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Angesichts der übermäßig gestiegenen Ölpreise in den zurückliegenden Monaten gewinnt die Diskussion um alternative Heiztechnologien, Niedrigenergie- und Passivhäuser an tagespolitischer Aktualität. Die Donau-Universität Krems stellt zwei soeben fertiggestellte Passivhäuser ihrer Absolventen vor. Am 16. und 17. Oktober veranstaltet sie ein Symposium zum Thema. Von Antje Mayer.

Bauen mit der Sonne - Ökologische Passivhäuser in Österreich

Acht Millionen Österreicher verheizen jährlich 99.540.000.000 kWh Endenergie. Das stellt inzwischen nicht nur eine ökonomische Belastung für die Haushalte, sondern auch eine massive ökologische Belastung für die Umwelt dar. Die Einführung des Passivhauses als Baustandard wäre nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Schonung von knappen und -inzwischen teuren- Ressourcen, sondern ein weiterer Schritt zur Einhaltung des Versprechens der Konferenz von Rio. Damals hatten die Industriestaaten zugesagt, bis zum Jahre 2005 den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 25 Prozent zu senken.

Das Passivhaus ist im Westen Österreichs und Deutschland schon ein durchaus gebräuchliches Gebäudekonzept. Derweil macht es auch im Osten Österreichs Schule. Ende September wurden zwei Passivhäuser von Absolventen der Donau-Universität Krems, ein Einfamilienhaus in Krems und ein Mietswohnhaus im Salzburger Stadtteil Gnigl, fertiggestellt.

"Mehrverbrauch-Verringerungshaus"

In bester Hanglage mit einem atemberaubenden Blick auf die Altstadt Krems und die Donau, steht ein gerade fertiggestelltes Solarhaus: die Einfamilien-Villa “Müller“. Der Solarexperte Baumeister Ing. Ernst Michael Jordan MAS, Absolvent und inzwischen Lehrbeauftragter des Solar-Universitätslehrganges an der Donau-Universität Krems, setzt mit dem Haus sowohl in ökologischer als auch in ästhetischer Hinsicht völlig neue Maßstäbe im Gegensatz zur übrigen konventionellen Bebauung der umliegenden Grundstücke. Jordans Engagement war eine Architektur, die die ökologische Haltung des Bauherren nicht in „Landhausmanier“, sondern über ein zeitgemäßes Design, fern einer schematischen Alternativformensprache kommuniziert.

Freistehende, zusätzliche Neubauten wie dieses Einfamilienhaus gehören immer noch zu den teuersten Bauformen. Sie erzeugen einen Energie-Mehrbedarf, im Vergleich zu Geschosswohnungen von immerhin knapp 300 Prozent. Selbst Energiesparhäuser sparen genau genommen niemals Energie. Der Ausdruck „Energiesparhäuser“, so der Architekturprofessor für Bauökologie Günther Moewes (Universität Düsseldorf, Donau-Universität Krems), sei deshalb irreführend - richtig dürfte es bestenfalls „Mehrverbrauch-Verringerungshaus“ heißen. Derweil: Einfamilienhäuser werden in Österreich, dem „Land der Häuslbauer“ (Dietmar Steiner, Leiter des Architekturzentrums Wien) weiterhin gebaut, um so mehr sind Ressourcen schonende Konzepte gerade für das Einfamilien-Habitat unentbehrlich.

Selbstversorger. Nicht nur um den grandiosen Panoramablick von allen drei Wohnetagen der Müller-Villa frei zu halten, sondern auch um die Sonnenenergie optimal zu nutzen, verglaste Baumeister Jordan die zum Hang schräg gestellte Südfassade fast zur Gänze. Da Fensterglas die kurzwelligen Sonnenstrahlen ungehindert passieren lässt, können Wände, Böden und Einrichtungsgegenstände diese Strahlung aufnehmen und in langwellige Wärmestrahlung umwandeln.
Durch die große Verglasung entsteht der Eindruck eines riesigen Wintergartens. Ursprünglich wurde befürchtet, dass die große Glasfläche die Anrainer zu sehr blenden könnte. Eine detaillierte Blendstudie der Donau-Universität Krems von Solar-Experten D.I. Peter Holzer konnte die Bedenken jedoch aus dem Weg räumen. Hinter der Glaswand liegen schmale Balkone, die wiederum über verschiebbare Glaswände mit den Wohnräumen verbunden sind. Am oberen Ende der Südfassade fügte Solar-Fachmann Jordan auf der ganzen Breite zusätzlich Sonnenkollektoren hinzu, die sich unaufdringlich dem architektonischen Konzept unterordnen. Keine Selbstverständlichkeit: nicht selten sprengen markante Kollektorenflächen das architektonische Gesamtbild von Solarhäusern.
Die Heizenergie holt sich das Selbstversorger-Haus einerseits durch die Südverglasung anderseits über die Kollektoren am Dach. Reicht die Wärme im Winter nicht aus, hilft ein Holzofen, der mit sogenanntem Pelletholz, stark gepresstem Spanholzstückchen mit höherem Brennwert als des konventionellen Holzes, befeuert wird. Nachgelegt wird dabei nicht per Hand. Automatisch wird der Nachschub wie bei einer Ölheizung über Schläuche eingeblasen.

