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Wie vermittelt man Qualität? Anders gefragt: Wie erzeugt man einen Anspruch auf Qualität? Was der zeitgenössischen Architekturproduktion noch schwer fällt, ist beim Wein, marketingstrategisch betrachtet, längst gelungen. Von Manuela Hötzl.

Barriques hinter Holz

Weingut Mariell in Großhöflein/Burgenland - Architekten: creuz & quer, Graz

Die Nachfrage nach guten Weinen ist in den letzten Jahren rasant gestiegen. Ohne Weinkenner oder Experte zu sein, hat man irgendwie die Kriterien dafür mitbekommen – der erzieherische Einfluss des Marktes zeitigt Erfolge. Wer sich auf den eigenen Geschmack nicht verlassen will, dem hilft der Blick auf den Preis, denn das Qualität etwas kostet, wird allgemein akzeptiert. Der Kunde verlangt, der Produzent liefert.

In Österreich kam der Umschwung nach dem Glykol-Skandal in den achtziger Jahren. Seitdem wird das Image des österreichischen Weines gepflegt. Niederösterreich und die Steiermark haben große Kampagnen gestartet, das Burgenland ist, zu Unrecht, national und international noch wenig beachtet – sieht man von einzelnen Weingütern einmal ab. Als jüngstes Bundesland (erst 1920 wurde das Burgenland in die Republik Österreich eingegliedert) hinkt es wirtschaftlich, nicht nur aufgrund seiner Randlage, immer noch ein wenig hinter dem Rest des Landes hinterher. Dabei ist gerade das Burgenland ein traditionsreiches Weinbaugebiet, denn seine geologische Ausprägung ist hierfür wie geschaffen. Schon die Römer erkannten diese guten Voraussetzungen und bauten hier Wein an. Doch waren es, im Gegensatz zu den anderen Bundesländern, vor allem kroatische und ungarische Weinbauern, denen das Burgenland seinen Ruf als Land des qualitätsvollen Weines verdankt.

Auch das traditionsreiche Weingut Mariell hat kroatische Wurzeln. Die Verdoppelung der Konsonanten entspricht einer alten Schreibweise des Familiennamens, die aber nur der Weinmarke geblieben ist. Richard und Gabi Mariel stammen beide aus alten Winzerfamilien und haben eine weinbau- und kellermeisterliche Ausbildung genossen. Richard Mariel war jahrelang Weinprüfer des Bundeslandes, bevor er sich dem Weinanbau verschrieb. Das Weingut der Mariels liegt in einem typischen Straßendorf im Mittelburgenland. Die Grundstücke fügen sich in sehr langen, schmalen Streifen aneinander. Dieser Enge angepasst, bilden die Häuser zur Straßenseite eine geschlossene Reihe mit Giebelfronten. Im Inneren entwickeln sich größere und kleinere Höfe, die ein wenig an die Patios altrömischer Häuser erinnern und sicher auch von diesen beeinflusst sind. Auch das Haus Mariel passt sich in eines dieser lang gestreckten Grundstücke ein und entspricht dem konventionellen Typus. Zwei kleine Wohnhäuser, das eine für Richard und Gabi Mariel, das andere für die Eltern, liegen rechts und links des mittigen Durchgangs, der zum Hof führt. Im hinteren Teil sind Lager- und Verkaufsflächen situiert. Solch eine enge, fast burgartige Bebauung lässt sich kaum erweitern. Deshalb wurde für den neuen Lagerraum ein weiteres Grundstück herangezogen, das von einer Nebenstraße getrennt ist und am Rand der Weinfelder liegt. 6,5 Hektar Rebfläche, davon etwa 65 Prozent Rotwein, umfasst das Weingut. Der Neubau sollte in erster Linie der Lagerung der Barrique-Fässer dienen, aber auch einen repräsentablen Kostraum bieten und dazu einen Weinkeller. Außerdem musste die Anlieferung, eine Art Fuhrpark mit Unterständen für die Traktoren, Platz finden. Das Grazer Architekturbüro creuz & quer wollte im ersten Ansatz „kein“ Gebäude bauen. Der Bau sollte sich in die Landschaft eingraben und auf die erdige Verbindung mit den Weingärten hinweisen. Dieses Konzept schien den Bauherrn zu dezent, und so einigte man sich auf eine L-förmige Bebauung, die zur Straße hin repräsentiert. Architektonisch wie inhaltlich weist der reduzierte Bau auf die Funktion des Einlagerns hin. Der Kern des Stahlbetonbaus ist mit unbehandelten Lärchenlatten verkleidet. Die Verwendung von Holz ergab sich vor allem aus klimatechnischen Überlegungen, um im Inneren eine aufwendige Lüftung zu vermeiden. Das Lärchenholz, dessen Oberfläche mit der Zeit sich verändern und ergrauen wird, vermittelt ein wenig den Eindruck einer Scheune. Die Verglasung ums Eck stellt den Bezug zum Haupthaus her und widerspricht dem konventionellen Hallencharakter. Eingefasst wird die Laibung des tief liegenden Fensters von einem polierten Aluminiumblech, das die Besonderheit hervorhebt und etwas mehr Eleganz ins Spiel bringt. Der Eingang markiert die Trennung zwischen Fasslager, Weinkeller und dahinter liegender Halle. Eine große Schiebetür bindet im geöffneten Zustand den Nebentrakt ein, in dem der Abgang zum Keller situiert ist. Gegenüber, vom Lastenlift ein wenig gestört, rahmt ein raumhohes Fenster den Ausblick in die Weingärten. Der Innenraum wird über sechs unregelmäßig angelegte Deckenöffnungen belichtet, in denen auch die Kunstlichtquellen untergebracht sind. Da die Fässer immer wieder angefeuchtet oder gewaschen werden müssen, wurde mittig im Boden eine kleine Fuge eingelassen, in der das Wasser abrinnen kann. Der Raum verströmt trotz seiner Einfachheit eine gewisse Aufenthaltsqualität. Die Präsenz der Fässer erzeugt Behaglichkeit, ihr Duft erfüllt den Raum mit weinseligen Assoziationen.

In den Barriquefässern, meist aus französischer Eiche gefertigt, wird vor allem Rotwein gelagert. Beim Weingut Mariell sind das Sorten wie Blaufränkisch, Zweigelt oder Blauburgunder. In den Beschreibungen der einzelnen Sorten werden ähnliche Begriffe verwendet wie in der Sprache der Architektur. Es wird auf Struktur, Vielfalt und Komplexität hingewiesen, ein Wein kann rau, kompakt oder vielschichtig sein, eine schöne Holzstilistik besitzen oder Eleganz aufweisen. Und ähnlich wie bei Fragen zur Architektur können Empfehlungen ausgesprochen werden, persönlich ist es letztlich eine Geschmacksfrage, die den individuellen Wert ausmacht. Mariell und creuz & quer haben eine gemeinsame Sprache gefunden: Holz dominiert, sehr rund, harmonisch und, wie der Experte sagen würde, dicht und lang im Abgang.



erschienen in Bauwelt 17/02,03.Mai 02
> creuz&quer