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Von Manuela Hötzl/ Bernhard Wolf.

Moskau Architektur: Konstruktivismus II

Exkursion zur Ruine eines Architekturdenkmals

Mitten in Moskau, direkt neben der amerikanische Botschaft und einem der markanten Stalintürme, steht versteckt ein richtungsweisendes Arbeiterwohnhaus, das der Architekt M. Ginzberg in der 30er Jahren gebaut hatte. Wir wanderten vom Moskauer Ring durch einen verwunschenen Garten zu der verfallenen Ruine. Was man sich so vorstellt unter sowjetischer Retro-Romantik wurde hier zu der Geschichte eines Hauses und seiner Bewohner.

Das Gebäude ist als grosses Schiff gebaut, die Arbeiter wohnen auf den Unter und Oberdecks, der Architekt wohnt auf der Brücke. Aber das war einmal. Wir stellten eher erstaunt fest, dass es noch vereinzelt Bewohner zu geben scheint. Zu erkennen an den neu eingebauten Türen, vereinzelten Blumenkästen und ausgebesserten Bodenbrettern. Zu erahnen aber dennoch der damalige hohe Standard für Arbeiterwohnungen. Dass das Haus so verfällt liegt an der seit Jahrzehnten notwendigen Renovierung, aber auch an der Qualität der damaligen Baumaterialien, die mit den Visionen der Architekturentwürfe nicht Schritt halten konnten. Nachdem unser erster Versuch auf das Dach zu kommen von einem grossen Vorhängeschloss vereitelt wurde, begegneten wir einem der letzten Bewohner des Hauses, Igor. Er ermoeglichte uns eine kleine Führung auf das Dach und von dort aus durch das Haus des Architekten. Am Dach befand sich eine Grünfläche als Erholungsort für die Bewohner. Die Wohnung des Architekten für sich und seine Frau ist als eigenständiges Objekt mit eigenem Zugang auf das Dach gesetzt worden.

Die Schiffskommandobrücke als kleines Haus. Unten befand sich ein zweigeschossiger Wohnraum mit kleinem Wintergarten, Galerie und einer abgetrennten Küche. Im oberen Geschoss waren Bad und zwei Schlafzimmer situiert. Die prachtvolle blaue Farbe der Wände war noch zu erkennen. Die Besichtigung gestaltete sich zu einer Exkursion in einem Klettergarten. Alles war verwachsen, verfallen und morsch. Betten, Badewannen oder Toepfe waren einzige Relikte der früheren Bewohner. Igor, unser Verbindungsmann zur Geschichte des Hauses, denn er war hier geboren, liess uns beim Abstieg noch in eine der Wohnungen. Die Wohnungen sind nicht gross, verfügen aber über einen erstaunlichen Grundriss, der einen Durchblick über die ganze Hausbreite ermöglicht. Durch einen Ebenensprung im Eingangsbereich ist die Wohnung nach zwei Richtungen belichtet. Vom kleinen Vorraum geht man eine steile Treppe, je nach Wohnung nach unten oder oben, und gelangt in einen hohen Raum mit vollverglaster Wandfläche. Konstruktivismus forever!














Wer sich für die Architektur von Ginzberg interessiert, findet mehr auf der Webseite www.utopia.ru von Yuri Avvakumov (Architekt, Vertreter Russland auf der Biennale Venedig 1996). Dort sind wichtige, nicht realisierte, russische Architekturprojekte dieses Jahrhunderts zusammengefasst: Paper Architecture.
Für Nachahmer: Schätzungsweise noch fünf Jahre zu besichtigen!

Dank an Alexander Maregin für die Exkursion und die Delikatessen-Törtchen in seiner Spezial-Konditorei "Alexandria", Metro Tsvetnoj Bulvar.
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