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„Wir haben kaum noch Museen, sondern Museumsshops, wir haben keine Flughäfen, sondern Flughafeneinkaufzentren. Shopping infiltriert jede menschliche Aktivität und zeigt mittlerweile einen ungeheuren und unterschätzten Einfluss auf unsere gesamte Kultur,“ meint Rem Koolhaas, der Shopping-Experte unter den Architekten. Von Manuela Hötzl.

Shopping ersetzt alle Bedürfnisse

Der Shop und die Shoppingcenter werden immer mehr zu den Ersatzorten für Kultur, Design, Event, Freizeit und Museum. Durch ihre ähnliche Struktur, die ihr Ambiente auf der ganzen Welt repräsentiert, entsteht langsam ein heimeliges Gefühl in diesen Räumen – erfüllt und gefüllt mit lauter Begehrlichkeiten. Dabei geht es nicht nur um die Dinge, die man sich umhängen und mitnehmen kann in sein privates Heim. Die Atmosphäre dieser Gebäude, Geschäfte und Schauräume ist anziehend und gemeinschaftlich. Öffentlichkeit und Privatheit sind durcheinander gekommen. Die öffentlichen Bauten werden verschlossener, der Konsum öffnet sich nach allen Seiten und bietet die intimsten Wünsche feil. Designershops sind die kleinen luxuriösen Inseln in der Einkaufslandschaft. Sie zeigen das absolut Anstrebenswerte, sie sind Marke, Marketing, Geld und Luxus. Die Architektur ergänzt die Marke der Mode – im Falle Koolhaas und Prada ist sie eine Fusion der Marketinggiganten. Anders bei kleineren Shops, die auch immer mehr mit Architektur punkten wollen und sich dadurch Exklusivität einkaufen. Dort wird die Architektur namenlos zum Teil eines Konzeptes. Die Eröffnung des Prada-Shops hingegen wurde in New York zu einem gesellschaftlichen und kulturellen Event. Nicht nur das Museum wird zum Museumsshop, auch der Shop wird zum Veranstaltungsort. "Der Architekt hängt auch von dem ab, worum ihn die Auftraggeber bitten. Ich war damit nie glücklich. Was mich bei Prada interessierte, war die Bitte, neu zu definieren, was ein Laden sein kann. Nämlich auch: Ein öffentlicher Raum. Eine Bühne. In SoHo, einer Gegend New Yorks, in der nur Shops sind, und auch nichts anderes Fuß fassen kann, weil die Mieten sonst nicht bezahlbar wären, - in dieser Umgebung haben wir einen Raum geschaffen, der kommerziell, zugleich aber auch kulturell genutzt werden kann: Die Ware hängt an Schienen an der Decke, man kann sie wegschieben, eine Bühne ausklappen, und die breite Treppe, auf der während der Verkaufszeiten Schuhe ausgestellt werden, als Sitzfläche wie in einem Amphitheater benutzen. Der ganze Laden wird zur Bühne." (Rem Koolhaas, FASZ. 712/01) Was diese Aussage von Koolhaas impliziert, ist die Tatsache, dass nicht mehr das Objekt als Kunstwerk angestrebt wird, sondern dass der Mensch selbst Teil der Kunst, Design und Modewelt werden will und schon ist. Alle Bedürfnisse werden in einem Shop zusammengefügt. Und – nichts geht mehr. Mode ist Provokation, wenn sie sich mit dem Theoretiker und Architekten verbindet, repräsentiert sie alles, was der Markt zu bieten hat und was der Mensch begehrt.

So öffnen sich die Shops immer mehr zur Straße, werden voyeuristischer, sind Teil einer Welt, die sich ihre Werte gleich im Fast-Food-Stil holt. Die Ähnlichkeit dieser Orte und des Systems zeigen die globalisierte Gesellschaft, die mobil ist, aber immer dasselbe erwartet. Ihre Marke, ihren Shop und einfach viele andere Menschen, durch die man sich bewegen kann. Prada und Rem Koolhaas geben ein Level vor, dass nicht leicht nachzumachen ist. Der differenzierte Umgang mit Gestaltung dieser Shops, ist bei Koolhaas sicher zu sehen. Er wollte Prada vom „Brand“ befreien, keine Festlegung auf die Marke und somit keine bestimmten Erwartungen. Dennoch fällt selbst dieser Shop in ein System des Designs und der Designerwelt, in der man das eine von dem anderen kaum unterscheiden kann.



erschienen in Wohnen&Design 02