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Das Ding mit dem Balkan

Nina Schedlmayer im Gespräch mit Grita Insam und Andreiana Mihail

redaktionsbüro: Nina Schedlmayer
Grita Insam, Andreiana Mihail:
- Andreiana, Sie waren schon im Vorjahr als Kuratorin der Galerie Noua aus Bukarest auf der VIENNAFAIR. Dieses Jahr kommen Sie mit einer eigenen Galerie. Was sind Ihre Erwartungen?
- Einen sehr guten Stand zu haben, ausgezeichnete Arbeiten zu zeigen, interessante Leute zu treffen, ein positives Image aufzubauen.
- Sie haben Ihre Galerie erst im November vorigen Jahres in Bukarest eröffnet. Wann haben Sie beschlossen, Galeristin zu werden?
- Ich habe das Abenteuer Kunst mit Freunden gestartet, mit denen ich drei Jahre lang den rumänischen Kunstverein „-ESCO art contemporain“ führte. Ich habe einige Ausstellungen kuratiert und Praktika in den USA absolviert. Ich habe bei allen wichtigen Kunstevents, der „Frieze Art Fair“ in London, der „Art Basel“ und so fort Erfahrungen gesammelt. Dann hatte ich das Gefühl, dass es an der rechten Zeit war, und eröffnete die Galerie. Ich kann mich zudem über eine Partnergalerie in Los Angeles freuen, die mich kräftig unterstützt. In Rumänien leben viele gute, junge Künstler. Ich möchte in der Galerie die Qualität halten, auf die ich schon vorher, als Kuratorin diverser Ausstellungen, Wert legte.

- Gibt es Sammler oder Museen in Rumänien, die Ihre Galerie in größerem Maß unterstützen?
- Nein, ich verkaufe das meiste ins Ausland. Der Kunstmarkt entwickelt sich leider nicht sehr schnell in Rumänien. Wir alle wissen ja: Es ist nicht nur wichtig, zu verkaufen, man muss auch an die richtigen Leute verkaufen, um einen Künstler seriös über einen längeren Zeitraum aufzubauen. Ich will in den nächsten Jahren in Bukarest bleiben – ich bin optimistisch – und später vielleicht expandieren.
- Grita, als Sie vor 36 Jahren Ihre Galerie in Wien eröffnet haben, war die Situation mit jener heute in Bukarest vergleichbar: Es existierte so gut wie kein Kunstmarkt, Galerien gab es ebenfalls nur wenige. Was sind die größten Anforderungen bei dieser Pionierarbeit?
- Grita Insam: Wir litten in den sechziger und siebziger Jahren in Wien noch an den Nachwehen der Nachkriegszeit und den damit verbundenen Informationsbarrieren im Bereich der Kunst. Der Markt in Österreich wurde damals leider vom Phantastischen Realismus beherrscht. Durch die extrem hohen Auflagen und die überhöhten Preise dieser Druckgrafiken wurden Kunstsammler nachhaltig misstrauisch, was sich lange negativ auf den Markt auswirkte.
Wir reisten viel und holten uns aus der ganzen Welt unsere Informationen in die Stadt und haben schließlich erreicht, öffentliche Förderungen zu bekommen. Auf andere Art und Weise als heute mussten wir dann eben unsere Projekte „verkaufen“, an die Stadt oder den Staat.
Zunächst haben wir vor allem einmal kuratiert, ans Geldmachen dachten wir am Anfang gar nicht. Wir wollten dem österreichischen Publikum Konzeptkunst und Performance nahebringen; dafür haben wir didaktisch aufgearbeitete Projekte konzipiert und in unseren Räumen realisiert. Als ich später die Galerie mehr für den Markt öffnete, kuratierte ich weiterhin Ausstellungen, auch im Ausland.

Andreiana Mihail:In Bukarest kennen heute nicht einmal die gebildeten Leute die Kunst nach Picasso: Der Abstrakte Expressionismus etwa ist ihnen nicht geläufig. Was aktuell in der Kunst passiert, sagt ihnen aber paradoxerweise eher wieder etwas. Die Wissenslücke zwischen moderner und zeitgenössischer Kunst müsste in Rumänien gefüllt werden. Die eigenartige Sache in Bukarest ist: Wir haben ein Museum zeitgenössischer Kunst, aber keines für moderne Kunst. Wie sollen die Leute aber verstehen, was sie heute an Kunst sehen, wenn ihnen die kunstgeschichtlichen Grundlagen fehlen?
- Der Kunstbetrieb wird zusehends globaler. Was bedeutet das für Ihre Arbeit mit den lokalen Szenen?
- G. I.: Meine Strategie war es immer, Künstlerpersönlichkeiten von hohem Bekanntheitsgrad wie die Gruppe „Art and Language“, Candida Höfer oder Ken Lum Künstler und Künstlerinnen aus Wien gegenüberzustellen. Diese Vorgehensweise habe ich auch in meiner Galerie in Chicago fortgesetzt. Leider musste ich das Projekt dort schon nach einem Jahr beenden, weil uns der Golfkrieg die wirtschaftliche Basis entzog.

