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Kommentar von Manuela Hötzl

Auf´s Land schauen

Länderschau: Architektur aus Österreich in Venedig und Peking

Länderschauen sind obsolet – so scheint es – und so meint es selbst der diesjährige Venedig Biennale-Kommisär für Österreich Wolf Prix im Interview mit dem Standard (5./6.8.2006). Aber warum eigentlich? Mehr denn je ist die (erneute) Suche nach nationalen Identitäten in globalen Nebel gefragt und länderspezifisches Marketing immer mehr auf politischer Ebene interessant. Politisch instrumentalisiert wird in einer globalisierten Kulturwelt das Land mit Namen verkauft. Für Österreich: Mozart oder Freud. Warum nicht auch Prix und Hollein? Zwei Beispiele.

Die zwei Ausstellungen: "Sculptural Architecture in Austria“, (7. bis 23. August in Peking; 14. Oktober bis 23. November, Guangzhou) und "STADT = FORM RAUM NETZ" (10. September bis 19. November in Venedig) thematisieren „Architektur aus Österreich“. Die zwei Kuratoren hat Staatssekretär Franz Morak bestellt: Hans Hollein und Wolf D. Prix.

Peking_Schau
Hans Hollein, ist schon fast ein halbes Jahrhundert mit Ausstellungskonzepten beschäftigt. 1963 stellte Hollein mit Walter Pichler gemeinsam in der Galerie nächst St. Stephan in Wien utopische Architekturmodelle aus. Im Katalog veröffentlichte Pichler sein Manifest "Architektur", nach der gleichnamigen Ausstellung. Hollein´s Manifest „ALLES IST ARCHITEKTUR“ wurde 1968 in der Zeitschrift „Bau“ publiziert. Der Text endet mit: „Alle sind Architekten. Alles ist Architektur.“ Realisiert hatte Hollein bis dahin den „Retti Kerzenladen“ (1966) und die „Christa Metek Boutique“ (1967).
Ausstellungen, wie „Tod“ (Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach 1970) oder „Papier“ (Design-Center, Wien, 1972) folgten. Die Biennale und Venedig prägte Hollein seit 1978 fast ungebrochen bis heute. 1978 - 1990 war Hollein österreichischer Kommisär für die Biennale der bildenden Künste in Venedig, von 1991 - 2000 war er auch österreichischer Kommisär für die Architekturbiennale in Venedig, davon 1996 auch Direktor der Biennale. 2006 ist er nun wieder vertreten – mit dem Projekt „Flugzeugträger“ aus dem Jahr 1964. Doch davon später.
Seit August 2006 zeigt Hollein als Kurator eine umfassende Österreich-Schau in China. Die Staatssekretär Franz Morak laut Presseaussendung so kommentiert: "Dieses Projekt ist Teil der Bemühungen der österreichischen zeitgenössischen Architektur in der Welt höchstmögliche Präsenz zu verschaffen", so Morak. Präsenz wurde mit dieser Ausstellung eindeutig geschaffen. Dort, in China, wo man auf den großen Markt hofft, dort wird auch groß aufgetischt. „Alles ist Architektur“ – oder zumindest „Alles ist miteinander verbunden“: Kurator Hans Hollein erzählt eine Geschichte des formalen und skulpturalen Österreich.
Zeitgenössische Architektur, wie ein Einfamilienhaus von Caramel architekten, wird in einen einem großen historischen Bogen vom Stephansdom bis zum Sanatorium Purkersdorf eingebettet. Da bleibt nichts und niemand unerwähnt: Johann Bernhard Fischer von Erlach, Johann Lucas von Hildebrandt, Otto Wagner und Josef Hoffmann, Adolph Loos, Günther Domenig, Gustav Peichl, Delugan-Meissl Associated Architects, Splitterwerk und natürlich Coop Himmelb(l)au und Hans Hollein – um nur einige zu nennen – werden in das globale „Phänomen der „Sculptural Architecture““ aufgenommen, das die „Entwicklung einer skulpturalen Ausdrucksform und freien Dreidimensionalität in der Architektur des Raumes“ - laut Hans Hollein- darstellt: Gut investiert, Herr Morak. Wie direkt sich diese Präsentation, die vor allem das Kulturland Österreich mit dem Architekturaspekt erweitert, sich auf die Auftragslage der Architekturbüros auswirkt, bleibt abzuwarten. Vielmehr scheint weniger ein zukunftsträchtigen Markt angesprochen, sondern potenzielle Architekturtouristen. Der Satz im Text von „Alles ist Architektur“ hat sich schließlich auf politischer Ebene manifestiert: „Unter den verschiedensten Medien, welche heute unser Verhalten und unsere Umgebung definieren - als auch als Lösung bestimmter Probleme - ist «Architektur» eine Möglichkeit“.

