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Von Ute Woltron .

EFAFLEX

Architektur: ARTEC

Gut ist besser

ARTEC Architekten sind in der Szene der eher jüngeren Architekten Österreichs eine fast abgeschlossene Welt für sich.

Es müssen nicht immer die großen, aufsehenerregenden Architekturspektakel sein, die der Zunft neue Wege weisen. Gerade die österreichischen Architekten haben das wiederholt unter Beweis gestellt. Das berühmteste Beispiel mag Hans Holleins klitzekleiner Kerzenladen in der Wiener Innenstadt sein, der vor nun auch schon wieder über vier Dekaden mit nicht viel mehr als einem Dutzend elegant und völlig neu designten Quadratmetern seinen Planer quasi über Nacht weltbekannt und die Wiener Architektenszene um einen wichtigen Impuls nachhaltig reicher gemacht hat.

Es müssen auch nicht immer die großen, millionenschweren Kultur- und Kunstbauten sein, an denen sich Architekten in neuen Formen- und Materialsprachen üben, um in der Folge die einschlägigen Hochglanzgazetten zu zieren. Es genügt tatsächlich eine verhältnismäßig kleine, nachgerade bescheidene Bauaufgabe, um vorzuzeigen, was – auch – möglich ist: Wenn diese sauber durchdacht, von traditionellen Untugenden befreit und mit innovativen Materialien gekonnt ausgeführt ist, dann ist die Architektur wieder einen Schritt weitergekommen – nicht nur dort an dem Ort, an dem das jeweilige Gebäude steht, sondern im Allgemeinen, denn die neue Architektur darf sich im Optimalfall vieler Epigonen erfreuen.

Bettina Götz und Richard Manahl, besser bekannt unter dem Namen ARTEC Architekten, sind in der Szene der eher jüngeren Architekten Österreichs eine fast abgeschlossene Welt für sich. Kaum eine Ausstellungseröffnung, auf der man sie nicht träfe, kaum eine Architekturdiskussion, der sie nicht beiwohnten – doch die beiden sind stets sehr still, halten sich ein wenig im Hintergrund, sind dafür umso aufmerksamer. Die zwei sind gute Beobachter, gute Analysten und immer auf dem Laufenden. Das merkt man auch ihren Häusern und Architekturen an, die nie ohne gewisse Innovation, sei es räumlich oder materiell, ausgeführt werden.

Architekten wie die ARTECs funktionieren also wie kleine Kraftwerke der Szene: Sie treiben sie an, sie bewegen sie in verschiedene Richtungen. Ob Götz und Manahl nun eine Apotheke entwerfen, einem jahrhundertealten Kuhstall eine neue, aluminiumglänzende Dachskulptur aufsetzen oder ob sie sich, wie im Falle des Betriebsgebäudes für das Unternehmen EFAFLEX, mit Industriearchitektur befassen: Alles hat Maß und Ziel, jede Intervention mehrere sinnige Hintergründe, und – vor allem – jeder Bauteil in Kombination mit seinen Nachbarn die perfekte Proportion.

Das EFAFLEX-Betriebsgebäude vor Baden bei Wien ist eine besonders gelungene kleine Fingerübung, die inhaltlich und formal sowohl dem darin beheimateten Unternehmen gerecht wird, als auch der Umgebung klar anzeigt, in welche Richtung die Vorortentwicklung auch gehen könnte.

Denn selbst unaufmerksamen Beobachtern dürfte kaum entgangen sein, wie abscheulich die Gewerbe- und Industriebesiedelung der breiten Vorstadtzonen vonstatten geht, wie fantasielos das mit den Bürgermeistern und den entsprechenden Fördertöpfen verbündete Investorentum kostbares Land mit schachtelartigem Blechallerlei verunstaltet. Wer auch immer die zeitgenössische Architektur der Brutalität geißelt, übersieht in vorlauter Unwissenheit, dass Architekten im seltensten Fall ihre planenden Hände im Spiel hatten, wenn grotesk banale Industriehallen die Felder zu überwuchern beginnen. Denn wenn sich gute Planer die Hüllen für Industrie ausdenken, kann die Architektur durchaus reizvoll ausfallen – und sie funktioniert garantiert besser als jeder Standard-Kubus.

Also zurück zu dem, was Keimzelle sein kann für eine neue, intelligentere Gewerbe- und Industrieszenerie. Am Anfang stand der Wunsch des EFAFLEX-Rolltorproduzenten und Generalvertreters Ferdinand Türtscher, sein Eigenheim wieder für sich zurück zu gewinnen. Denn das dort im Privathaus klein begonnene Unternehmen hatte sich rasch zu einem Betrieb mit mehreren Dutzend Mitarbeitern ausgewachsen. Das entsprechende Ersatzgrundstück befand sich in genau einer jener noch zu entwickelnden Vorstadtgewerbezonen, das entsprechende Haus sollte aber mehr können und mehr darstellen als eine schlichte Assemblagehalle mit angeschlossenem Bürotrakt.

