Von Bart Lootsma.
Von Bart Lootsma.
Auf manche Weise ist das Haus, das Martin Scharfetter in Lans in Tirol erbaut hat, exemplarisch für den Wandel in der österreichischen Architektur. Für ein erstes verwirklichtes Projekt ist es unwahrscheinlich ausgeglichen und reif, selbst dort, wo es sich mit schwierigen Problemstellungen auseinander setzt, die leicht in Kitsch hätten abgleiten können. Internationalismus war hier buchstäblich von Anfang an das vorgegebene Thema. Die Familie des Klienten besitzt seit Generationen ein Bauernhaus am Lanser See, er selbst wohnt aber fast das ganze Jahr über in China. Aus diesem Grunde wünschte er sich die Umwandlung und Anpassung eines der alten und denkmalgeschützten Gebäude seines Landguts an den Lebensstil, der von seiner zweiten Heimat und von Ostasien im Allgemeinen beeinflusst ist, um auch dort diese Atmosphäre einzuatmen.
Scharfetter gelang es, asiatische, traditionell heimatlich-österreichische und moderne Elemente auf subtilste und überzeugendste Weise miteinander zu verschmelzen. Gewiss, ihm standen dabei die Materialien selbst zur Seite, deren Qualitäten einander ergänzten. Das alte, dunkle Holz des Holzschuppens harmonisierte auf natürliche Weise mit dem Holz, Stein und Tatami, das den asiatischen Einfluss signalisiert, während rote Dachschindeln aus Keramik in allen Kulturen beheimatet sind. Die Abnutzungserscheinungen und Materialfehler des alten Holzschuppens erinnern dabei an die Art und Weise, wie in der traditionellen japanischen Architektur bewusst unregelmäßige Elemente eingesetzt werden. Scharfetter spielt indes diese Elemente nicht einfach auf die simpelste Weise aus: Er entwarf sorgsam eine Schichtung des alten und neuen Materials, das niemals auf der gleichen Ebene, sondern stets vor- oder hintereinander versetzt erscheint. Diese Schichtung entsteht dadurch, dass die Vorstellungen von Raum in einem traditionellen österreichischen Stall und in der asiatischen Architektur sehr unterschiedliche sind. Ein asiatisches Interieur ist in den österreichischen Stall hineingebaut worden und dringt nur gelegentlich einmal nach draußen, so in dem partiell verglasten Würfel, der ein japanisches Esszimmer enthält und an der Seite des Gebäudes hervorscheint. Sich von innen nach außen öffnend schafft diese Schichtung eine Reihe von seitlichen Abschirmungen, die dem herrlichen Blick über das Tal und auf den See eine zusätzliche Tiefendimension hinzufügen. Darüber hinaus lassen sie, in Kombination mit den abgestuften, hölzernen Terrassen, jenen traditionellen „Ritus des Übergangs“ zwischen Wohnhaus und Garten anklingen, der für die japanische Architektur von so grundlegender Bedeutung ist.
Bei diesem Haus geht es niemals bloß um das Aufeinanderprallen von österreichischer Ländlichkeit und asiatischem Traditionalismus. In seiner Gesamtheit ist es auch unmissverständlich modern in der Verwendung großer Glasflächen, industriell gefertigter Fliesenböden und bemalter Außenseiten, die einen Gegenpol zu der traditionell minimalistisch lackierten chinesischen und japanischen Möblierung bilden. Ebenfalls unmissverständlich modern ist die Vertikalität des Raums, der entfernt an einige von Richard Meiers frühe Villen erinnert. Wenn man Scharfetters frühe Arbeiten bei Raoul Bunschoten am Berlage Insitut kennt, die cinematisch inspiriert waren und eine starke ästhetische und metaphysische Komponente besaßen, ist es erstaunlich zu sehen, wie es ihm trotz allem gelungen ist, auch dieser besonderen, ästhetisch wie stilistisch komplexen Aufgabe seine eigene Handschrift zu verleihen.