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Architekturvermittlung ist ein in letzter Zeit viel verwendeter Begriff, zwar weiß man was (Architektur) an wen (Öffentlichkeit) vermittelt werden soll, doch das wie ist ein unerforschtes, weites Feld. Von Manuela Hötzl.

Die Entdeckung des Unsichtbaren

Verein podroom

Neue Berufssparten scheinen sich aufzutun und die Frage nach den Präsentationsmöglichkeiten von Architektur bleibt stetes Diskussionsmaterial. Wesentlich pragmatischer und idealistischer agiert Christine Bärnthaler mit podroom. Sie spürt auf, was im Umfeld von Architektur produziert wird und positioniert Projekte oder Personen im Rahmen der gerade vorhandenen Möglichkeiten.

Im Prolog des Romans von Ralph Ellison „Der Unsichtbare Mann“ erklärt der schwarze Protagonist seine Unsichtbarkeit. Sie ist weder eine physische noch eine neurotisch erlebte, die Unsichtbarkeit entsteht vielmehr aus soziologischen Umständen. Die Suche nach einer Rolle in der amerikanischen Gesellschaft Anfang des 20zigsten Jahrhunderts macht dem ehrgeizigen, idealistischen Schwarzen bald klar, dass er, so wie sich ihm die Zusammenhänge darstellen, immer unsichtbar bleiben wird. Die Position, die er sich erhofft, wird er nie erreichen. Die einzige Flucht bleibt die Unsichtbarkeit. Am Ende zieht er sich zurück in eine warme Höhle, die mit Hunderten von Glühbirnen beleuchtet wird: „Vielleicht klingt es seltsam, dass ein Unsichtbarer Licht braucht, sich nach Licht sehnt und Licht liebt. Aber vielleicht kommt es daher, weil ich unsichtbar bin. Licht bestätigt meine Realität, gebiert meine Gestalt.“

Der Künstler Jeff Wall hat nun ein Bild, eine Fotografie auf der documenta11 gezeigt, die den Protagonisten in seinem Kellerloch mit 1.369 Glühbirnen (gestohlener Strom von den New Yorker Stadtwerken) darstellt und damit nicht nur den Unsichtbaren sichtbar macht, sondern das gesamte kulturelle Gedächtnis mit literarischem Hintergrund aufdeckt.
Dieses Bild und Abbild, ist, wie ich glaube, nicht nur für mich persönlich ein wichtiges Statement einer Sichtbarmachung von Kultur und bleibt dabei bei einer klassischen Darstellung. Selbst im Überfluss der Bildproduktion und ohne tief in den theoretischen Zusammenhängen einzutauchen, funktioniert die ästhetische Sprache des Bildes in der einfachen Kombination – eine Fotografie mit dem Titel: „Der Unsichtbare Mann“.

Christine Bärnthalers podroom lässt nun ähnliche Rückschlüsse zu und macht Realität sichtbar oder setzt sie neu zusammen. „pod“ bedeutet auf slawisch Boden und podroom bildet den Nährboden, der Material aus dem architektonischen Umfeld sucht und ihnen zu einer Gestalt verhilft.

Im Oktober 1999 haben Christine Bärnthaler und Boris Rajdojovic zum Thema „2 Tage Architektur aus Wien“ das Symposium „architectural tactics“ in Budapest organisiert, wo erstmals auch das Architekturtheater mit Anna Popelka/Georg Poduschka, Hermann Czech, Heidulf Gerngroß, Artec und Ferdinand Schmatz als literarischer Mediator, veranstaltet wurde. Für die Organisatoren war das Symposium über Taktik, Öffentlichkeit und Architekturvermittlung die Initialzündung für podroom.

2000 hat podroom zwölf Veranstaltungen in einem eigenen Raum in der Joanelligasse im 6.Bezirk durchführt. Dort war podroom weder Galerie noch öffentliche Institution.
Die Betreiberin betrachtete den Projektraum als „Forschungs-, Kommunikations- und Organisationsbüro“, als Freiraum, der sich der Vermittlung von Architektur verschrieben hat. Projekte wie „Andere Objekte der Fotokünstlerin Sissi Farassat“, „superheroes“ im Rahmen von „cultural sidewalk“ oder Werk- und Buchpräsentationen fanden dort statt. Es waren Abendevents - die eingeschränkte Zeit hatte eine Kommunikation zur Folge, die Besucher manchmal bis zu acht Stunden im podroom gehalten hat.

Die jüngsten Projekte bezeichnet Christine Bärnthaler als „parasitäre Ausstellungen“, die sich meist „Findlingen“ aus der Kunst- und Architekturszene widmen, thematisch oder inhaltlich zusammenfasst und einen Ort sucht, der den Rahmen schafft. Orte wie das Semper Depot, das Architektur Zentrum Wien, das MAK, das Haus der Architektur in Graz oder das leerstehende Haus von Kallco in der Breitegasse, wurden für Vorträge, Ausstellungen, Videopräsentationen eingenommen.

Christine Bärnthaler handelt nicht als Kuratorin, selten greift sie in die bereits vorhandenen Projekte ein – vielmehr initiiert sie und bietet ein Podium, das sich weder auf Themen noch auf Generationen beschränkt. Es betrifft alle, die einen Beitrag leisten können. Dennoch kann ihr eigenes Engagement, nicht genug beachtet werden - auch wenn es oft unsichtbar bleibt, verleiht es der Szene in manchen Aspekten erst Gestalt.



erschienen in Architektur&Bauforum/06,Dez.02,S.126ff
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