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"Von 300 interessierten Architektenbüros waren nur 15 aus dem Osten"

redaktionsbüro:
Gerald Antonitsch :
- Empfinden Sie Projektentwicklung in den Ländern Osteuropas wie Tschechien oder Slowenien noch als Pionierarbeit oder fühlen Sie sich schon auf vertrautem Terrain?
- Es sind bereits vertraute Gefilde. In der Einschätzung des Marktes und wie wir uns auf dem Markt bewegen, da gibt es zum Beispiel zwischen Tschechien und Österreich kaum Unterschiede. Kulturelle Unterschiede bleiben natürlich. Aber von der Solidität und Risikoeinschätzung her fühlen wir uns dort wie zu Hause. Wir sind auch in Kroatien sehr gut in den Markt gekommen. Slowenien ist zwar ein kleines Land und Ljubljana eine überschaubare Hauptstadt, trotzdem haben wir schöne Projekte dort. Richtig beginnt es für uns in Rumänien, vor allem Bukarest, und in Serbien. In Belgrad sind wir aber noch in der Akquisitionsphase. Ich rechne damit, dass wir im Lauf des nächsten Jahres mehr berichten können.
- Wie weit ist es Immorent wichtig, lokale Architekten einzubinden, und welche Chancen haben jüngere österreichische Büros, durch Immorent zu Aufträgen in Osteuropa zu kommen?
- Auf der Shortlist für eine Wohnhausanlage in Sofia waren zwei Österreicher und ein Büro aus Sofia, das dann gewonnen hat. Gerade im Hinblick auf Wohnbau laden wir immer auch lokale Architekten ein.
Wir denken bei jedem Projekt, das wir angehen, neu darüber nach, wen wir einladen. Auch beim Wettbewerb für den ERSTE Campus (Headquarter der Erste Bank in Wien, Anm. der Red.) war es uns wichtig, Architekten und Architektinnen aus unseren Zielländern dabei zu haben. Von 300 interessierten Architektenbüros insgesamt waren aber nur 15 aus dem Osten, von denen es leider niemand in die zweite Runde geschafft hat.

- Wird sich der Anteil des Geschäftsvolumens im Osten noch erhöhen?
- Ja, das glaube ich schon. Wir gehen ja sehr evolutionär in unserer Entwicklung vor. Dieses schrittweise Betreten der Länder mit überschaubaren Projekten oder gemeinsamen Projekten mit Partnern, die aus dem Land kommen, halte ich aus risikotechnischen Gründen für wirklich wichtig. Ein Projekt dauert zwischen drei und sieben Jahren. Und in dieser Zeit sammelt man die Erfahrungen. Die Volumensentwicklungen sind daher in den ersten zwei, drei Jahren noch im sehr schmalen Bereich und ab dem vierten, fünften Jahr geht es nach oben. Das zeigt sich derzeit sehr gut in Rumänien. Wir sind jetzt vier Jahre dort und haben zu Ende des vorigen Jahres mit rumänischen Partnern eine riesige Liegenschaft gekauft, das wird sich ab nun in unserer Volumensentwicklung deutlich zeigen. Ich war jüngst vier Tage in Bukarest, weil wir dort gemeinsam mit unseren rumänischen Partnern die erste Jurysitzung zur Architektenauswahl für ein 300 Millionen-Euro-Projekt hatten.
- Um welche Art von Projekt handelt
es sich hier?
- Das ist ein gemischtes Projekt, etwa 50.000 Quadratmeter Nutzfläche Bürohaus mit einem Büroturm und etwa 100.000 Quadratmeter Nutzfläche Wohnfläche, also etwa 1000 Wohnungen auf einem Areal, das ein schönes Stadtentwicklungsgebiet ist. Wenn man jetzt dort durchfährt, fürchtet man sich noch etwas, weil es ein industrielles Gebiet ist, aber da es auf der Achse zwischen Flughafen und Stadt liegt, ist es eines der kommenden Gebiete, in dem wir mittendrin sitzen. Es wird sich viel bewegen. Wir sind dort Standortmacher. Rundherum ist noch vieles möglich.
- Welche Rolle hat Immorent in diesem Fall? Wie weit arbeiten Sie Hand in Hand mit der Stadtentwicklung? Wie weit diktieren Sie, wie sich die Stadt dort künftig entwickeln wird?
