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... WAS TUN, WENN MAN WAS TUN MUSS

Ideenkreis Alternative Architektur: Michael Hasslacher im Gespräch mit Konrad Wolf, Ivelina Grozeva, Gerold Kaltenecker, Dipl.-Ing. Philipp Fleichschmann

redaktionsbüro: Michael Hasslacher
Konrad Wolf, Ivelina Grozeva, Gerold Kaltenecker, Dipl.-Ing. Philipp Fleichschmann:
- Hallo Konrad, du hast eine Art Debattier-Club gegründet, der sich Ideenkreis Alternative Architektur nennt. Wir sind durch Plakate auf der Uni darauf aufmerksam geworden und würden gerne etwas mehr von dieser Initiative wissen. Was war deine Motivation, deinen Ideenkreis zu gründen?
- Ich studiere seit dem Sommersemester 2005 Architektur und habe gemerkt, dass sich der Mainstream der Architekturstudenten nicht mit Fragen auseinandersetzt, die ich aber auch aufgrund meiner zwei Semester Politikwissenschaften davor für sehr wichtig halte. Mir haben einfach viele Themen, die in anderen Studienrichtungen sehr viel mehr Bedeutung haben, gefehltwie z. B. soziale Fragen, Ökologie und eben auch die politische Dimension und die Verantwortungslosigkeit von Architekten, die sich auf den Punkt zurückziehen: wir planen, was man von uns verlangt und es interessiert uns nicht, unter welchen Bedingungen und für wen gebaut wird.

- Du hast einfach ein paar Plakate aufgehängt. Und wie war die Resonanz darauf?
- Ich habe das zuerst ganz allein geplant, Dinge und Fragen, die mich bewegt haben, recht polemisch formuliert und einfach ausgehängt, und ich wusste wirklich nicht, ob wer kommt und wie viele. Und es waren dann tatsächlich zwölf Leute, die ins Café kamen. Das war sozusagen unser Starttreffen.

- Du hast auch drei Kollegen mitgebracht: Phillip, Ivelina und Gerold. Wer seid ihr und warum seid ihr zu diesem Treffen gegangen?
- : Ich heiße Phillip und schreibe gerade an meiner Diplomarbeit. Ich war neben meinem Studium schon immer linkspolitisch aktiv. Und habe hab es aber nie wirklich geschafft, zwischen meinem Studium und meinen politischen Aktivitäten eine Verbindung herzustellen. Als ich die Plakate sah, dachte ich, das wäre ein ganz guter Ansatz. Ivelina: Ich glaube, dass wir vor dem Treffen alle dieselben Problemstellen im Studium erkannt haben und dass wir durch die Uni und unser Studium geprägt werden. Die Themen und Punkte, die wir für sehr wichtig halten, werden aber nicht von Anfang an gelehrt. Wenn überhaupt. Und es war eigentlich sehr wichtig, eine solche Initiative ins Leben zu rufen, damit man darüber debattieren kann.
Gerold: Also, ich hab mich gleich angesprochen gefühlt, weil auf der Uni eigentlich so eine gewisse Eindimensionalität zelebriert wird, die sehr viele Aspekte auslässt.
- Ihr findet, auf der Uni beschäftigt man sich zu wenig mit sozialen und politischen Themen, aber würde das nicht auf Kosten der technischen oder künstlerischen Fächer gehen?

- Gerold: Man sollte nicht weg aus einzelnen Bereichen, sondern eher verbinden. Also z. B.: nicht ein Studio Raumgestaltung oder Gestaltungslehre, sondern so wie bei einigen Entwerfen- Hilfsprojekten in Südafrika, bei denen man architektonische, technische und soziale Aspekte vereint.
Konrad: Es geht nicht darum, den technischen oder künstlerischen Aspekten des Studiums das Wasser abzugraben, sondern dass man sie ergänzt, z. B. mit sozialen oder wirtschaftlichen Fragen … Wer sorgt dafür, dass große Wohnblöcke entstehen, wer verdient daran, wer wird dort später wohnen. Solche Fragen müssen auch thematisiert werden.
- Habt ihr schon einen Ansatz oder Rahmen für eure Diskussionen gefunden? Und wie läuft so ein Treffen denn ab?
- Konrad: Bisher haben wir vor allem über bestimmet gebaute Projekte diskutiert, z. B. Monte Laa, oder über Themen in der Stadtentwicklung. Das ist immer so gelaufen, dass einer/eine etwas vorbereitet und dann kurz darüber referiert hat – danach haben wir darüber diskutiert. Es geht nicht darum, eine eigene Position abzustecken und offenen Türen einzurennen, sondern es wird zur Debatte gestellt. Was kann man vertreten, machen und was nicht. Also so eine Art Referat. Diskussionsrunde.
Ivelina: Es ist auch so geplant, weg von dem Diskutieren zu kommen und etwas in die Praxis umzusetzen. Es ging uns erstmal darum, Gemeinsamkeiten zu finden.
Konrad: Eben, der nächste Schritt wird sein, aus dem Ideenkreis einen Arbeitskreis zu machen. Uns schweben da schon zwei Projekte vor. Wir wollen uns ab nächstem Semester aktiv einbringen. Es könnten viele soziale Einrichtungen wie z. B. Mutter- Kind-Häuser oder Obdachlosen-Küchen etwas Architektur vertragen. Wir wollen Vorschläge machen, etwas planen und dann auch umsetzten. Außerdem werden wir eine kleine Zeitschrift herausgeben, in der wir Artikel über unsere Themen veröffentlichen wollen.

