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Bunt, rund und ungeheuer fröhlich ist die Architektur von „Future Systems“. Das „Lords Media Centre” 1994, dem 15 Meter hohen Monitor am Rande eines Cricketfeldes, außen weiß, innen hellblau, vermittelt der Bau dem Namen des Büros entsprechend die Vision einer zukünftigen Architektur. Formal mag man dabei noch nostalgische 70er Jahre erkennen, konstruktiv aber ist das Gebäude, als leichte Aluminium-Konstruktion ausgeführt, eine technologische Innovation aus dem Bootsbau. Vor zwei Monaten war Future Systems wieder in allen Zeitungen präsent, mit der Eröffnung des „Selfrigdes“ Kaufhauses in Birmingham. Nichts von der überschwänglichen formalen Sprache ist dabei verloren gegangen. Als der
wahre „friendly Alien“ gliedert sich „Selfridge“ in die düsteren, urbanen Backsteinmauern seiner Umgebung. Zwischen dem „Lords Media Centre“ und „Selfridge“ liegen viele kleine Designarbeiten, von der Kaffeekanne bis zu Shops für Comme de Garcon, die den Bogen der Fröhlichkeit zwischen den Großbauten spannen. Am 21. November war der aus Tschechien stammende Architekt mit Bürositz in London zum Wiener Architekturkongress eingeladen und hat dort nach der manierlichen, aus seinen handlichen Büchlein bekannten, Bilderflut unter den Titeln „For Inspiration only“ und „MORE for Inspiration only“ die 360 Dias dem Publikum präsentiert. Doch im Gegensatz zu seinen strahlenden Werken scheint Jan Kaplicky das Lächeln schwerer zu fallen. „Schönheit“ ist das Thema seines Vortrags, den wohl schon viele andere in den letzten Jahren „worldwide“ mitbekommen haben. Vielleicht auf Grund des unspektakulären Ambientes seiner Kongress-Kollegen, vielleicht weil auch Kaplicky nicht ohne auf die schlimmen Zerstörungen unserer Erde hinzuweisen – doch auch diese Bilder waren „schön“, oder sagt man besser ästhetisch. So reihen sich ungebrochen nackte Frauenformen, farbenfrohe Mikrokosmen und Alessi-Design an Umweltverschmutzung und zerstörte Busanlagen. Das Publikum nahm Kaplicky die Inspiration nicht ab. Viele waren gekommen und haben sich viel erwartet – die Enttäuschung im Kollektiv einer Saalmenge schlägt doppelt zu. Vielleicht funktionieren solche Architekturshows nicht mehr – und manchmal auch Interviews. Diese überlange Einleitung, die mir das FORUM ausnahmsweise gewährt, soll auch ein kleiner Hinweis darauf sein, wie solcherart Interviews entstehen können. Ebenso wie das Publikum in den Saal, haben wir dem Interview Platzkarten reserviert. Jan Kaplicky ist in Wien und warum soll man diese Chance nicht ergreifen? Manchmal soll man nicht. Auch wenn die Zwischentöne, die Melodie, abgehackte Sätze, Gedankensprünge in einer schriftlichen Wiedergabe fehlen und glatt gebügelt sind. Jan Kaplicky hat eine fröhliche Architektursprache, aber selten fröhliche Worte dazu...... Lesen sie selbst. Montag. 22. November. 9.00 Uhr morgens im Hotel „Tyrol“.

