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Und sie tun es doch. Wenn die Architekten Weichelbauer/Ortis bauen, dann richtig. Alles stimmt und wird bestimmt. Da bleibt nur noch: Vertrauen. Die Ergebnisse sprechen für sich. Von Manuela Hötzl.

„Wir sind Designjunkies“

Architekturportrait Weichelbauer/Ortis

Erwartet man Architekten zu Besuch, stellt man sich zwangsläufig schwarz gekleidete Männer vor, mit dunklem, kurzen Haar, Anzug, einer Designerbrille auf der Nase und vielleicht, eventuell, wenn die Phanatsie gross genug ist, kann man sich noch ein Halstuch oder lässige Hemden dazudenken, glänzende Schuhe oder sonstige Accessoires und passende Sprüche. Im Geiste kommen sie mit festen Schritten und kräftigen Händedruck, wofür die A3-Präsentationsmappe schwungvoll von der rechten in die linke Hand wandert - immer bereit sie rasch aufzuschlagen. Klischees gibt es immer wieder, Überraschungen auch – und manchmal sogar beides.

Weichelbauer/Ortis gehören zu dieser Spezies Architekten und auch wieder nicht. Gerade nicht. Und dann wieder schon. Eine gewisse Verwirrung lösen die beiden aus und sind wiederum so, wie man sich Architekten vorzustellen hat: Architektur als Berufung, mit Charme und autoritärer Strenge, dann wieder viel Spaß, Witz und eine entspannte Rotzigkeit. Reinhold Weichelbauer und Albert Josef Ortis haben sich ganz und gar der Architektur verschrieben und tun doch alles andere. Ihren Platz in der Architekturszene Österreichs besetzen sie unabhängig und lustvoll. Unabhängig, weil beide Partner beruflich für ein zweites Standbein gesorgt haben: So ist Reinhold Weichelbauer Lehrer an der HTL Ortweingasse und Albert Josef Ortis betreibt ein Bauunternehmen in der Steiermark. Lustvoll, weil Architektur für sie das „Wühlen“ in der Spielkiste der Baugeschichte bedeutet, deren vielfältigen Fundus sie sehenden Auges und forschenden Blickes in Anspruch nehmen. Nach dem Motto: „Es ist alles schon einmal dagewesen“ und mit dem Anspruch: „In einem anderen Kontext doch etwas „Neues“ entstehen zu lassen.“ Ihre Bezugspunkte sind ebenso vielfältig, wie ihre Formensprache. Inspiration kommt bei ihnen immer aus allen Gebieten, den Naturwissenschaften ebenso wie aus der Kunstgeschichte.
„Wenn man über Architektur redet, muss man über alles andere reden“, sagte einst Umberto Eco. Ihn zitieren die Architekten Ortis und Weichelbauer heute selbstbewusst. Ihre Bauten sprechen gerade deswegen eine starke Sprache, ebenso wie sie selbst, wenn sie „über alles andere“ reden und doch nichts anderes tun wollen, als bauen.
Den Beruf des Architekten verstehen sie dabei mehr als geistigen Dienstleister, der den „Rest“, wie eine bauliche Umsetzung, mitliefert. „Wir bestimmen die Regeln“, meint Reinhold Weichelbauer, „dass wir diese dann selbstverständlich bis zur letzten Konsequenz auch verwirklichen können, ist für uns ganz selbstverständlich“.

Seit sechs Jahren arbeiten die beiden in einer Bürogemeinschaft im steirischen Frohnleiten zusammen. Aufgefallen sind sie erstmals mit dem Wohnbau „wohnDNA“, in Gratkorn, der, auch ungewollt, einer Beweisführung standhielt, die ihre prozesshaften strategischen Entwurfstaktik immer anhaftet. Weil die Architekten die Kostengarantie des Baus übernahmen, ließ der Bauherr ihnen formal völlig freie Hand. So entwickelten Weichelbauer/Ortis einen neuen Bautypus, der sich aus einem algorithmischen Muster ergab, das über das Gründstück gelegt und dreidimensional weiterverfolgt wurde. Das besondere entstand durch die Stapelung der Wohneinheiten, die immer wieder Zwischenräume, Terrassen und überdachte Freiflächen entstehen ließen. So erfuhr der relativ große, dreigeschossige Baukörper auch eine Annäherung an die kleinteilige Struktur der umliegenden Einfamilienhäuser. Eine Änderung der Wohnbauförderung machte eine Bewilligung des schon fertigen Projekts jedoch unmöglich. Die starke Grundstruktur des Entwurfs verhinderte die Notwendigkeit einer völligen Neuplanung. Die Architekten mussten „nur“ den Baukörper verdichten und im Wesentlichen neu stapeln. Sogar die schon ausgeschriebene Fensteranzahl konnte in das nun realisierte Projekt eingearbeitet werden, woraus ein Spiel mit immer gleichen Elementen entstand, dass schlussendlich zu einer „WohnDNA“ wurde, der Fingerprint der Architektur von Weichelbauer/Ortis. Der Abstraktionsgrad dieses Spiels mit Form und Element überzeichnen die Architekten zusätzlich mit der einheitlich gelben Farbe, die gleichzeitig das artifizielle hervorhebt. Weichelbauer: „Schließlich ist alles was der Mensch erzeugt künstlich“.

Pragmatisch? Diese Frage wird bei Weichelbauer/Ortis nebensächlich. Zuletzt kommt immer, zu jeder Professionalität, die freche Rotzigkeit hinzu: Farbe, Licht, das Rohe oder das Perfekte. Das was ihre Architektur und sie selbst auszeichnet. Funktionalität, wirtschaftliche oder topografische Kriterien? Natürlich! Aber auch mehr: „Wenn Architekten über Anpassung an die Landschaft sprechen oder über Raumgefühle, dann sind das Ausreden. Architektur ist letztlich immer eine erstarrte Form. Damit muss man sich auseinandersetzen.“, so Weichelbauer. Ist also alles beliebig? „Sicher nicht“, wird Josef Ortis deutlich, „eine gewisse Autorität muss man sich behalten, denn schließlich wissen wir was wir tun.“ Was nun Weichelbauer/Ortis wirklich ausmacht? Es kommt wie aus der Pistole geschossen: „Wir sind postmoderne Designjunkies im Jungel der Readymades“ – was übersetzt heißen soll: “Wir nehmen alles her und machen was draus“. Also eigentlich unterscheidet sie nichts von ihren Kollegen, und dann wieder doch.



erschienen in H.O.M.E Nr.5/04, S.76ff.