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Kommentar von Antje Mayer

Aus dem Elfenbeinturm auf den Thron des KHM

Das österreichische Kulturministerium hatte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" inseriert, selbst in der "International Herald Tribune".

Monatelang wurde händeringend nach einem Nachfolger für Wilfried Seipel gesucht, den schon in Bälde, Anfang 2009, scheidenden Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien.
"Eine Persönlichkeit mit hoher internationaler Reputation“ sollte der neue Mann an der Spitze dieses Riesenmuseumskomplexes nebst Volkskunde- und Theatermuseum sein, mit „langjähriger Erfahrung in der Leitung eines Museums oder einer vergleichbaren Kulturinstitution". Kulturministerin Claudia Schmied castet in ganz Europa und verhandelte monatelang hinter den Kulissen. Die kolportierten Bewerberlisten in den Medien lasen sich wie das Who-is-who der Museumswelt.
Und jetzt das?! Kein Nachfolger, sondern eine Nachfolgerin! Eine Frau! Eine, die sich nicht einmal um die Stelle beworben hatte. Sabine Haag, 46 Jahre, drei Kinder. Keine Who-is-who-Dame, niemand mit langjähriger Erfahrung als Museumsdirektorin, sondern eine Kuratorin aus dem Haus, keine, die sich für die erfolgreichen Publikumsrenner dort verantwortlich zeichnete, sondern eine Elfenbeinspezialistin. Eine im „Elfenbeinturm“ (Krone)?
Ihre Auslandserfahrungen beschränkten sich auf ein Jahr Kalifornien nach der Matura (Abitur). Seit Ende ihres Studiums der Anglistik, Amerikanistik und Kunstgeschichte in Innsbruck und Wien, 18 Jahre lang, arbeitete sie ohne Unterbrechung im KHM. Immerhin: Wissenschaftlich hat sie sich international profiliert, auch scheint sie nicht ganz ohne Ehrgeiz: Seit 2007 ist sie Direktorin der KHM Kunstkammer.
Klingt alles andere als charismatisch und dynamisch, eher nach dem Gegenteil, irgendwie ziemlich brav, aber nach einer praktikablen Lösung. Praktikabel nach innen. Denn Haag ist im Haus beliebt, eine Teamplayerin, keine Stutenbissige, kein eitler Pfau wie ihr Vorgänger. Sie wird ihre“ Königinmacherin“ Claudia Schmied sicher nicht mir unangenehmen Budgetforderungen nerven. Ob praktikabel nach außen –zeitgenössisch orientieren, potente Sponsoren ködern, international kommunizieren, mehr Publikum werben-, wird sich zeigen.
Aber vielleicht können nur so Frauen heutzutage Karriere machen, indem man sie keine klassische Karriereleiter hinaufklettern lässt, sondern fähige Frauen einfach hinaufhievt. Ironie: Schmied, ursprünglich Finanzexpertin, wurde ja selbst auf ähnliche Weise von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer über Nacht an die Spitze des Kulturministeriums berufen.
Wer es übrigens schon immer wusste, ist selbstredend Wilfried Seipel, der nun prahlt: "Sabine Haag ist von mir eingestellt worden, sie ist eine ausgezeichnete Mitarbeiterin." Männer sind eben einfach unersetzlich.



Dieser Text ist erschienen in der Kunstzeitung Nr. 7/2008
Kunstzeitung - Kunsthistorisches Museum -