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„Bauen am Hang“ ist für österreichische Architekten fast schon eine Grundkompetenz ab dem ersten Semester und natürlich eine topologisch naheliegende Entwurfsaufgabe: Viele Städte liegen in Tälern oder haben zumindest einen „Hausberg“. Das ist nichts Neues – aber Häuser am Hang nehmen einen sehr spezifischen Bereich der Architektur-Disziplin in Österreich ein – der äußere Bedingungen und Umstände plötzlich genauso wichtig werden lässt, wie konstruktive und räumliche. Die Bauplätze mit Aussicht sind mittlerweile sehr begehrt und werden immer seltener und teurer. Deswegen sind Architekten des Öfteren damit konfrontiert, den hohen Grundstückpreis mit intelligenten und kostensparenden Entwürfen aufzufangen. Gleichzeitig sind diese Orte längst dicht besiedelt, die Grundstücke klein, steil, verschnitten, die Nachbarn sind nahe - der begehrte Ausblick lässt das dennoch in Kauf nehmen. Von Manuela Hötzl.

Schräge Hanglage

Haus_H von Caramel in Linz (A)

All diese Umstände galt es auch für die Caramel Architekten (Günter Katherl, Martin Haller, Ulrich Aspetsberger) zu lösen. Das Haus_H liegt am Pöstlingberg, einer der besten – und teuersten - Lagen von Linz, der Hauptsstadt des Bundeslandes Niederösterreich. Vom Grundstück aus, am Südosthang, hat man einen Ausblick über die Stadt bis zu den Alpen. Vorgabe für die Architekten war Freiraumsparend und im Vergleich zum Grundstückpreis kostengünstig zu bauen. Grundstücksform und Mindestabstandsvorgaben werden deswegen zum wesentlichsten Entwurfsparameter, um sich im Norden hin abzugrenzen und Richtung Süden zu öffnen. Die Konstruktion: ein minimierter Beton-Stahlbau.
Dennoch wäre Anpassung wohl die schlechteste Beschreibung des Bauköpers, der sich in alle Richtungen zu entwickeln scheint und dessen Obergeschoss über 13 Meter stützenfrei in die Ferne ragt. Vielmehr wird hier clever mit Grenzen gespielt, denen man sich unterordnet, um gleichermaßen darüber hinweg zu schweben. Nur knapp 140m² des 820m² großen Grundstücks sind verbaut, wobei nur 46 m² nicht als Freifläche nutzbar sind. Die restlichen Flächen organisieren sich vertikal in ineinandergestapelten Raumabfolgen und Halbgeschossebenen. Der Schlafzimmertrakt, mit Elternschlafzimmer, drei Kinderzimmer, zwei Badezimmer und angeschlossenen Fitnessraum und Weinkeller, bettet sich in den Hang ein und bildet das „Fundament“ des Hauses. Von dort erreicht man direkt den Garten mit Pool. Die Fassade, eine vorgehängte Konstruktion aus Schichtstoffplatten, verdeckt außenliegende Schiebeflügeln aus demselben Material, die es ermöglichen die hinterlüftete Gartenfassade komplett zu verschließen.
Im Mittelgeschoss befindet sich der Haupteingang mit Foyer, Küche und Spielbereich für die Kinder, der durch ein Glasband im Küchenblockverlauf einsichtig gemacht wurde. Auf Küchenniveau liegt auch die weitläufige Terrasse. Einen Halbstock höher ist der Wohnbereich situiert, noch einen weitern hinauf gelangt man zu Lounge und dem Büro der Hausherrin. Alle Wohnräume orientieren sich nach Süden, sind durchgängig verglast –das ganze Haus gibt sich vollkommen dem Ausblick hin.
Konstruktiv sind Boden und Decke in Beton ausgeführt, die mit der Nordfassade, ebenfalls in Beton, eine „U-förmige“ Stabilitätsröhre bilden, die mit Stahlträgern minimal gefestigt wird. Möglich wird diese freie, auskragende Form aber vor allem durch den schweren, in den Hang gesetzten Bau, der als Basiskörper fungiert und den Kraftfluss mittels einer Stahlstütze vorne und hinten aufnimmt. Der „Boden“ des auskragenden Hausteils ist zusätzlich mit einem Stahlträger gefestigt. Die zart dimensionierten Stahlträger, die im Wohnbereich offen sichtbar werden, bilden im Vorderbereich ein Doppeltes „V“ und ermöglichen erst die freie „Split-Level-Struktur“ im Inneren des Hauses sowie die vollverglaste Fassade im Süden. Auch das Dach kann so den inneren Höhen folgen und faltet sich über den Niveaus seines „Darunters“. Die homogene Außenhaut des Gebäudes (Dach wie auch Wände und Untersicht) bildet eine Polyurethan-Folie, welche im Spritzverfahren als letzte Bauwerksschicht aufgebracht wurde.
Dennoch hat man im Haus nie den Eindruck, dass die Konstruktion den Raum bestimmt. Die Raumstruktur ist fließend, ebenso wie das Dach den Höhensprüngen folgt, passt sich auch das Mobiliar (von Fritz Stiper) den Räumen an, bestimmt aber nicht autoritär deren Benutzung. Multifunktionalität und wenige durchgängige Materialien, wie Eichenböden, bestimmen die Einrichtung. Es wird prinzipiell funktional differenziert, aber nie abgegrenzt. Auch die Freiflächen sind ein Teil der Raumschleife, die immer wieder neue Möglichkeiten der Benutzung eröffnet.

So auffällig sich das Haus nach außen auch gibt, es ist weder ein formaler Kraftakt noch vordergründig modisch. „Eine schöne Wohnung, ist eine große Wohnung“, sagte Jean Nouvel in den 1990ziger Jahren. So einfach haben es sich Caramel nicht gemacht.
Der komplexe Grundriss, die gesplitteten Raumfolgen, die Stahlbetonkonstruktion, die homogene Außenhaut machen Das Haus wird so zu einer versteckten wie exponierten modernen Wohnmaschine.



erschienen in DBZ