Luft als Heizung. Alle Solarnutzung hat mit einem zu kämpfen: die Solarenergie wird vor allem dann gebraucht, wenn die Sonne nur wenig oder gar nicht scheint: Nachts und im Winter. Das heißt, der Speichertechnik kommt bei Passivhäusern ein wichtiger Stellenwert zu. Herkömmlich wird die Wärme im Wasser zurückbehalten, in Krems wurde ein anderes Verfahren gewählt: die Luftkollektor-Technik.
Hinter einer Glasscheibe wird schwarzes Blech erwärmt. Zum Abtransport der Wärme wird Luft am Blech vorbeigeleitet, das mit Hilfe von Ventilatoren ins Innere geführt und im Beton und den Steinen gespeichert wird, die diese wieder langsam abgeben. Großflächig verteilt wird die Wärme außerdem in den Hohlräumen des Hauses: in den doppelten Wänden, Böden oder Decken, Hypo-Baukastensystem genannt. Abkühlung kommt aus dem Erdreich unter dem Keller. Der Energieverbrauch der Villa beträgt dadurch nur noch ein Zehntel dessen, was ein Haus konventioneller Bauweise in dieser Größe benötigen würde. Der Strom kommt freilich immer noch vom Netz.

Erstes Passivhaus Salzburgs

Das erste Passiv-Mietswohnhaus in Salzburg entwickelte der Halleiner Architekt Mag. arch. D.I. Walter Scheicher (Atelier 14) im Zuge seiner Master Thesis für den Solar-Architektur-Lehrgang an der Donau-Universität Krems. Das erste Passivhaus Österreichs steht derweil im Vorarlberger Frastanz-Amerlügen und wurde 1996 von Baumeister Richard Caldonazzt errichtet.

Förderungswert. Ehrgeiziges Ziel des zweigeschossigen Salzburger Mehrfamilienhauses mit sechs Wohnungen (Wohnnutzfläche insgesamt 337 m²), das erst kürzlich fertiggestellt wurde, war es, den Jahresheizwärmebedarf von 15 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter zu unterschreiten. "Ein herkömmliches Gebäude benötigt um die 150 Kilowattstunden", betont Architekt Scheicher. "Ein Niedrigenergiehaus, das im Gegensatz zum Passivhaus ohne herkömmliches Heizsystem 'nur' optimal gedämmt ist, immerhin noch zwischen 40 und 70 Kilowattstunden." Das Projekt fiel mit diesen Werten unter die EU-Förderungskriterien des Passiv-Förderungsprojektes "CEPHEUS", das die Planung und den Bau von insgesamt 262 Passiv-Vorzeigebauten, unter anderem in Frankreich, Schweiz und Deutschland, vorsieht. Mit Erfolg: die Zahl der durch diese Initiative geförderter Passivhäuser in Österreich stieg inzwischen auf immerhin neun.

Schont die Geldbörse. Der Grundgedanke eines Passivhauses ist so einfach wie plausibel: Was nicht verloren geht, muss auch nicht ersetzt werden. Ein Haus kühlt nur insoweit aus, als es Wärme nach außen verliert. Dieser Wärmeverlust wird im Passivhaus so weit verringert, dass allein die Sonnenwärme und die im Haus freigesetzte Wärme, zusammen mit extrem wenig Heizenergie, ausreicht, den Wärmeabfluss auszugleichen.
Wie bei der "Müller-Villa" nutzte auch Architekt Scheicher passiv die Wärme der Sonne, indem er die 76 Quadratmeter große Südwestfassade des Mehrfamilienhauses völlig verglaste. Um den Lärm der nahen und viel befahrenen Linzer Bundesstraße zu verringern, verwendete er dabei schalldämpfende Stapid-Silence-Fenster mit Kryptonfüllung. Die Sonnenkollektoren auf dem Dach liefern von Mai bis September sogar neunzig Prozent des Gesamtenergiebedarfes für Heizung und Warmwasser. Ein Pelett-Ofen hilft in den sonnenarmen Wintermonaten nach. In Speichertanks wird das Regenwasser für die WC-Spülung genutzt. Für frische Luft sorgt wie beim Jordan-Haus in Krems ein ausgeklügeltes Lüftungssystem. In Salzburg wird die Wärme der verbrauchten Luft nicht einfach in die Umwelt geblasen, sondern zu immerhin neunzig Prozent wieder zurückgewonnen. Der Aufwand lohnt sich für die Mieter: angenehme Wohnatmosphäre und beneidenswert geringe Heizkosten von monatlich gerade einmal 1,25 Schilling pro Quadratmeter. Bei einer 80m²-Wohnung wären das 100 Schilling im Monat. Da freut sich die Geldbörse und die Umwelt.


Am 9. Oktober startet der fünfte postgraduale Lehrgang „Solararchitektur“ der Donau-Universität Krems. Architekten, Baumeister und Entscheidungsträger in Hochbauämtern und Wohnbauförderungsstellen werden dabei in vier Semestern berufsbegleitend von internationalen Experten in Baubiologie- und Ökologie, nachhaltiger Stadt- und Regionalplanung, thermischer Gebäudeoptimierung und Solartechnik unterrichtet. Bei Abschluss erhalten die Absolventen den Master of Advanced Studies für Solar-Architektur.

Das Zentrum für Bauen und Umwelt der Donau-Universität Krems, einer der innovativsten internationalen Institutionen, die auf diesem Gebiet arbeiten, veranstaltet von 16. bis 17. Oktober im Niederösterreichischen Landhaus St. Pölten ein Symposium zum Thema "Das ökologische Passivhaus. Baustandard für die Zukunft".



erschienen auf www.donau-uni.ac.a
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