- Ich würde es nicht so streng formulieren. „Diktieren“ entspricht nicht unserer Mentalität. Wir kommen als Österreicher in diesen Ländern deshalb viel besser an als zum Beispiel die deutschen Developer, weil wir nicht diktieren. Aber wir merken es auch an unseren rumänischen Partnern (die Rompetrol-Gruppe und die Familie Patriciu, Anm. der Red.), die sehr professionell sind und uns deshalb hinzugezogen haben, weil wir 30, 40 Jahre mehr Erfahrung im Immobiliengeschäft haben. Das ist eine Erfahrung, die sich über Geschäftsjahre aufbaut, und selbst wenn man noch so gute Managementfähigkeiten besitzt, ist es immer gut, wenn man auf Erfahrungen im eigenen Haus zurückgreifen kann. Das ist einer der Gründe, warum wir von professionellen rumänischen Partnern ausgesucht worden sind. Es gab eine Art „Beauty Contest“, bei dem wir es gemeinsam mit einem spanischen Unternehmen auf die Shortlist geschafft haben, und wir haben schließlich gewonnen. Gemeinsam mit den rumänischen Partnern arbeiten wir mit den Behörden zusammen. Natürlich warten die auf Vorschläge. Es gibt in Bukarest nicht wirklich einen Masterplan, wie dies bei uns selbstverständlich ist. In Wien kann man sich sehr stark an Bebauungsplänen orientieren, der Widmung, der Raumordung. In jenen Ländern, die sich in den vergangenen 15 Jahren „gedreht“ haben, gibt es vieles davon nicht.
- Das heißt, Sie übernehmen auch eine enorm hohe kulturelle Verantwortung, indem Sie in den Stadtentwicklungsgebieten einen bestimmten Maßstab setzen und einiges vorgeben. Wie gehen Sie bei der Auswahl der Planer vor?
- Das ist unterschiedlich. Wenn wir allein sind, suchen wir die Planer selbst aus. Dann gibt es eine Reihe von Vorschlägen, aus denen eine Shortlist gebildet wird. Je nach Projektgröße ist es meiner Meinung nach das Vernünftigste, fünf bis zehn Architekturbüros zu Briefings und Workshops einzuladen und über die Idee mit ihnen zu diskutieren. Dann erarbeiten die Architekten auf dieser Basis ihre Vorschläge, die anschließend von einer Jury bewertet werden. Am Beispiel Bukarest kann ich erzählen – dort ist der Federführende von unseren Partnern selbst ausgebildeter Architekt und hat ein hohes Sensorium für Architektur: In diesem Fall haben wir vier Architekten vorgeschlagen und die Partner ebenso. Und es war so, dass unsere rumänischen Partner entschieden haben, kein rumänisches Architekturbüro vorzuschlagen, weil sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollten, dass sie aus der rumänischen Architektenschaft einen oder zwei herausziehen. Es war also eine diplomatische Entscheidung – man möchte es sich mit den anderen nicht verscherzen und es war eine sehr internationale Runde: zwei Spanier, ein Amerikaner, ein Brite, ein Franzose und zwei Österreicher.
Das Optimale im Vergleich zu den offen ausgeschriebenen Wettbewerben, wie wir es zum Beispiel für den ERSTE Campus in Wien gemacht haben, ist, dass das Ergebnis kaum ein besseres ist, wenn man aus 300 Einreichungen auszuwählen hat, von denen ein geringer Prozentsatz in die nächste Runde kommt. Wahrscheinlich hätte man von den acht Architekturbüros, über die man dann schlussendlich diskutiert, sieben ohnedies nicht vergessen einzuladen.
- Sie meinen also, ein ohnedies kompetenter Bauherr ist besser beraten, wenige Architekten zu einem geladenen Verfahren zu bitten, als Hunderte in einen offenen Wettbewerb zu schicken?
- Ich sehe das auch aus der volkswirtschaftlichen Sicht und finde es nicht vertretbar, Leute arbeiten zu lassen, von denen man ahnt, dass sie sicher nicht das Rennen machen werden, weil das Büro zu klein ist. Vonseiten der Architektenkammer würde man natürlich argumentieren, dass man sich die Chance auf eine Vielfalt an Ideen vergibt, das ist aber eine beinahe schon philosophische Diskussion.