For inspiration only

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
Jan Kaplicky:
- Sie waren hier in Wien anlässlich des 11.Architektur Kongress mit dem Thema „Intelligent Realities. Worauf bauen im 21. Jahrhundert?“ Was ist für sie Intelligenz in der Architektur?
- Fast alles. Zumindest alles das mit Schönheit zu tun hat. Aber das ist ein schwieriger Ansatz, ich weiß das. Die wenigsten Menschen sind noch an Schönheit in irgendeinem Sinn interessiert. Sie sind nur am Produkt interessiert. Sehr wenige Gedanken werden an Schönheit verschwendet.
- Zu dem Begriff „Schönheit“ existieren sicher einige Definitionen. Ihre?
- Ja sicher, aber es ist auch eine Art des Überlebens für mich. Alles andere ist bizarr – genauso wie einige Vorträge des Kongresses gestern. Ich denke die Definition von „Schönheit“ wurde nicht wirklich seriös gestellt. Der Computer, zum Beispiel, macht einiges möglich in der Architektur. Doch Technologie kann einiges an Schönheit hervorbringen, -aber die Schönheit von Menschen wird selten erwähnt.
- Sie haben viele Bilder gezeigt, die doch wohl mit ihrem Begriff von Schönheit zu tun haben. Mirkokosmen und viele technologische Design ...In Ihrem Buch „For Inspiration only“ kommen viele davon vor.
- Ja, aber ich zeige auch viel von menschlicher Schönheit – doch darüber lacht das Publikum oft, weil es nicht die Intention verstanden hat.


- Wirklich? Gestern aber nicht.
- Ja, aber manchmal. Ich glaube, dass viele Menschen versuchen, andere Dinge zu lösen, als schöne Häuser zu bauen.
- Das nehme ich wohl an. Aber ist das Lachen nicht auch ein Zeichen des „Befremdens“ oder auch dafür, dass Sie mit Ihrer Architektur immer auch wenig provozieren?
- Nein, überhaupt nicht. Obwohl ich denke, dass auch unsere Gebäude immer etwas provozieren.


- Aber das ist nicht ihre Intention?
- Nein, aber wir wären auf dem falschen Weg, wenn wir glauben würden, anders zu sein. Architektur im allgemeinen ist provokativ. Dennoch denke ich nicht, dass das wichtig ist, außer für ein paar einzelne Menschen vielleicht, die ausschließlich provozieren wollen. Aber das hält meist nicht lange.
- Sie haben am Ende ihres Vortrages auch Bilder von zerstörten Bussen, Stadtanlagen oder alternativer Energiegewinnung gezeigt. Was kann ein Architekt tun um die Welt zu retten?
- Ein Architekt muss sich den Problemen stellen, darüber sprechen und schreiben – schließlich sind Gebäude einer der schlimmsten Umweltverschmutzer auf unserem Planeten. Das muss sich ändern. Aber ohne Gesetze kann das nicht passieren. Nur: in England gibt es daran überhaupt kein Interesse. Soweit ich informiert bin, hat das keine Regierung im Programm. Amerika ist an solchen Entwicklungen völlig uninteressiert. Mit hat ein Leiter einer Architekturschule dort einmal gesagt, dass Umweltschutz für die Architektur überhaupt nicht wichtig ist. Das finde ich fast kriminell.
- Es gab gestern am Kongress allerdings auch Kritik, dass ihre Gebäude auch nicht besonders umweltfreundlich wären...
- Völliger Blödsinn!


- Kommen wir zu ihrem aktuellsten Projekt: Das Kaufhaus „Selfridges“ in Birmingham.
- Das eröffnete vor fast genau zwei Monaten – was jetzt kommt, weiß ich nicht. Wir machen jetzt viele Wettbewerbe – übrigens auch einen in Österreich. Aber das muss man abwarten.
- Aber zu “Selfridges”: Vergleicht man es formal mit dem kürzlich entstandenen „Kunsthaus Graz“ dann hat ihr Gebäude fast ausschließlich gute Kritiken bekommen, das Kunsthaus dagegen nicht. Woran liegt das?
- Ich weiß von ein paar Problemen, die Peter Cook mit der Realisierung des Kunsthauses hatte – aber das Gebäude ist ein außergewöhnliches Statement – man kann als Architekt nicht immer alles haben. Aber ich bin, gemeinsam mit Peter Cook zu einem Vortrag in London eingeladen – das wird bestimmt interessant. Cook ist immer positiv.
- Sie hätten allerdings mehr Grund dazu. Warum ist bei „Selfridges“ alles so gut abgelaufen?
- Es ist eines der wenigen Gebäude, wo es Architekten erlaubt war, zu experimentieren. Wenn man ein Bürogebäude baut, ist so etwas nicht möglich. Wir haben ein Zeichen in die Stadt gesetzt, das kein Schild benötigt, wo „Selfridges“ auf der Fassade steht. Auch im Inneren konnten wir einiges umsetzen. Und allgemein: Die Entwicklung des Raumes muss man sehr kritisch betrachten. Vom Museum in Bilbao hat man nie ein Bild davon gesehen, das zeigt, wie die Kunst dort präsentiert wurde. Darum geht es überhaupt nicht mehr. Aber bei unserer Arbeit ist das ein wichtiger Aspekt. Doch die größte Leistung bei „Selfridges“ war sicher die gelungene Umsetzung mit einem äußerst geringen Budget.
- „Future Systems“ ist mit dem „Lords Media Centre” – der Entwurf stammt aus dem Jahre 1994 – bekannt geworden. Nicht nur architektonisch ist das Gebäude interessant, sondern vor allem auch wegen der konstruktiven Lösung. Ist das überhaupt ein Markenzeichen von ihrem Büro?
- Solche Umsetzungen hängen nicht nur von mir ab, sondern werden von den Umständen bestimmt. Man muss austesten, was möglich ist. Aber ist immer sehr schwierig.