Die ARTEC Architekten verpassten ihrem Entwurf denn auch eine schon weithin sichtbare Portion geballter Kraft und Spannung, um allein mit dem optischen Auftreten der dynamischen und mit dem Logo einer springenden Raubkatze ausgestatteten Firmenphilosophie gerecht zu werden. Schließlich produziert man die schnellsten Rolltore der Welt. Das Haus kragt zu einem Viertel seiner Gesamtlänge aus, der Baukörper selbst hat etwas schiffsrumpfartig Geschwungenes und ist mit einer matt schimmernden Metallhaut überzogen.

Das der An- und Ablieferung vorbehaltene Hinterteil schließt selbstverständlich mit einem der eigenen Supertore ab. Der eigentliche Eingang für das Büropersonal und die Besucher befindet sich unter der Auskragung, die zugleich mit der im Obergeschoss untergebrachten verglasten Bürozone den höchsten Punkt des Gebäudes markiert.

Im Inneren herrscht logische Klarheit und offen liegende Konstruktion. An jedem Punkt des Hauses bleibt spürbar, wie das Ding funktioniert – und zwar in seiner inneren und betrieblichen wie auch in seiner konstruktiven Logik. Die Materialien: Stahl, Beton, Glas. Der Innenausbau: gerade nicht zu viel, gerade nicht zu wenig. Das Mobiliar ist Maßarbeit, vom Tischler nach den Entwürfen der Architekten gebaut: Die im Firmenorange gehaltenen Büromöbel schauen eigentlich nicht wie solche aus – dafür haben die ARTECs zu viele schöne Apotheken entworfen – sondern sind eigenständige Raumelemente, die je nach Bedarf verschoben und an die richtige Stelle gerollt werden können. Der kommunikative Zusammenschluss zwischen der oben gelegenen Bürozone und der Assemblagehalle, die erdgeschossig untergebracht ist, erfolgt über schlichte Sichtfenster.

Damit die Hitze im großzügig verglasten Haus nicht überhand nehmen kann, liegen die Sonnenschutzlamellen zwischen den Scheiben, was bei den Winden der Badener Ebene anzuraten war.

Ein besonderes „Zuckerl“ ist die raffinierte Haustechnik: Lüftung, Heizung und Kühlung erfolgen über eine ausgeklügelte Hohlkastendecke, die also nicht nur ein wichtiges konstruktives Element, sondern auch die Klimaanlage des Hauses darstellt.

Fazit: Wer auch immer sich künftig in der Nachbarschaft dieses rassigen Betriebsgebäudes ansiedeln wird, dürfte in Anbetracht der schlichten, aber raffinierten Architektur doch ein wenig nachdenklich und sorgfältiger in seiner Planung werden. Das Haus hat nicht wesentlich mehr gekostet als eine der hässlichen und nie sonderlich praktischen Standard-Hallen, und das sorgfältige, mit dem Bauherren penibel ausdiskutierte bauliche Resultat wurde mit der Nominierung zum renommierten Mies van der Rohe-Preis der Europäischen Union belohnt.

Allein diese Nominierung ist mit Geld kaum aufzuwiegen, denn der PR-Gag und die damit verbundene internationale Bekanntmachung des Unternehmens ist durch die unkapriziöse, saubere Architektur somit gesichert.




Ute Woltron (geb. 1966), studierte Architektur an der TU Wien (Dipl. Ing.). Seit 1988 ist sie als Redakteurin für das Wirtschaftsmagazin Trend, das Nachrichtenmagazin Profil und die Tageszeitung Der Standard tätig. Seit 1999 ist sie Mitarbeiterin des ORF, Treffpunkt Kultur, seit 2002 Mitarbeiterin von Radio Ö1, Diagonal. Seit 2001 hat sie einen Lehrauftrag an der TU Wien, Institut für Gebäudelehre, für Architektur und Publizistik sowie Vergabe- und Wettbewerbswesen. Von 2003 bis 2004 leitete sie die Kommunikation der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft). Sie publizierte in internationalen Medien wie unter anderem taz, Weltwoche, Elle, Baumeister. Ihr Essayband "Gartenfieber" erschien 2003. Lebt als Autorin und Journalistin in Ternitz, Niederösterreich.

Text erschienen in:
Einfach! Architektur aus Österreich. Just! Architecture from Austria

ISBN 3-901174-61-3
978-3-901174-61-2
Verlag Haus der Architektur Graz
2006/148 Seiten/pages
Verkaufspreis/price: € 28,9
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