- Ist es Ihnen wichtig, mit Stararchitekten zu bauen?
- Im Fall dieses Projekts haben unsere rumänischen Partner eher zu den Stars tendiert und zum Beispiel Namen wie Norman Foster ins Spiel gebracht oder Estudio Lamela und Rafael de La-Hoz aus Spanien. Unter unseren Vorschlägen waren etwa Behnisch Architekten aus Stuttgart, Neumann und Partner sowie Baumschlager & Eberle aus Österreich. Wir haben alle Vorschläge diskutiert. Insgesamt waren es acht, und drei davon - Foster, de La-Hoz und Neumann – kamen in die nächste Runde, über die wir Mitte Oktober entscheiden werden.
- Wer war in der Jury?
- Auch die Jury war sehr international besetzt, darunter natürlich Immorent-Menschen, unser Partner Dinu Patriciu, Dan Hanganu, ein aus Rumänien stammender Architekt, der erfolgreich sein Atelier in Kanada führt, und S˛tefan Scafa-Udris˛te, der Dekan der Bukarester Architekturfakultät; den Juryvorsitz hatte George Iacobescu, der CEO von Canary Wharf, inne. Es entstand eine hochinteressante Diskussion, an der man merkt, wie verschieden die Ansätze der Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Professionen sind. Das macht wirklich Spaß. Uns ist es extrem wichtig, dass es stimmige Geschichten werden. Man muss Partner und die lokalen Behörden berücksichtigen. Es tut einem Projekt nicht gut, wenn wir sagen, wir haben recht.
Es ist wichtig, alle einzubinden und viele Argumente zu hören. Daher habe ich auch manchmal Probleme damit, wie die Architektenkammer Juryzusammensetzungen vorschlägt, nämlich dass die Mehrheit aus Architekten besteht. Es ist natürlich gut, den Rat der Architekten zu hören, aber in letzter Konsequenz soll es sich der aussuchen, der später damit leben muss. Warum müssen also die Architekten in der Jury dominieren? Das ist sicher ein interessanter Diskurs.
Die Architektur allein ist es ja nicht. Ob ein Haus funktioniert oder ob es von den künftigen Nutzern auch angenommen wird, das kommt in einer Jurydiskussion unter Architekten zu wenig vor. Das müssen wir einbringen und so sind wir dann mit unseren niederen Gedanken die Bad Boys. Ich bin ja auch Architekturfan und natürlich ist mir das wichtig. Wir haben ein festgeschriebenes Interesse daran, die richtige Wahl zu treffen, weil wir an der Werthaltigkeit arbeiten, und ich möchte nicht hören, dass ein Immobilienfonds, der ein Haus von uns gekauft hat, dieses in zehn Jahren nicht mehr weiterverkaufen kann, weil das Haus nicht passt.
- Nehmen Sie auf Projektpartner auch insofern Einfluss, als Sie einen höheren baukünstlerischen Anspruch einfordern, als es rein marktwirtschaftlich betrachtet von den Partnern als notwendig erachtet wird?
- Wir sagen dem Partner schon, es geht um sein Bürohaus, um seine Identität. Ich sehe den Kunden in der Jury im Driving Seat und sehe mich als Advisor. Das heißt, wir würden durchaus eingreifen, wenn wir empfinden, dass ein Partner auf dem falschen Weg ist. Das machen wir gleichfalls im Leasinggeschäft, wenn wir für Kunden Rundumpakete entwickeln, die zum Beispiel eine Gewerbehalle mit angeschlossenem Büro brauchen. Da sagen wir durchaus, dass es wichtig wäre, zum Beispiel auf das Ortsbild Rücksicht zu nehmen, und unsere Ratschläge werden in diesen Fällen meist auch gut angenommen. Wir erlauben ein gewisses Sendungsbewusstsein und fühlen uns auf alle Fälle ebenso kulturell verpflichtet. So facettenreich sind unsere Überlegungen und wir hoffen, dass wir möglichst oft auf dem richtigen Weg sind, damit am Schluss auch das überbleibt, was man sich erhofft hat.
Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,Oktober 2008

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