- Worauf ich hinaus will: sie haben sehr früh angefangen solcherart Architektur zu bauen. Gehören aber nicht zur „Software Familiy“?
- Sie meinen wegen der Computer? Ich glaube, dass die Wichtigkeit des Computers aus einer völligen Fantasie entspringt. Die erste Intention ist immer eine menschliche. Sogar in weitaus komplizierteren Technologien, wie in der Autoindustrie, wird immer noch mit der Hand gezeichnet. Man bräuchte doch keine Menschen mehr, wenn kein menschlicher Input mehr möglich und nötig wäre. Der Computer kann nicht alles. Die jungen Architekten verlieren mit diesem Instrument das Gefühl für Maßstab und Material. Das bemerke ich sehr oft. Dann sieht man schöne Renderings, bevorzugt in der Nacht. Selbst das schrecklichste Gebäude schaut nachts gut aus. Das ist gefährlich, wenn viele spektakuläre Bilder von etwas produzieren, was einfach nichts ist.
- Haben wir nicht gelernt, die Bilder genauer zu lesen und die Qualität zu erkennen?
- Wir vielleicht schon, aber Bauherrn nicht. Das ist ihnen nicht möglich. Sie werden verführt und entscheiden nur wer der bessere Computeroperator und nicht wer ist der bessere Architekt ist.
- Wie schaut denn die Zukunft von „Future Systems“ aus?
- Das weiß ich nicht, wenn ich über die nächsten drei Monate voraus Bescheid weiß, bin ich glücklich. Sechs Monate sind reiner Luxus.
- Keine Shops mehr?
- Man kann nicht für den Rest des Lebens Shops machen, aber einen oder zwei würde ich schon noch gerne realisieren. Ansonsten designen wir gerade kleinere Objekte: einen Bikini, Möbel oder Gläser für Alessi. Aber die kleinen Dinge benötigen einiges an Energie.
Man eben nur etwas entwickeln, wenn man die Möglichkeit dazu bekommt- eine Galerie oder ein Museum würde ich schon gerne bauen. Ich denke eine Form kann aus jedem Gebäudetypus entwickelt werden.
- Ihren Alessi-Turm wollen sie nicht realisieren?
- Irgendetwas großes? Natürlich!
- Dietmar Steiner hat bei seinem Vortrag über „Utopien“ in der Architektur in den 80ziger Jahren aufgehört. Gab es danach nichts mehr?
- So kann man das nicht sagen. In vielen Ländern ist viel passiert – gerade die letzten Jahre. Allerdings hauptsächlich in Europa. Amerika hatte in den letzten 20 Jahren nicht viel zu bieten. Die Universitäten isolieren die Architekten. Schauen Sie sich die Skyline von New York an und dort existiert auch kein wirklich interessantes Architekturmagazin.
- Für sie als Tscheche – tut sich nicht der Ostmarkt auf?
- Wir haben nie irgendetwas in Prag gemacht. Die Tschechen hassen mich. Wie jeden der nicht dort lebt.
erschienen in Architektur&Bauforum,Dez.03
Future Systems -