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Kommentar von Antje Mayer

Boycott - Prague Biennale I (noch bis 31.8.)

Prague Biennale I –Bericht (bis 31.8.)

Das Wort „Biennale“ evoziert spätestens seit der Venedig-Pleite bei Kunstsinnigen inzwischen eine ähnliche körperliche Reaktion, wie bei Kindern das Wort „Spinat“. „Igitt, nicht schon wieder der Brei“. So erfreute sich dann auch ein simples Kunstprojekt während der Eröffnungstage der ersten Prague Biennale „The Peripheries Become the Center“ im Veletržini Palast der National Galerie Prag (27.6. bis 31.8.) bei Besuchern und Teilnehmern auffällig großer Beliebtheit: Nämlich das T-Shirt mit der Aufschrift: „B + B Boycott Biennale“, das die portugiesischen Künstlerin Paula Roush (Jahrgang 1965) designte.

Eine „documenta des Ostens“ haben Raumgeber Milan Knížák, (Direktor der Prager Nationalgalerie) und die Flash Art-Magazin-Macher Giancarlo Politi, Helena Kontova so wie 30 Jungkuratoren mit der Prague Biennale zwar nicht hingelegt. Wahrscheinlich auch nicht das Kunstevent des Jahres produziert, wie jene es hellseherisch im Vorfeld selbst vorauszusehen vermochten, aber eine saubere Präsentation des internationalen Künstler-Nachwuchses aus Osteuropa und Umgebung (knapp 230).

Dass so viele Italiener mit von der Partie sind, dürfte entweder an der Tatsache liegen, dass dieses Lande derzeit vor kreativem Potential nur so strotzt oder an der Herkunft der Veranstalter. Zweiteres dürfte nach eingehender Studie der Arbeiten wohl der Wahrheit am nächsten kommen.

Dass die Prague Biennale 1 (Parole: Mit nur 100.000 Euro Budget! An ethical approach to art.“) mehr zur einer Art Lobby-Veranstaltung als zu einer halbwegs objektive Schau junger zeitgenössischer Kunst mutiert sein könnte, war dann auch das Gesprächsthema unter erzürnten Künstlern auf der Vernissage-Party vergangenes Wochenende.
Die große Zahl von Italienern sei auffällig, ärgerten die sich. Auch sei es sicher kein Zufall, dass gerade, zeitgleich zur Biennale und optisch wie logistisch nicht abgegrenzt, eine Schau tschechischer Kunst der vergangenen zehn Jahre präsentiert werde („Nejmladši“ sinngemäß übersetzt „Die Jüngsten“ bis 27. September, Kurator: Milan Knížák, Tomáš Vlèek und Jiøí Valoch). Ein Großteil der Projekte seien nämlich angeblich von Knížák-Schülern. Was nehme es Wunder, feixten die Prager. Der Selbstdarsteller Knížák sei nicht verlegen, so erfuhr man, mit dem ohnehin knappen Ankaufsbudget der Prager Nationalgalerie immer wieder Arbeiten seiner eigenen Studenten anzukaufen.

Wie auch immer. Die erste Prague Biennale rühmt sich damit, auf das bekannt veraltete Konzept von Länderpavillons zu verzichten. Stattdessen setzte man alle nur denkbaren thematischen und ethischen (?) Schwerpunkte, die die Kuratoren, teilweise dann doch nur mit Künstlern aus einem Land in wechselnden Teams bearbeiteten.
Luca Beatrice, Lauri Firstenberg und Helena Kontova spürten etwas den neuen Trends in der Malerei nach („Lazarus Effekt“) und fanden, wie’s schien, vor allem die Tendenz zu einem einzigen Trend. Der Tscheche Michael Kolecek führte Arbeiten zusammen, die sich mit der Identität Zentraleuropas beschäftigen („Mission possible“). Ekaterina Lazareva präsentierte viele gute Russen („Overcoming Alienation“), Julieta Gonzalez Projekte zum Thema Mobilität und Diaspora. Dass der polnische Kurator Adam Burak so viele auffallend gute Arbeiten aus Polen nach Prag brachte, spricht entweder für Burak oder für einen kreativen Hype sondergleichen in diesem Land. Der über 550-Seite starke Katalog hilft bei der Spurensuche nach dem einen oder anderen sehr großen Talent in Prag, nach dem man in Venedig angestrengt suchen musste.

Dass diese wenig aufeinander abgestimmten „Schwerpunkte“ aber letztendlich für den Besucher -wahrscheinlich aus Zeit- und Geldmangel- in Prag gar nicht kommuniziert werden, ist das Angenehmste an der neuen Discount-Biennale. Wie in guten alten Zeiten! Sich auf die Kunstwerke konzentrieren, die für sich selbst sprechen, ohne kuratorische Prothese und Handbuch. Wenn das nur mal kein Zufall ist!



erschienen im Informationsdienst Nr.280/Jul.03
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