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Kommentar von Manuela Hötzl

Architektur der Lehre

Bildungs- und Schulbauten in Österreich

Der „Ernst des Lebens“ beginnt mit dem Eintritt in die Schule. Dieser antiquierte Ausspruch impliziert nicht nur den Verlust des Spieles, den der Schulalltag begründet, sondern den Verlust einer Freude an sich, die damit dem Lernen als Erfahrung anhaftet und auf die reine Pflichterfüllung reduziert wird. Auch sonst verbindet man mit Schule nicht nur angenehmes, - aber immer essentielles, etwas dem man sich als Erwachsener nicht entziehen kann. Schule bedeutet in jedem Fall die Erfahrung eines abgeschlossenen Systems, der man als junger Mensch mehr oder weniger ausgeliefert ist. Für die Architektur ist der Schulbau immer eine Herausforderung gewesen - begründet auf die Beeinflussung erster räumlicher Erfahrungen – wenn auch in anderen Maßstäben. Architektur & Bauforum stellt sechs Schulen im ländlichen Österreich vor, die so unterschiedlich sie in Größe, Raumprogramm und Bautechnik sind, sich doch in einem Punkt vergleichen lassen: Der Typus Schule ist als öffentliche Institution immer noch ein sozial geschlossenes System.

„Meine eigene Volksschule war ein Bau aus der Gründerzeit....Die Klassen waren hell und freundlich, es roch nach Linoleum und Schulkakao. Das Stiegehaus erschien mir damals geradezu gigantisch – während der Stunde allein ins nächste Stockwerk geschickt zu werden, hatte etwas von einem Abenteuer.“ - Christian Kühns Eindrücke aus der Schulzeit lassen sich individuell ergänzen und erweitern, eines zeigen sie aber deutlich: Schule reduziert sich räumlich auf Klassen und Gänge, auf Dimension und Raum. Pausenhof und Turnsäle sind in dieser Struktur die einzige Unterbrechung. Architekt Franz Cziharz beschreibt das in "Schule und Architektur" aus der Steiermark so: "Wer sich an seine Schulzeit erinnert, denkt .... also hauptsächlich an Stimmungen und zwischenmenschliche Beziehungen - immer aber auch vor dem Hintergrund einer geradezu körperlich spürbaren Erinnerung an das Schulhaus." An diesen Erinnerungen hat sich bis heute nicht viel geändert. Seit 1971 das erste Schulentwicklungsprogramm des Bundes beschlossen wurde, gibt es zwar in den Ländern und der Stadt Wien viele gute Beispiele architektonischer Lösungen, auch mit pädagogischen Hintergrund, von dem strikten und wenig flexiblen Raumrpgrammen konnte sich kaum eine Schule lösen und neue Vorschläge positionieren. Cziharz: "Kaum ein Bauwerktypus ist heute so sehr durchstandardisiert und derart rigide durch Richtlinien aller Art geprägt wie das "normale" Schulhaus in seinen, insbesondere höheren, das heißt übergeodneten Gebietskörperschaften überantworten, organisatorischen Erscheinungeformen."
Damit ist alles gesagt. Die verkorkste Verwaltung des Schulbaus ist nicht bereit, und organisatorisch nicht fähig, nach individuellen, sozialen oder infrastrukturell differenzierten Methoden zu suchen. In "Das neue Schulhaus in Wien" (1996) versucht der Pädagoge Peter Posch vom Standpunkt des Lehrers einen offeneren Zugang zu initieren: "Für die Nutzung einer Schule als kulturelles Zentrum gibt es nicht nur wirtschaftliche Interessen, sie hat auch wesentliche Auswirkungen auf die Qualität des Lehrens und Lernens." Peter Posch führt als Beispiele eine "Zentrale Schulbibliothek", externe Abendkursbesucher, Freiplätze und Präsentationsräume an, die eine Möglichkeit der Kommunikation zwischen innen und außen bieten könnte. Diese Anregungen des Pädagogen darf man als Architekt ruhig weiterverfolgen. Die Schule ist ein Biotop, das wenig auf äußere Einflüsse reagieren kann. Das fängt schon bei Themen wie Ganztagsbetreuung an und hört bestimmt nicht bei Integrationsklassen auf. Solange Schulen in ein Raumprogramm gezwängt werden, dass keine soziale oder infrastrukturelle Flexibilität bietet, wird die Qualität zwar punktuell verbessert, eine Vision für die Zukunft ist dennoch ausgeschlossen. Es wird schon an grundsätzlichem gespart - wie man mit Schule und Bildung als wichtiges öffentliches Instrument, in städtischen oder ländlichen Gefügen umgehen könnte, wäre ein Schritt in diese Richtung. Das derartige Ansätze im allgemeinen rezessiven Bildungsprogramm nicht realisierbar sind, liegt hauptsächlich an der verwaltenden Behörde. Diese versucht mit ihren eingeschränkten Mitteln immer das beste daraus zu machen - ist aber nicht in der Lage sich nach neuen Modellen umzuschauen - so wären auch in diesem Bereich "public-privat-partnership" anzudenken. Dann ginge es nicht mehr um die Situierung der Klassen oder offene, lichtdurchflutete und angenehme Raumfolgen zu kreieren, sondern ein Umfeld mitzugestalten, das im Zusammenhang mit Schule in Verbindung gebracht werden könnte. Dies würde dann nicht mehr die Schule an sich betreffen, sondern Betreuungsstätten, kindergerechte Freizeiteinrichtungen oder Bildungssysteme im allgemeinen. Arbeiten, Wohnen, Einkaufen .... immer mehr Durchmischung von Funktionen wird versucht - warum nicht auch Individallösungen, die (die) Schule macht?



veröffentlicht in Architektur&Bauforum