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Kommentar von Antje Mayer

Ars Electronica 2002

Kunst ohne Steckdose

Enwezor lässt grüssen: Die Ars Electronica 2002 im österreichischen Linz (von 7. bis 12. September) hat ihr Programm heuer, so scheint’s, auf die documenta XI in Kassel abgestimmt.
„Unplugged“ („Nicht angeschlossen“) so der Titel der inzwischen bereits zum 21. Mal stattfindenden Ausstellung für Medienkunst, geht laut Programmfolder, „von der Faktizität einer global vernetzen Welt aus, der sich auch fern der dominanten Kapitaltriade USA-Europa-Japan, niemand entziehen kann, unabhängig davon, wie weit man von der nächsten Steckdose entfernt sein mag.“
Während die letztjährige Ars Electronica eher den Eindruck eines großen, künstlerisch eher mäßig ambitionierten, Spielsalons abgab, bemühen sich die Kuratoren Christine Schöpf und Gerfried Stocker heuer offensichtlich wieder um mehr Tiefgang.
Neben der obligatorischen Präsentation der Einreichungen für den „Prix Ars Electronica“, zeigen sie Netzprojekte, Installationen, Performances von rund 280 eingeladenen Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen aus 20 Nationen, darunter diesmal eben auch „unter Saft stehendes“ aus Indien, Afrika oder China. Die Frage nach dem politischen Moment von Kunst und Medien soll heuer gemeinsam mit Wissenschaftlern und Experten im Internet unter www.aec.at/unplugged und auf einem Symposium diskutiert werden. Und als künstlerischer Schwerpunkt wird der, von Jay Rutledge (Popmusikexperte und Journalist) kuratierte „Urban Africa Club“ mit gesellschaftskritischen Rap, Hip Hop und Electronic Pop installiert.
Die diesjährigen Beiträge der Dritte Welt Länder sind jedoch, wie nicht anders zu erwarten, ihrer Herkunft nach vorwiegend urban und somit aus einer nicht mehr oder wenig global angepassteren Kultur, als USA, Europa oder Japan. Auf Inputs aus diesen Ländern, die das Festival weiterhin dominieren, konnten die Kuratoren Schöpf und Stocker dann freilich auch nicht verzichten. So dürfte auch weniger die Herkunft der jeweiligen Projekte von Bedeutung sein, als vielmehr, wie sie die neuen Technologien nutzen.
Kurator Gerfried Stocker meint jedenfalls, dass die neuen Medien vorwiegend kapitalistisch geprägt seien, sich weder offen und sozial gebärdeten und ihre Möglichkeiten längst noch nicht ausgeschöpft haben. Seine Hoffnung: Die politisch engagierten und künstlerischen Alternativstrategien, die derzeit vor allem von der jungen Generation entwickelt würden, etwa als Reaktion auf 9/11 und die Protestbewegungen von Seattle bis Genua.
Klingt gut. Auf dass die Ars Electronica 2002 über den Tellerrand der eigenen Elektronischen Gesellschaft blicke und nicht nur feststelle, dass der Teller größer geworden ist. Eine mögliche Vision beinhaltet der Titel „unplugged“ immerhin schon: Stecker raus und endlich Ruhe.



erschienen in Kunstzeitung Nr.73/Sept.02,S.23