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Als Pendant zum bestehenden Grazer Kaffeehaus Mocca-Supreme wurde das neue Nachtlokal Mocca-Bar von den Architekten ‚purpur' gestaltet. Dem Namen entsprechend dominieren Melange- und Kaffeetöne die Farbpalette des Innenraumes. Der Holzboden stülpt über Treppe und Wände, Holz ist ebenfalls das Material der Sitzflächen und der zu Bänken umfunktionierbaren Tischen: Boden und Möbel sind nicht mehr unterscheidbar.
Von Manuela Hötzl.

Mocca-Bar, Graz

project 55 / 04.07.2002

Wenn die Sonne am Horizont versinkt, kommt die ganz pragmatische Frage:" Wohin gehen wir noch etwas trinken?" Rückzugsgedanken oder Gesellschaftsbedürfnisse und nicht zuletzt das Wissen "wo man wen" trifft, beeinflussen die Wahl des Lokals. Graz ist, mit ca. 300.000 Tausend Einwohnern keine Großstadt, und das Zentrum in einer Viertelstunde durchschritten. Dort spielt sich auch im wesentlichen das Nachtleben ab.

Die Grazer Lokalszene verdichtet sich in bestimmten Straßen und auf kleineren Plätzen. Für die Gastronomie zählt das Publikum, das sich in der Kleinstadt in Gruppen zusammenfindet. Der kulturelle Kreis ist dafür relativ groß, Festivals, wie der "Steirische Herbst" oder der hohe Studentenanteil lassen auf ein reges Nachtleben schließen. Doch für die Szene, die sich gerne ein wenig von den gemeinen Orten des Geschehens unterscheidet, ist das Angebot gering und der Anspruch hoch.

Gerade abseits vom Mainstream gelegen, wurde im Dezember 2002 die Mocca-Bar in der Hartiggasse eröffnet. In einer Straße, die man nur als neutrale Zone kennt, als Verbindung zwischen Freiheits- und Kameliterplatz, als erste Kurve, die vom Zentrum nach draußen führt. Das Haus, ein ehemaliges Druckereigebäude, stand jahrzehntelang leer. Ein Parkplatz, der an das Grundstück anschließt, trennt das zentrumsnahe Gebiet auf unattraktive Weise vom dahinterliegenden Stadtpark. Vor zwei Jahren verkaufte die Stadt Graz das Gebäude, mit der Auflage, eine Nutzung für die Allgemeinheit darin einzurichten. Diese fand die Familie Pichler, die das Haus erwarb, gleich zweimal: ein Museum für die umfassende Puppen- und Spielzeugsammlung und ein angeschlossenes Café.

Johann Zieher, der das beliebte Mocca-Supreme auf der anderen Seite des Stadtparks betreibt, zeigte sich an einer gastronomischen Erweiterung seines Moccas interessiert. Das Konzept: Morgens einen Kaffee im Mocca-Supreme, abends einen Drink in der Mocca-Bar. Obwohl auch das Mocca-Supreme abends offen hält, sollte sich die Mocca-Bar klar als Nachtlokal definieren und keine hauseigene Konkurrenz heraufbeschwören.

Die Grazer Architekten `purpur´, mit der Gestaltung des Museums und der Bar betraut, wollten eine Atmosphäre, die dramaturgisch durchdacht Flexibilität und Offenheit vermittelt.
"Nicht der Raum muss kuschelig sein, sondern die Gäste müssen die Möglichkeit zum Kuscheln bekommen" betont Architekt Alfred Boric.

Die Behaglichkeit wird über eine Materialität vermittelt, die einzelnen Bereiche sind in ihren Funktionen nicht determiniert. Logische Folge war, einen großen Raum zu schaffen, der auch den hinteren Teil des Gebäudes, eine barackenähnliche Garage, miteinbezieht. Der Niveausprung, der sich aus dieser Adaptierung ergab, bestimmte den wesentlichen Teil der räumlichen Theatralik, auf die der rote Samtvorhang an beiden Fronten hinweist.

Der ganze Raum ist eine Bühne für Voyeuristen, die je nachdem offensiv oder zurückhaltend genutzt werden kann. Selbst in der Toilette kann man Silhouetten von außen durch das satinierte Glas wahrnehmen. Von allen Plätzen im Lokal und von verschiedenen Ebenen ist der Raum überschaubar, auch wenn man sich selbst mehr oder weniger im Mittelpunkt befindet. Vom Eingang gewinnt jeder Eintretende einen raschen Überblick und wird auch von allen anderen gesichtet. So kann er schnell seinen Platz wählen. Sitzgelegenheiten finden sich vor allem am Rand und auf der Treppe zur Bar.

Die Tische aus amerikanischen Nussholz sind als räumlicher Winkel konzipiert und lassen sich mit einer Drehung von 90 Grad zu Bänken umfunktionieren. Um diese nicht wesentlich von den anderen Sitzen zu unterscheiden, sind sämtliche Sitzflächen, bis hin zu den Stufen, in Holz gefertigt. Rückenlehnen und Bar hingegen wurden mit weichen Leder in dunklem Braun oder Beige überzogen. Die Materialien und Farben sind aufeinander abgestimmt, wiederholen sich und finden sich woanders wieder.

Beige dominiert an den Wänden, dunkelbraun an der Bar und den horizontalen Flächen, die in Leder oder wie am Fußboden in "Wenge", einem afrikanischen Ebenholz, ausgeführt sind. In Anlehnung an das erste Café Mocca-Supreme ist auch hier das farbliche Spektrum von der lichten Melange bis zum dunklen Mocca. Ein direktes Zitat ist das rahmenartige Element an der Treppe, wofür die Architekten "Makassa" ein afrikanisches Ebenholz verwendeten. Ein Holz das im Kaffeehaus dominiert.

Die Räume werden definiert, bleiben aber überschaubar und fließen mit dem Material zu einem atmosphärischen Ganzen zusammen.
So geht der außenliegende Steinboden in den vorderen Bereich der Bar über, der Holzboden stülpt sich über die Treppe und Wände, Boden und Möbel werden nicht mehr unterscheidbar, provozieren zum Anlehnen, Lümmeln und Hocken. Die detaildurchdachte Raumgestaltung wirkt schick und konzepthaft gleichermassen und lässt genau die Flexibilität zu, die den Raum als Einheit erfahrbar macht.



Photos: Angelo Kaunat
erschienen auf www.a-matter.co (architecture and related)
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