A. M.: Bei mir läuft es ähnlich. Ich habe internationale, aber auch rumänische Künstler im Programm. In der ersten Ausstellung in meiner Galerie waren Arbeiten von Tom Chamberlain, Hideko Inoue, Adrian Ghenie, Ciprian Muresan – Künstlern aus England, Japan und Rumänien – zu sehen. In die lokale Kunstszene muss man als Galeristin ständig Leben hineinpumpen, um Leute herauszufordern, zu provozieren. Die Kunstszene in Rumänien ist seltsam. Die Leute gehören großteils einer sehr jungen Generation an, anders als in Wien vielleicht. Die meisten Künstler sind zwischen, sagen wir, 20 und 35 Jahre alt. Mit denen komme ich als junge Galeristin gut zurecht.
- Arbeiten rumänische Künstler „politischer“ als westeuropäische?
- A. M.: Nicht mehr. Vielleicht nach der Revolution, als „dieses Ding mit dem Balkan“ aufkam, das aber wahrscheinlich in dieser Zeit gut funktionierte und sich in Ausstellungen wie „Blut und Honig“ von Harald Szeemann (2003 in der Sammlung Essl in Klosterneuburg; Anm. d. Red.) manifestierte. Vor etwa zwei Jahren hat sich dieser Ost-West-Fokus aber entschärft. Der Akzent auf Politik wird bei rumänischen Künstlern deutlich schwächer.

G. I.: Meiner Meinung nach gibt es gar keine unpolitische Kunst – auch wenn sie nicht unbedingt mit Tagespolitik zu tun haben muss. Darüber zu diskutieren, würde allerdings viele Stunden dauern.
Grita Insam eröffnete 1971 ihre Galerie in der Köllnerhofgasse in Wien, wo sie vor allem Konzeptuelle Kunst präsentierte. Im September 2005 zog die Galerie an ihre heutige Adresse um: An der Hülben 3, A-1010 Wien. Neben anderen vertritt Insam die Künstler Robert Adrian X, Irwin, Ken Lum, Katarina Matiasek, Flora Neuwirth, Ruth Schnell und Peter Weibel.

Andreiana Mihail studierte und arbeitete unter anderem in Paris und den USA. Am 16. November 2006 eröffnete sie ihre Galerie in Bukarest mit der Ausstellung „Small Wonders“. Zu den von ihr vertretenen Künstlern zählen Andrian Ghenie, Cristi Pogacean, Serban Savu und Tom Chamberlain.

Nina Schedlmayer lebt und arbeitet in Wien. Sie schreibt als freie Kunstkritikerin und Journalistin unter anderem für „profil“ und „artmagazine.cc“


VIENNAFAIR
The International Contemporary Art Fair focused on CEE 2007
26.–29. April 2007
Messezentrum Wien Neu, Messeplatz 1, A-1020 Wien
www.viennafair.at

Die Erste Bank ist seit diesem Jahr Hauptsponsor der ­VIENNAFAIR. Bereits zum dritten Mal unterstützt sie 15 junge und teilweise noch unbekannte Galerien aus Zentral- und ­Osteuropa dabei, sich in Wien der internationalen Kunstszene zu präsentieren:

Polen
Galeria Piekary, www.galeria-piekary.com.pl
lokal_30, www.lokal30.pl
Program Gallery, www.artprogram.art.pl

Rumänien
Plan B, www.plan-b.ro
Andreiana Mihail Gallery, www.andreianamihail.com
Galeria Noua, www.galerianoua.ro

Russland
Aidan Gallery, www.aidan-gallery.ru
Regina Gallery, www.regina.ru
XL Gallery, www.xlgallery.ru

Serbien
Remont Gallery, www.remont.co.yu
Zvono Gallery, www.galerijazvono.com

Slowakei
Bast’Art Gallery, www.bastart.sk
Galéria Priestor for Contemporary Art, www.priestor.org

Tschechien
hunt kastner artworks, www.huntkastner.com

Ungarn
acb Gallery, www.acbgaleria.hu


Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,April 2007
Link: viennafair - Link: REPORT online - Link: Galerie Grita Insam - Link: Galerie Andreiana Mihail -