommunikation ohne Prinzipienverrat. Der Architekt muss sich der Unterschiede zwischen seiner eigenen und der Laienperspektive bewusst sein und muss diese Unterschiede auch selbstbewusst als solche akzeptieren. Man sollte sich also nicht zieren, auch mal das Wort „schön“ in den Mund zu nehmen.
Kommunikationsfähigkeit ist für die Entwicklung der Architektur allerdings nicht nur im eher persönlichen Bauherrengespräch, sondern auch im großen öffentlichen Rahmen von entscheidender Rolle. Versteht sie sich doch als öffentlichste aller Künste und steht in einem politischen und medialen Spannungsfeld, und diese Bedeutung wird in Zukunft wohl eher zu- als abnehmen. Ein Blick ins Internet sollte dabei animieren. Denn über Architektur wird sehr viel diskutiert, nur eben anders und meist ohne Architekten. Besonders in Deutschland haben sich unzählige Internet-Portale und Vereine gegründet, die munter über Stadtverschönerung diskutieren und einen großen politischen Einfluss ausüben. Dass sie durchaus Erfolg haben, zeigt sich u. a. Durch die Welle an Rekonstruktionen in den letzten Jahren, die fast alle auf das Engagement von Bürgerinitiativen zurückzuführen sind. Von „zeitgenössischer“ Architektur halten die meisten nämlich überhaupt nichts. Sie hat jeden Halt in der Öffentlichkeit verloren und kann mit keinerlei Unterstützung mehr rechnen.

Beobachtet man öffentliche Diskussionsrunden mit unseren (angeblichen) architektonischen Helden, kann man nur hoffen, dass sich nicht allzu viele Laien dafür interessieren. Was soll der Laie auch von moderner Architektur halten, hört er beispielsweise in der Berliner Schlossdebatte von Axel Schultes Statements wie „Schönheit ist entbehrlich“, was vor einem Fachpublikum ein Diskussionsansatz wäre, kommt außerhalb des Diskurses so rüber, als wäre uns die Gestaltung sowieso egal. Dass diese Begriffe dann von anderen – ob konservativ, traditionalistischen Kräften oder einfach nur anbiedernden Architekten besetzt werden, sollte nicht verwundern.
Um sein Schicksal nicht sprach- und argumentationslos den Bauherren, Baubehörden und der Öffentlichkeit auszuliefern, muss man sich der anderen Perspektive also bewusst sein. Dass dadurch neue Zugangsweisen und Architekturen entstehen, die beide Seiten, Architekten und Bauherren, begeistern, kann man am Erfolg
von F.A.T. und Hild und K nachvollziehen – zwei Büros, die sich den Perspektivenwechsel auf die Fahne geschrieben haben. Während FAT-Architects mit britischem Humor und ironischer Überspitzung auf die Bedürfnisse seiner Bauherren eingeht und einen Vorgarten mit rosa Leucht-Flamingos und Gartenzwergen nicht als Geschmacklosigkeit, sondern als einen Ausgangspunkt für ihren Entwurf sieht, setzten Hild und K, die dieses Semester eine Gastprofessur an der TU Graz absolvieren, auf subtile Narration, um die keimfreie und ungeliebte Ästhetik der Moderne zu überwinden. Dabei gewinnen sie beispielsweise einer banalen Klinkerfassade durch einen bescheidenen Eingriff einen völlig neuen Blick ab.
Denn gelingt es nicht, das Populäre in die Architektur mit einzubeziehen, damit sie auch von Laien und Nichtfachleuten gelesen werden kann, mit anderen Worten, Wünsche und Ansprüche des Publikums ernst zu nehmen, dann wird der Architekt abdanken müssen.



Michael Hasslacher ist Student der Architektur an der TU Wien
> Link:Schultes Architekten > Link:FAT::Architecture::- > Link:Hild und K Architekten- > Link:TU Graz- > Link:Kunsthaus Wien/Friedrich Hundertwasser- > Link:Psy:Plan - Institut für Architektur- und Umweltpsychologie-