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Kommentar von Antje Mayer

AA Bronson’s Totenandacht in der Secession

„Ein Traum, kristallklar, in dem ich Jorge und Felix Lebewohl sage, aus dem ich mit dem Geräusch tiefen Schluchzens erwachte. Zuerst Felix ... dann kam Jorge“, schrieb der kanadische Künstler AA Bronson am 14. Juni 1999 in sein Notizbuch. „Ich sollte die Beschreibung dieses Traumes auf ein Tischtuch siebdrucken.“ 1,66 mal 1,43 Meter groß, in Leinen, hängt dieses derzeit in der Wiener Secession. Gewidmet -bis zum 26. November- dem Künstler AA Bronson (Jahrgang 1946), dem letzten Überlebenden der Künstlergruppe General Idea, die erste Einzelausstellung in Europa.

Zu sehen sind, passend zur trüben Herbstzeit, Arbeiten, die um die Krankheit und das Sterben seiner zwei Freunde und Künstlerkollegen, Jorge Zontal und Felix Partz, kreisen. AA Bronson arbeitete und wohnte mit ihnen seit 1969 in New York und Toronto zusammen, bis sie beide 1994 innerhalb von nur fünf Monaten qualvoll an AIDS starben.

AA Bronson konnte das schnelle Dahinsiechen seiner Geliebten nur hilflos mit Kamera und Stift dokumentieren, wobei sich AA Bronson dieses Jahr entschied, diese intimen Protokolle des Todes in der Secession zu zeigen. Auf einem besonders ergreifendem Foto sieht man einer seiner Freunde, Felix Partz, auf Kissen aufgebahrt, bis auf das Skelett abgemergelt, mit totenkopfartigen Augenhöhlen, fratzenhaft aufgerissenen Augen und Mund, umringt von seinen Lieblingssachen, buntem Banalen wie TV-Fernbedienung, Kassettenrecorder und Zigaretten. Er scheint zum Betrachter zu sprechen, indes: zu diesem Zeitpunkt ist Felix Partz schon einige Stunden tot. „Seine Augen konnten nicht geschlossen werden, es war einfach nicht genug Fleisch am Knochen übrig geblieben“, erklärt AA Bronson. Die Ausstellung des ungewöhnlichen Totenbildes in Wien, dürfte ihm freilich nicht leicht gefallen sein: „Lieber Felix, indem ich dieses Bild in dieser Ausstellung zeige“, entschuldigt er sich post mortem, „gebe ich Dich der massenmedialen Welt von General Idea zurück, um dort ohne mich zu wirken.“

General Idea konfrontierte in ihrer 26jährigen Zusammenarbeit die Öffentlichkeit immer wieder mit gesellschaftlichen Tabuthemen, wie der Homosexualität („Drei kopulierenden Pudel“) und inszenierte den Fetischcharakter der Konsumwaren ironisch (Mastercard- und Marlboro-Logo aus gefärbten Nudeln). AA Bronson knüpft durch seine Totenandacht auf makabere Art und Weise wieder an die Pop-Art an. Pop kommt bekanntlich von populär, ist laut, bunt, knallig und werbewirksam: der Tod ist Pop, der Sensenmann ist populär geworden, will AA Bronson sagen.

Indes: der Tod läßt sich zwar vortrefflich vermarkten, das wissen wir nicht erst seit Benetton-Werbung und George Bush, als Ready Made freilich irgendwie nicht so recht verkunsten. Ein Blick an einem ganz gewöhnlichen Tag in die Medien macht auch AA Bronson klar, die massenmediale Realität hat die Kunst von General Idea längst überholt. So klingt AA Bronson Gedächtnis derweil gar nicht mehr so popig: “Wir müssen uns daran erinnern, dass die Toten unter uns sind. Sie sind ein Teil unserer Gemeinschaft, unserer Geschichte, unserer Kontinuität.“



erschienen in Kunstzeitung Nr.51/Nov.00,S.24
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