Venedig-Schau
Unter dem Thema „Stadt, Architektur und Gesellschaft" (Cities.architecture and society) steht die diesjährigen Biennale in Venedig. Direktor Richard Burdett, Professor für Architektur und Städtebau an der London School of Economics und Autor etwa von "The Coolest City.“ In der Publikation Metropolis Now!, widmet sich den 50 Prozent der Erdbevölkerung, die mittlerweile in Städten wohnt. Zeitgenössische „urbane Denker (und deren Gedanken) von Jane Jacobs, Aldo Rossi, Saskia Sassen bis zu Rem Koolhaas sollen dort ebenso repräsentiert sein, wie ein neues interdisplinäres Arbeiten über Designfragen hinaus, Stadtforschung und urbane Interventionen sollen eine Debatte der realen physikalischen Stadtstruktur gegenübergestellt werden.
Der Beitrag im Österreich-Pavillon wird von Wolf D. Prix kuratiert. Auch Prix und Swiczinsky mussten nach der Gründung des Büros Coop Himmelb(l)au 1968 lange auf eine Realisierung warten. Erst 1988 wurde der Dachausbau Falkestraße verwirklicht. Auch sie zeichneten, performten und manifestierten sich davor mit Statements „Am Anfang war die Stadt“ (1968) und schließlich mit „Architektur muss brennen“ (1980). Im 2005 erschienen Buch „Get of my clouds“ (Hatje Cantz) finden sich auch die Statements „Unser Thema ist das Leben in der Stadt. Das hat mit Städtebau überhaupt nichts zu tun“ oder „Die Stadt ist wie ein Wolkenfeld“.
Jahrzehnte später, hat Wolf D. Prix nun wieder als Kurator die Gelegenheit zum Thema Stadt Stellung zu beziehen. Mittlerweile Professor an der Universität für Angewandte Kunst und mit Großprojekten wie der Europäischen Zentralbank.
Mit der Ausstellung "STADT = FORM RAUM NETZ" strebt Prix nun eine „spezifisch österreichische“ Lösung an. Diese heißt: Form, Raum und Netzwerk und wird symbolisch verkörpert von Hans Holleins Projekt "Flugzeugträger", der Entwurf einer "Raumstadt" von Friedrich Kiesler und dem „Networker“ Gregor Eichinger, der eigens für die Biennale ein Netz-Projekt entwickelt. Behauptet wird: Das sind die „Bausteine“ einer Stadt – zumindest thematisch. Das „österreichische“ daran: „In der Thematisierung dieser Begriffe wird auf Arbeiten österreichischer Architekten verwiesen, in denen die jeweils zeitgenössische Architekturdiskussion zu prägnanter Anschauung gelangte. Darüber hinaus erörtert diese Auswahl aber auch das Spektrum der Möglichkeiten des Landes Österreich. Es ist die Beschreibung seiner Kultur anhand von drei Beispielen, die als paradigmatische Versuche gelten können, die Stadt mit Hilfe eines prägnanten Bildes in ihrer Mechanik zu verstehen und ihre spezifische Wirkung zu begreifen.“
Nun ist das Publikum in Venedig ein anderes Publikum als, etwa in Peking, zu erwarten. Welche Positionierung erlangt Österreich damit? Friedrich Kiesler und Hans Hollein können dort doch nur den Mozart spielen, eine Neuaufführung, neu inszeniert und mit einem Netzwerkprogramm aufgefrischt.
Vergleicht man aber den historischen Abriss von Holleins Chinaausstellung, erlangt das "STADT = FORM RAUM NETZ"-Konzept die Wirkung des „Minimi“ von Dr. Devil in „Austin Powers“. Doch ist diese rückgewandte Stadtvision gleichzeitig ein genaues Abbild eines österreichischen Urbanitäts-Manko. Bewusst oder nicht – taucht damit auch die Verweigerung einer Auseinandersetzung auf, die sowohl auf architektonischer, wie politischer Ebene eindeutig ist. „Autoritäre Systeme vertragen keinen Widerspruch“, darf man nochmals aus „Get of my clouds“ zitieren.
Eine Wiederholung von formalen Ansprüchen, auch wenn sie thematisch aufbereitet sind, ist reines Markting mit Altbekanntem. Die Ausstellung „Rock over Barock“, die erneut in Venedig gezeigt wird, ist die perfekte Ergänzung dafür. Nun, schließlich, gehen auch die Rolling Stones 2006 auch wieder auf Tour. Und doch hat sich etwas verändert, seit 1968.



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