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Jarbornegg & Palffy, bekannt durch ihre Projekte Generali Foundation, Museum am Judenplatz und Schöllerbank, sind der Marke „Denkmalpflege“ längst entkommen.
Nachdem jüngst gescheitertem Vorhaben zur Umstruktierung Karlsplatz konnten sie gerade einen Wettbewerb in Kärnten gegen internationale Kollegen wie Future Systems oder David Chipperfield für sich entscheiden. Neben einem Museum in Newcastle sind derzeit noch zwei weitere kleinere Bauaufgaben in Realisierung – doch alles ausserhalb Wiens. Doch dort ist András Pálffy seit Herbst letzten Jahres als Professor am Institut für Gestaltungslehre und Entwurf an der TU-Wien.

Die Versorgung des Körpers

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
Jarbornegg & Palffy:
- Wie es aussieht, habt ihr in Wien nicht mehr viel zu tun, obwohl gerade ihr euch immer mit dieser Stadt auseinandergesetzt habt.
- J.: Ohne daß man diesen Umstand prolongieren möchte, kommt man so dazu Wien von seiner besten Seite zu erleben, als Tourist.
- Adolph Krischnitz erlebt es ähnlich, wie er mir erzählt hat. Hängt das mit eurer internationalen Resonanz zusammen, die ihr von Anfang an hattet?
- P.: Resonanz hatten wir auch hier genug. Vielleicht war es eher ein Zufall, daß wir im Zentrum der Stadt drei historische Bauten realisierten, zwei Kulturbauten und die Schöllerbank. Bei diesen Aufgaben mußten wir genau dieses Thema des Ortes aufnehmen, das für uns auch die historischen und sozialen Bezüge einschließt und die einen neuen Ort erst entstehen lassen. Aber damit beschäftigen wir uns grundsätzlich immer, unabhängig von Wien. Auch bei unserem Projekt in Newcastle sind wir mit Beharrlichkeit irgendwann im Stadtarchiv gelandet und heben alle Pläne aus, die mit diesem Ort zu tun haben. Wir finden dann meist essentielle Dinge, die das Gebäude in seiner ganzen Struktur erkennen läßt, mit der wir ohnehin arbeiten müssen. Das bedeutet zwar auch eine relativ langwierige Auseinandersetzung, aber wenn man sich darauf einläßt, beginnt man den Ort wirklich kennenzulernen und kann ihn auch thematisieren. Unsere Arbeitsmethode ist immer die eines Destillierens.
- Aber genau das ist für Wien doch ungewöhnlich, oder besser: eure geringe formale Präsenz ist eher selten für den Osten Österreichs.
- J.: Das mag durchaus sein, ist aber nicht wirklich ortsabhängig, sondern personenabhängig. Bei uns steht am Anfang immer eine sehr genau Recherche, die uns erkennen läßt, was das Wesentliche an einem Projekt ausmacht – und das muß nicht unbedingt das Gebäude selbst, sondern kann durchaus auch die Baumreihe daneben sein.
- Ihr sprecht auch immer wieder von einer „lokalen Transparenz und Lesbarkeit, mit der Bewertungen vorgenommen und Reflexionen ermöglicht werden können“. Ist das mit einer Auseinadersetzung in Wien entstanden?
- P.: Für uns ist die Methode wichtig. Die haben wir sicher nicht erfunden, sondern die ist über die Zeit entstanden. Da gibt es bestimmte Bezugspersonen, die uns beeinflußt haben, wie während der Studienzeit Jan Turnovsky. Vorbilder wäre zuviel gesagt, aber es gibt Architekturen, in der man diese Arbeitsweise entdecken kann und die uns immer gereizt haben. Wir glauben nicht, daß es in der Architektur wirklich etwas neu zu entdecken gibt, sondern daß man hier nur mit den Mitteln der Zeit Altbekanntes neu zusammenfügt. Ganz egal welche Form, Kontur oder Plastizität das haben kann, an der Vorgangsweise und an der Produktion hat sich nicht wesentlich viel verändert.
J.: Ich denke, unabhängig von der Architektursprache – und jede Sprache ist durchaus vollstellbar und denkbar - haben wir bei unseren Untersuchungen herausgefunden, daß es gewisse Nebenschauplätze und Disziplinen gibt, wie Konstruktion, Haustechnik ..., die eine maßgebliche Rolle spielen und eine lange Tradition haben - genauso lang wie die Architektur selbst. Eine schöne Metapher dafür ist unsere Körperlichkeit, die wir gerne vergessen, wenn wir um uns herum schauen und glauben, frei denken zu können. Es ist aber so, daß man ohne die Versorgung seines Körpers gar nicht denken könnte. Auf die Architektur übertragen: Das was heute gebaut werden kann, liegt an der Technik – aber wie sinnvoll der Einsatz dieser Möglichkeiten dann ist, ist eine andere Frage, die wir uns aber auf jeden Fall immer stellen.
