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Der 11. Wiener Architektur Kongress mit dem Titel „Intelligent Realities. Worauf bauen wir im 21. Jahrhundert?“ fand heuer vom 14. bis 16. November im Architektur Zentrum Wien statt. Er gilt in Fachkreisen als eine der wichtigen, wenn nicht als eine der wichtigsten internationalen Veranstaltungen zum aktuellen Architekturdiskurs. Warum? Von Antje Mayer.

Kann Architektur den Planenten Erde retten?

Der 11. Wiener Architektur Kongress

„Die meisten Events dieser Art gehen nach dem zweiten Mal pleite. Der Wiener Architekturkongress besitzt hingegen eine sehr lange, wenn nicht die längste Tradition“, erklärt der bekannte niederländische Architekturkritiker Bart Lootsma, der heuer durch das Programm führte. „Aber das Herausragende am Wiener Kongress ist wie immer die gewagte Konstellation der Vortragenden, die Unbekanntes und Disziplinfremdes genauso involviert.“
Als Thema des diesjährigen Treffens wurde eine Frage von Architekten (wie etwa Peter Schmid, Eindhoven), Globalisierungsgegnern (wie Michael Albert, USA), Soziologen (wie Gerhard Schulze, Bamberg) und Theoretikern (wie Werner Sewing, Berlin) in den Raum gestellt, die als so anmaßend, wie ehrgeizig aber auch ironisch zu verstehen war: Kann Architektur den Planeten Erde retten? Soll heißen, inwiefern können Architekten, die mit einer Vielzahl neuer Technologien und Werkzeuge ausgestattet sind, neue Strategien, Möglichkeiten, Grammatiken und Sprachen entwickeln, die den veränderten gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen entsprechen?
„Im Grunde ist das eine Diskussion, die bereits in den Sechziger und Siebziger Jahren geführt worden ist“, findet Lootsma, „Nach den peinlichen Jahren des Dekonstruktivismus und der Postmoderne knüpfen wir nun gerade wieder an die Bewegung der Moderne an, die ihren Anfang im Grunde noch viel früher, nämlich in den Zwanzigern nahm. Einerseits ist das eine positive Entwicklung, wie ich denke, andererseits ist es erschütternd, dass die Fragen immer noch die gleichen geblieben sind.“
Zeige mir wie du baust, lautet ein Sprichwort, und ich sage dir, wer du bist. Architektur als gesellschaftlicher Seismograph? „Nicht nur“, findet Lootsma. „Die Moderne hat formal verführt und zum Teil erst die baubürokratischen Bedingungen für die Visionen geschaffen, aber letztendlich hat die Architektur freilich immer auch auf gesellschaftliche Umstände reagiert. Der Architekturdiskurs Ende der Neunziger ist ein gutes Beispiel dafür. Wurde er nicht intensiv von der New Economy geprägt?“, fragt Bart Lootsma. „Es gab damals kaum einen Kongress, der nicht untersuchen wollte, wie neue Technologien Architektur, Planung und Bauen beeinflussen. Nur Reaktionen, kaum Visionen. Dieser fader Hype ist nun so gut wie vorbei.“
Der 11. Wiener Architekturkongress habe gezeigt, so Lootsma, dass man nun wieder nach Visionen und Utopien forsche. Leider würden diese, wie die Vorträge gezeigt hätten, bisher entweder ästhetisch oder soziologisch realisiert, kaum noch würden beide Aspekten gleichberechtigt bei Projekten nebeneinanderstehen. Die Themen der Zukunft schlechthin, so habe es sich in Wien herauskristallisiert, sind das Bauen mit der Natur und die Nachhaltigkeit von Materialien.
„Nächstes Jahr wäre es wichtig über Regionalplanung zu diskutieren“, findet Lootsma. „Überlegungen wie beispielsweise das riesige Ruhrgebiet in die Ruhr-Rhein-City umzuwandeln sind gerade voll im Gange. Die EU wird sich zunehmend als ein Gebiet solcherart sich konkurrierender Regionen definieren. Dort würde dann die Diskussion über Visionen und Utopien wieder auf der Erde ankommen können.



Passend zum Kongress findet im AZW noch bis zum 2. Februar 2004 die Ausstellung „Wie bauen? Das Buch der Moderne. Architektur des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung Marzona“ statt. Gezeigt werden über 500 Publikationen (von Lloyd Wright bis Adolf Behne), die sich mit Architektur im 20. Jahrhundert theoretisch oder künstlerisch auseinandersetzen.

Caroline Kufferath Telefon: +43 (1) 522 31 15 – 34, Fax: +43 (1) 522 31 15, E-Mail: kufferath@azw.at
erschienen im Informationsdienst Kunst Nr.289/Nov.03,S.23ff
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