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Kirchenbauten sind Symbole, immer noch, und eine spezielle Aufgabe für Architekten, die diese historischen und bedeutungsschweren Symbole in ein Stadt- und Weltbild eingliedern. Welche baulichen Metaphern lässt man zu, welche räumlichen Strukturen nimmt man auf, und vor allem: Wie setzt man diese adäquat heute um. Von Manuela Hötzl.

Tür und Tor

Herz Jesu Kirche, München - Architekten: Allmann, Sattler, Wappner

Es gibt genügend Beispiele moderner Kirchen in den letzten Jahren, die sich an den historischen Vorbildern angelehnt haben und die es geschafft haben, wie Le Corbusier bei Ronchamp, eine ähnlich tragende und mystische Atmosphäre zu schaffen. Aber selten wurde eine Kirche so architektonisch zeitgemäß, städtebaulich sensibel und in Einbeziehung struktureller und gestalterischer Kunstgriffe umgesetzt, wie die Herz Jesu Kirche in München von den Architekten Allmann, Sattler, Weber.

Die Hauptelemente sind so klar wie eh und je, Glockenturm und Kirchenschiff, ein Zeichen und ein Körper. Die Architekten haben diese Aufteilung übernommen und neu interpretiert, in Ausnutzung von Material und Technik. Zweimal ist die Kirche an diesem Standort schon abgebrannt, 1944 und 1994, und wie als Schutz vor erneutem Feuer, ist über den neuen eigentlichen Kirchenraum eine Glashülle gestellt worden. Der Turm steht frei nahe der Straße, die Konstruktion scheint durch ein sich nach oben verdichtendes Metallnetz hindurch. Die überlagerten Netze bilden von Lichteinfall und Standpunkt abhängig eine sich ständig veränderte Oberflächenstruktur. In der Stahlkonstruktion des 37 Meter hohen Turmes ist ein hölzerner Körper eingesetzt, in dem die fünf Glocken untergebracht sind. Der Turm wird an den Rand gerückt und in der Verlängerung der Fuge zwischen Kirchenbau und Pfarrzentrum situiert.

Die Kirche blitzt den Besuchern als kühle blaue Glasfassade kristallen und aufgelöst entgegen. Keine Kirche auf den ersten Blick, und doch, der große Rahmen, die Fassade, verweisen auf ein öffentliches Versammlungszentrum, was allein durch die Kombination Turm, Platz und großes Gebäude impliziert wird. Spätestens wenn sich dann die 14 Meter hohen und 12 Tonnen schweren Tore hydraulisch aus der Glasfront herausdrehen, und den Blick auf die eigentliche Holzfassade des Kirchenraumes freigeben, wird klar, dass man hier willkommen ist. Die Glasflügel des Tores, in dem eine, dazu klein wirkende, Tür eingesetzt ist, sind mit tiefblauen Schriftzeichen aus Kreuznägeln von einem Künstler gestaltet, die Teile aus der Johannespassion erzählen, verschlüsselt allerdings. Das Dahinter, eine frei gestellte Holzschatulle, mit Holzlamellen ausgefachten Wänden, wird von der gläsernen Kiste physisch umhüllt, und macht den warmen Innenraum zu einem leichten hellen Raumgebilde. Auf das man erst einmal gespannt ist. Der Zwischenraum, bevor man durch die zweite Tür in die Kirche tritt, inszeniert den Übergang in eine andere Welt. Die zwei Materialien der ineinander gestellten Quader verdeutlichen einerseits die geteilte strukturelle und statische Funktion, und bestimmen andererseits eine Veränderung und Metamorphose von Licht und Schatten, Himmel und Erde. Spürbar begleitet wird jeder Besucher von der Oberfläche des Bodens. Die Kirche steht auf einer großen Natursteinplatte, deren Struktur sich von außen nach innen verändert. Von einem rauem, rohen Kalkstein verwandelt er sich zu einem glatten, lichtreflektierenden Boden, aus dem der Altar als Erhöhung herzuwachsen scheint. Die Fuge zwischen Basis und Mensa des Monoliths aus Kalkstein wurde von den Architekten vergoldet.

Im Inneren spielt der Faktor Licht eine wichtige Rolle, wie bei traditionellen Kirchen, nur anders inszeniert. Die Atmosphäre wird geprägt von den gegenläufigen Ahornholzlamellen, die fix montiert zum Altar ihren Abstand kontinuierlich vergrößern. Den Eintretenden wird nur im unteren Bereich die Sicht nach draußen freigegeben, oben fällt das Licht, zweimal gefiltert, durch Glashaut und Lamellen, in das Innere. Vom Altar aus hat man die genau umgekehrte Wirkung, die Fassade löst sich nach oben hin auf. Das Licht wird Richtung Altar gelenkt, der tagsüber vom dem weichen, diffusen Licht erhellt wird. Mit dem Lichtplaner Georg Saxton wurde die Innenbeleuchtung entwickelt. Sie kommt ohne sichtbare Leuchten aus, arbeitet mit unterschiedlichen Lichtsequenzen und erzielt dadurch fast tageslichtähnliche Stimmung. Nachts strahlt die Kirche sanft aus dem Inneren.

Wesentlicher Parameter der Belichtung des, an sich fensterlosen Holzbaus, ist die Glashülle, die das Licht über den rundumlaufenden Zwischenraum in den Kirchenraum lässt. Die vordere Kirchenfront, die Tore sind in mit blauen Folien zu ESG Glas verschmolzen. Die seitliche und rückwärtige Fassade wird im hinteren Bereich immer blickundurchlässiger. Die Architekten wollten für den Innenraum eine gegenläufige Verschleierung erreichen, die möglichst fließend von transparent zu opak übergehen sollte. Wo die Holzlammellen im Inneren ihren Abstand erweitern, wird außen das Glas undurchsichtig. In elf Abstufungen wird das Licht im Innenraum von Gelb im Eingangsbereich bis zu Weiß im Chor gefiltert. Auch von außen wird der Holzkubus zuerst sichtbar und verschwindet dann immer mehr hinter den verschleierten Verglasungen. Auch die Konstruktion tritt in den Hintergrund. Die zwei Kisten wirken frei und leicht, um das zu erreichen tragen zehn zweigeteilte Stahlstützen die Stahl-Pfosten-Riegel-Fassade und das Dach.

Die Kirche fällt auf, so sehr sie sich auch dem Spiel des Zurücknehmens und Reduzierens hingibt. Schon allein in dem von gründerzeitlichen Wohnbau geprägtem Viertel, ist die Kirche ein kristallines Fundstück. Sie ist auch eine Ausnahme in der Ausführung. Denn das Wettbewerbsprojekt von 1996, bei dem sich fast 160 Architekten beteiligten, wurde 1:1 umgesetzt.
Die Architekten gestalteten die Kirche bis ins Detail, wie Altar, Tabernakel, Taufbrunnen, wichtig dabei war aber immer der offene Raum, der, in ein warmes Licht getaucht, trotz Helligkeit und Bezug zu außen, eine Geborgenheit vermitteln sollte. Interaktiv kann der Besucher seinen Standort wählen, die Kirche lässt viele Zugänge zu. Das Konzept ist einfach, die Schönheit liegt in der Ausgewogenheit des Detailspiels und dem räumlichen Konzept. Eine Interpretation der inneren Einkehr, außen in kühler Form, innen strahlend.



erschienen in architektur Nr.02/01,S.38ff