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Als die teuerste Straßenbahnhaltestellenüberdachung wird die neue Stadthalle in Graz von Architekt Klaus Kada bezeichnet. Im Herbst 2002 soll sie rechtzeitig zum Buddhistischen Weltkongress fertiggestellt sein. Manuela Hötzl stellt sie schon jetzt im rohen Zustand vor, der vor allem wegen Einem, im doppelten Sinne, überragen erscheint -dem Dach! Von Manuela Hötzl.

Große (Los)Lösung

Stadthalle Graz - Architekt: Klaus Kada, Graz

Graz macht sich wieder mit spektakulärer Architektur bemerkbar. Die Dynamik der Kulturhauptstadt 2003 hat eine Bauoffensive ausgelöst, die an alte Grazer Hochzeiten anschließt. Bis Ende nächsten Jahres werden eine Reihe von spannenden, innovativen Architekturprojekte entstehen, nicht zuletzt wegen der schwierigen technischen Anforderungen, die sich einige Bauten abverlangen. Der Spatenstich für die Helmut-List-Halle von Architekt Markus Pernthaler setzt im Moment den Schlusspunkt der beginnenden und laufenden Baustellen. Die Konzerthalle erfüllt neben ihrer akustischen Qualität auch einen neuen Zugang zu einer vernetzten Technologie. Nicht alle Projekte sind unumstritten, wie die Vito Acconci Insel auf der Mur, die bereits ihren Unterbau erhält - nicht alle verlaufen reibungslos, wie das Kunsthaus (Peter Cook und Colin Fournier), die als große Blase mit einer transparenten teils undurchsichtigen "Haut" aus Acrylplatten wirken soll (Architektur & Bauforum berichtete). Bereits im Herbst 2002 werden die ersten Projekte fertiggestellt: Der Hauptbahnhof von den Architekten Zechner & Zechner und die Stadthalle auf dem Grazer Messegelände von Architekt Klaus Kada. Die Stadthalle zeigt sich zum jetzigen Zeitpunkt als rohe Stahlkonstruktion, die über die Straße herausragt und in gewaltigen Ausmaßen darüber hinweg schwebt.

Wettbewerb

Die Entscheidung der Stadt Graz Kadas Projekt zu realisieren, war eine Entscheidung für die Architektur. Denn die Jury hatte nach dem Wettbewerb 1999 ursprünglich ein Hallenkonzept von den Stuttgarter Architekten Mahler/Günster/Fuchs erstgereiht, die eine rigide Kiste vorschlugen. Die Diskussion entstand erst nach der Juriehrung: Die Ausschreibung legte nicht exakt die zukünftige Funktion der Halle fest, lange war nicht klar, ob die Halle in erster Linie als Messe oder Veranstaltungshalle ausgeführt werden sollte und ob die Betreiber der Messe oder die Stadt Graz als Bauherr auftritt. Mit einer regionalen, medialen Unterstützung rückte schließlich Kadas Projekt auf den ersten Rang, ermöglicht durch den Passus in der Ausschreibung, wo die Entscheidung erst nach einem Verhandlungsverfahren getroffen werden kann. So fiel in letzter Instanz der Zuschlag für das zwar weit teurere, aber flexiblere und innovativere Projekt Kadas. Für den schnellen Baubeginn war der Buddhistische Weltkongress, der im Herbst 2002 in Graz stattfinden soll, verantwortlich. Da die Stadt Graz den Veranstaltern bereits zugesagt hatte, schien die zukünftige Stadthalle dafür der einzig geeignete Ort.