- Wie steht ihr dann als Museumsexperten, die den Inhalt immer vor die Form gestellt haben, zum Kunsthaus Graz?
- P.: Wir haben keine Entweder/Oder-Position – unsere ist sicher eine andere als die des Kunsthauses. Aber mit einer Auffassung alleine kann man kein Thema bewältigen. Dennoch kratzt man sich schon am Hinterkopf, wenn man bei der Biennale das 1:1 Modell einer Wärmedämmung sieht. Das Gebäude wurde zu einer Metapher degeneriert, wobei es sicherlich möglich gewesen wäre, die Grundidee des Wettbewerbsentwurf umzusetzen. So allerdings ist eine Tendenz in der Architektur, die sich sicher mit einem innovativen Ansatz auseinandersetzt, langfristig beschädigt.
J.: Es wurde hier sicher ein Thema exemplarisch abgehandelt und man wird sehen, was davon übrigbleibt. Vielleicht steckt da doch noch einiges an Potenzial drinnen. Aber bei diesem Volumen mit tragenden Hüllen zu arbeiten, ist bedenklich – bei der Oper in Sydney ist man damit schon an die Grenzen gestoßen.
- Ihr bezieht euch auch immer wieder auf die Moderne, welche Aspekte interessieren euch da besonders?
- P.: Uns interessieren Qualitäten, unabhängig von der Zeit. Wir suchen uns alles zusammen, vom Barock bis zur Moderne, wenn es der jeweiligen Aufgabe entspricht und wir etwas Eigenständiges daraus formen können.
J,: Die Tradition der Moderne war auch mit der Postmoderne nicht wirklich tot. Ein Riesenkapitel allerdings war noch offen: Der Umgang mit der bestehenden Substanz. Die Moderne bietet in einem großen Spektrum Antworten und bis zu einem gewissen Teil muß man sich immer mit dem Bestehenden auseinandersetzen. Aber wie die Urväter der Moderne, wie Mies van der Rohe und Le Corbusier oder andere ihre neue Architektur mit den neuen Bautechniken formuliert haben, waren sie froh, daß auf die grüne Wiese zu bringen und haben diesen Bereich kaum bearbeitet.
- Die Moderne war auch in gewisser Weise autoritär, ihr scheint aber immer einen Dialog zu suchen...
- P.: Es war mehr eine Bestimmheit, die immer Ausdruck einer neuen Idee ist und die das auch transportieren soll. Aber entscheidend ist der Bezug zum Umfeld. Man kann es ignorieren, aber man kann es auch in die eigene Arbeit aufnehmen und in sich damit auseinandersetzen. Insbesondere in einem historischen Umfeld beginnt diese Auseinandersetzung eine große Rolle zu spielen. Verliert diese Auseinandersetzung an Bedeutung, kommt es zu Ergebnissen, die sich vollkommen abgrenzen oder zu sehr anpassen.
- Die Gestaltung des Judenplatzes war ein sehr langer Prozess, dafür ist - zynisch gesagt - nicht viel passiert.
- J.: In diesem Fall ist keine Gestaltung die Gestaltung. Der Platz hatte soviel Substanz und wir sahen keine Notwendigkeit mit den schönen, historischen Fassaden und zwei Denkmälern in Konkurrenz zu treten. Die Gestaltung ist ein Zurücknehmen, um das was schon da war hervorzuheben.
- Unter welchem städtebaulichen Aspekt?
- J.: Wenn man beim Judenplatz überhaupt einen stadtplanerischen Ansatz erkennen kann, von Städtebau kann man ohenhin nicht reden, dann ist das der, daß wir uns dafür eingesetzt haben, daß der Platz eine Fussgängerzone wird. Verkehrsplanung ist ein wichtiger Teil von stadtplanerischen Massnahmen, dem viel zu wenig Augenmerk geschenkt wird. Viele Architekten geben sich in diesem Feld sehr schnell geschlagen und begnügen sich mit einer Behübschung von Plätzen. Mit Durchzugs- oder Gegenverkehr will sich niemand beschäftigen. Aber für uns ist das ein wesentlicher Punkt, der uns auch am Karlsplatz sehr interessiert hat. Dort haben wir auf viele Mängel der Verkehrsführung verwiesen, die einfach über die Zeit entstanden sind. Richtig hören wollte das niemand. Die Leute gingen davon aus, daß alles was einmal entstanden ist, seine Berechtigung hat.
- Was ist aus eurer Planung geworden?