- Als ich euren Titel „Ideenkreis Alternative Architektur“ gelesen habe, dachte ich sofort an „linke Ökos“ – habt ihr eine politische Ausrichtung und wer ist bei euch willkommen?
- Konrad: Der Name lässt glaub ich vieles offen. Was ich allerdings nicht verstehe ist, warum sich viele an diesem „Alternativ“ noch stoßen. Natürlich ist eine gewisse linke emanzipatorische Idee dabei, die sagt, es gibt eine gesellschaftliche, politische Verantwortung. Aber wir sind jetzt nicht alle in sozialistischen Parteien oder so. Darum geht es uns nicht. Wir haben keinen ideologischen Rahmen. Es kann jeder mitmachen.
Ivelina: Es geht nicht um „Alternativ“ in diesem Sinne, sondern darum, dass wir über heutigen Architekturbetrieb unzufrieden sind und Alternativen dazu entwickeln wollen.
Gerold: Als Ideenkreis wollen wir offen sein für neue Ideen, aus welcher politischen Richtung ist nicht so wichtig.
Philipp: Das Wort „Alternativ“ ist heute sicherlich etwas unmodern, das kann man ganz wertfrei sagen. Ich finde, es setzt eine gewisse Offenheit voraus. Ich selbst würde mich durchaus als Sozialist bezeichnen, aber ich möchte mich hier auch mit anderen Leuten und Meinungen treffen und mich mit ihnen austauschen.

- Um mal beim Thema Politik zu bleiben. Auf einem der Plakate
stand unter anderem zu lesen: „Architektur ist Politik.“
Inwiefern ist der Architekt Politiker?
- Ivelina: Also ich schätze, Architektur hat sehr viel mit Politik zu tun. Deshalb ist es ja so wichtig, dass wir in diesem Prozess mitspielen. Ich erinnere mich an die Krawalle vor einem Jahr in Paris. Architekten schaffen den Raum, in dem wir wohnen und uns bewegen. Wir dürfen nicht zulassen, dass er nur noch dem Geld und den Regierenden überlassen wird. Da Architekten und Stadtplaner Fachmänner/-frauen sind, müssen wir mithelfen, dass es in eine bessere Richtung geht.
Gerold: Der Architekt ist wahrscheinlich weniger der Politiker, das politische Gewicht liegt wohl eher auf der Seite der Bauherren und Geldgeber. Es bringt nichts, nur den Architekten auf Probleme aufmerksam zu machen. Auch auf den Seiten der Stadt und den Bauunternehmen muss sich was bewegen.
Ivelina: Architekten alleine können natürlich nicht alle gesellschaftlichen Prozesse ändern. Aber um etwas zu ändern, muss einer eben anfangen, z. B. durch eine Art Kooperation von verschiedenen Fachrichtungen. Deshalb sind bei uns auch andere Studienrichtungen willkommen.
Philipp: Ich glaube, man sollte den Architekten in dem Zusammenhang nicht als einzelne Person sehen und ihn auf die Rolle des Individuums beschränken. Ich glaub ein ganz gutes Beispiel war die Geschichte rund um den Palast der Republik in Berlin, wo sich eine Gruppe gegen die Entscheidung der Bundesregierung aufgelehnt hat und Architekten und Städteplaner dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben. Durch ein Netzwerk können sich Architekten bewusst einbringen – neben anderen, man darf es natürlich nicht den Fachleuten überlassen. In der gebauten Umwelt sollte jeder mitreden dürfen.

- Ivelina, du meintest gerade, man sollte den Raum nicht nur dem Geld überlassen. Kann die Architektur wirklich etwas gegen die von dir gerade angesprochene Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes tun – Ist dies nicht eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, der man sich, speziell als Architekt,nicht entziehen kann? Was tun, wenn alle nur ins Shoppingcenter wollen?

- Konrad: Natürlich kann sich die Architektur, können sich Menschen einer gesellschaftlichen Entwicklung verweigern. Wiewohl einzelne Architekten, die sich zusammenschließen in Netzwerken. Wir haben auch schon über die Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes diskutiert – nur um mal ein Beispiel zu nennen: der Wiener Rathausplatz, wo immer mindestens zwei Toyotas an der Ecke stehen, egal was da ist, ob Weihnachtsmarkt oder Musikfest. Und das sind eben bestimmte Umstände, die dazu führen, dass eben nicht kommerzielle öffentliche Veranstaltungen aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Auch aus dem Bewusstsein des Möglichen. Wenn irgendwo z. B. ein Basketballturnier organisiert wird, ist es fast schon natürlich, dass es von Adidas gesponsert wird und nicht von der Magistratsverwaltung mit einem Budget von 2000 Euro oder so. Das Bewusstsein der Leute ist, das machen Marken – und Marken sind gesellschaftliche Akteure und geben unter anderem auch die Normen vor.
Gerold: Ich denke, dass Architektur zu einem strategischen Instrument zum Wiedererkennen geworden ist. Z. B. die Filialen von Audi oder Prada, die ja im Endeffekt alle gleich aussehen, ganz egal, ob man jetzt in Tokio steht oder sonstwo. Allein an den Umrissen erkennt man schon die Marke. Es stellt sich schon die Frage, ob das noch Architektur ist oder eher reines Marketing.
- Wie kann man euch finden oder kontaktieren, wenn man Interesse hat oder mitmachen will?
- Konrad: Man kann uns entweder auf unserem „Organisationsforum“ als Google-Newsgroup-Seite besuchen oder eine E-Mail an iaa-Wien@gmx.at schreiben.
Ivelina Grozeva, Gerold Fleischmann, Konrad Wolf studieren alle im
4. Semester auf der Tu Wien.
Phillipp Fleichsmann studierte auf der
Tu Wien und ist seit April diplomiert.
Link: TU Technische Universität Wien - Kontakt: Ideenkreis Alternative Architektur - Link: Google Newsgroup: Ideenkreis Alternative Architektur -