Lage und Funktion

Graz. Das Gelände ist an sich ein wild Gewachsenes, mit diversen Messehallen in verschiedener Qualität und Größe, Hüttchen und Kiosken. Die Straßenfront war bisher relativ abgeschlossen und nicht besonders repräsentabel. Dagegen tritt Kadas Stadthalle selbstbewusst in den Vordergrund. Die multifunktionelle Veranstaltungshalle, geeignet für alle Sportarten, Ausstellungen, Messen, Konzerte und Konferenzen, öffnet sich explizit nach außen. Hauptgestaltung ist das riesige Dach, das auf ca. 17 Meter über alle Funktionsbereiche reicht und bis in den Straßenraum hinaus ragt. Die räumliche Aufteilung ist einfach organisiert. Vorne ist ein großzügiges Foyer situiert, die Garderoben umklammern die über 6.000 Quadratmeter große Halle, ost- und westsseitig. Toiletten, Umkleiden, Lager- und Technikräume finden sich im Kellergeschoss unter dem Foyer. Das Tagungszentrum mit Seminar und Konferenzräumen wird im Obergeschoss des Foyers in die Konstruktion eingehängt und schwebt, mit einer Brücke verbunden, über dem Eingangsbereich. Im Westen wurde ein nach oben erweiterbarer Büro- und ein Erschließungsturm gesetzt, das direkt das Tagungszentrum, die Säle und das Café mit Terrasse verbindet.

Das ultimative Dach

Die Dachfläche mit über 10.000 Quadratmetern schwebt auf einer Höhe von 14 bis fast 18 Metern Höhe über alle Funktionsbereiche. Die Tragkonstruktion wird aus einem räumlichen Trägerrost gebildet, der auf vier Stahlbetonstützen über Neotopflager aufgelagert ist. Die räumliche Aussteifung erfolgt über Verbände, die eine Ausbildung von zwei torsionssteifen Hohlkasten an den seitlichen Außenrändern ermöglichen. Zur Straße verjüngt sich die Konstruktion von 6 Metern zu 4 Zentimeter, zum Messeareal kragt das Dach ca. 46 Meter aus. Für die Montage der Dachkonstruktion wurden die beiden parallelgurtigen Hauptträger zuerst versetzt. Die Sekundärträger konnten dann abschnittsweise an die Hauptträger angeschlossen werden. In der Konstruktion des Daches sind sämtliche Haustechnikanlagen für Halle, Plenarsaal und Foyer untergebracht. Die Tragwerksuntersicht wird verkleidet und in der Halle als abgehängte Akustikdecke ausgeführt. Die Entwässerung funktioniert mittels eines Unterdrucksystems. Alle Deckenlasten werden direkt in die Primärbinderstruktur(Raster 6,66 Meter) geleitet.

Raumbildung

Die Halle wird nord- und südseitig mit Aluminium verkleideten Panellen (Höhe: 18,2 Meter, Breite: 4,7 Meter) eingefasst. An der Stirnseite wurden elf Elemente (Höhe: 16 Meter, Breite: 6,6 Meter) montiert, die sich um die eigene Achse drehen und die Halle zum Vorplatz hin öffnen oder schließen. Auch die Paneele an den Seiten lassen sich aufschieben und den inneren Raum erweitern. Das Sandwichpaneel der fahrbaren und drehbaren Wände besteht an der Außenfläche aus einem statisch mittragenden Schwarzblech, welches mit einem Trapezblech durch Nieten verbunden wurde, um das Ausbeulen der Außenbleche zu vermeiden. In jedem Element sind Fluchtüren eingeschnitten. Jeweils zwei Schwerlastrollen auf einer Führungsschiene und einem eigenen Motorantrieb machen die Mobilität der Elemente möglich.

Architektur

Die Architektur der Stadthalle wird gerade im jetzigen rohen Zustand von der gewaltigen Dachkonstruktion bestimmt. Die Durchlässigkeit des Foyers und die mobilen Fassadenelemente lässt die Materialität in luftigen Höhen noch stärker hervorheben. So gewaltige Ausmaße das Dach auch hat, durch seine Höhe und Maßstäblichkeit zur großzügigen Halle, wird es auch im fertigen Zustand schweben - die Konstruktion wird mehr und mehr in den Hintergrund treten und die räumlichen Dimensionen wahrnehmbar machen. Eine Mischung aus technoider Eleganz und spektakulärer Noblesse.



erschienen in Architektur&Bauforum Nr.03/02
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