- P.: Ich glaube, das war einmal ...Die Euphorie des Stillstands kann auch zur Lähmung führen. Für uns war das ein Projekt, wo wir mit Bedauern festgestellt haben, daß ein Wettbewerb stattgefunden hat, der baulich nicht eingelöst wird. Es ist sicher nicht das erste Mal, daß so etwas passiert, aber als Büro hat uns dies eher betroffen gemacht. Ich kann zum Schwarzenbergplatz schauen und meiner Wege gehen. Aber der Karlsplatz ist praktisch vor unserer Haustüre und stellt für uns ständig die Illustration eines 50-jährigen städtischen Fleckerlteppichs dar, der in einer Stadt eigentlich nichts verloren hat. Diesen Platz neu zu strukturieren, wäre eine interessante Aufgabe gewesen. Was im Augenblick passiert, folgt der in Wien lieb gewordenen Tradition des Fleckerlteppichs.
J.: Ich finde es befremdend, daß man uns noch eine Einladung geschickt hat, an dem Wettbewerb der Wiener Linien für eine Polizei-Station am Karlsplatz teilzunehmen. Man selbst versucht in einem größeren Zusammenhang zu denken und eine Struktur hineinzubringen und wenn dann die Protagonistien ins Detail gehen dürfen, wie die Wiener Linien, dann passiert soetwas. Wir haben uns ständig über die manieristischen Schleifen, Übergänge und deren mögliche Reduzierung Gedanken gemacht – doch das war fast wie eine Majestätsbeleidigung.
- Fehlt es am grundsätzlichen Verständnis für städtebauliche Fragen oder an der wirtschaftlichen Nutzung?
- P.: Die Erweiterungen der U1 und U2 verschlingen 27 bis 30 Millarden Schilling – unsere Planung hätte laut Stadt Wien ungefähr 450 Millionen gekostet. Jeder Investor wird von der Stadt Wien angehalten, zusätzliche Leistungen für die Öffentlichkeit zu erbringen – aber diese Frage wird bei den Wiener Linien plötzlich obsolet. Hier geht es „nur“ um 60.000 Personen, die täglich durch diesen Gully strömen.
Fußnote: Vor vier Jahren haben wir ein Oberflächenprojekt für einen Teilbereich des Karlsplatzes gemacht. Seitdem warten wir auf die Bezahlung der Honorarnote für diese Leistung und das aus dem Grund, weil man sich bis heute nicht einigen konnte, welche Magistratsabteilung der Stadt Wien verantwortlicher Kostenträger ist. Das sind Aspekte mit einem schalen Beigeschmack, die man nicht weiter kommentieren muß. Eine Grundstimmung illustriert diese Tatsache sehr wohl.
- Heißt das ein wenig Dessillusion oder ein besseres Verständnis, in welchem Handlungsbereich man sich bewegt? Ist man sich seiner Rolle bewußt?
- P.: Der Rolle, mit ihren Grenzen und Möglichkeiten, sind wir uns sehr wohl bewußt. Das Wort Städtebau existiert in der Praxis in Österreich zunehmend in Klischees von urbaner Gemütlichkeit, die sich zum Begriff des Themenparks erweitern kann.
J.: Früher waren es Herrscherhäuser, Staaten, etc. man reagiert immer auf vorgegebene Richtlinien und je nach Geisteshaltung geht man damit um. Jetzt geht es vielleicht auch um die Konzerne, die sich momentan als die Träger der Kultur verstehen, das ist ein breites Spektrum. Es gibt keine Allround-Genies mehr und auch als Architekt bewege ich mich in einem Teilbereich eines Projekts, wenn auch meist an vorderster Front.
- Wobei es ganz wenige Spezialisierungen in den Grenzbereichen der Architektur gibt?
- P.: Diese Form der Spezialisierung findet eher in akademischer Auseinandersetzung statt, verläßt sie dieses Umfeld jedoch, wird sie gerne und schnell zum privaten Hobby. Diese Tatsache fällt dann meist unter das Thema: ..“interessanter Standpunkt, aber...“. Tatsächliche Spezialisierungen erfolgen in Teilsegmenten der Berufspraxis – in der Zwischenzeit hat sich das Spektrum erheblich angereichert mit Logistikern, Controller oder Risk Manager. Man darf dabei natürlich nicht übersehen, daß hier Fragmente einer Gesamtleistung gesehen werden, der den Blick auf den Gesamtinhalt nicht mehr einbezieht – was an einigen Bauwerken deutlich ablesbar ist.
Jabornegg & Pálffy
Wiedner Hauptstrasse 17/5
1040 Wien
Christian Jarbornegg *1956/Wels
András Pálffy *1954/Budapest
Bürogründung 1988

Ausgewählte Bauten:

Kremser Bank
Museum am Judenplatz, Wien
SKWB Schoellerbank, Wien
Ausstellungsarchitektur Dokumenta X, Kassel (D)
EA - Generali Foundation mit Georg Schönfeld, Wien

erschienen in Architektur&Bauforum 03/Febr.04,S.04ff