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Kommentar von Antje Mayer

Antje Mayer über Phantastisches und Verzichtbares in 2004

Wie ich mit Freuden sehe, kommen gleich zwei Ausstellungen des MUMOK in diesen Charts vor. Genau, finde ich auch. Das Kunstjahr 2004 war das des MUMOK. Nicht absolut, aber relativ. Offensichtlich hat das Haus endlich das schwere Erbe von Ex-Direktor Lorand Hegy verdaut. Das Crossover von Kunst zu Video, Musik und neuen Medien geht auf und schließt eine Lücke in Wien. Lieber Frau Gehrer, verlängern sie endlich den -Ende 2006 auslaufenden- Vertrag von Direktor Edelbert Köb! Er macht seine Arbeit gut. Gehen Sie lieber ab und zu in eine seiner Ausstellungen, anstatt nur die Besucher zu zählen. Wie wär’s mit dieser kleinen, äußerst feinen Schau im MUMOK: „John Cage“ (geht noch bis 13.2.2005), in der die Beziehung des Komponisten zur bildenden Kunst mit Hörbeispielen und Videos gezeigt wird. Phantastisch. Ein Platz in den Charts, vorne, wäre mehr als verdient.

Dass die Kunsthalle und die Secession heuer nicht dabei sind, wundert keinen, oder? Wir wissen ja, dass sich das eine Haus, die Secession, zur Kompliziertheit bekennt und das andere, die Kunsthalle, zur Popularität. Muss man es jedoch derart raushängen lassen? Ich finde nein. Die „Arschloch“-Ausstellung von „Juergen Teller. Ich bin vierzig“ in der Kunsthalle war der absolute Tiefpunkt des Ausstellungsjahres 2004. Ein Rektroskop in das krachledernde Innere eines vierzigjährigen deutschen Mannes, der sehr viel Geld mit dem verdient, was er laut Katalogtext mit seiner Fotografie angeblich „kritisch hinterfragt“. Verlogen. Angepasst. Verzichtbar.

Gut, dass es den Kunsthalle wien project space am Karlsplatz gibt. Dort passieren derzeit spannendere Sachen als in der Secession gegenüber und im Haupthaus der Kunsthalle zusammen. Sonst finde ich die Reihung durchaus angemessen, auch wenn deren Schöpfer sich als Feinspitze outen. Wie könnte es bei Falter-Autoren auch anders sein, weit entfernt vom Massengeschmack, aber eben auch den Liebhabern sinnlicheren Kost -wie ich es bin- nicht besonders nahestehend. So möchte ich „Die Flämische Landschaft“ in KHM jedenfalls weiter vorne gereiht wissen und unbedingt noch die kleine Schau in der Galerie Lisa Ruyter erwähnen, die nur vier! Bilder der in New York lebenden, weltweit sehr, nur nicht in Wien bekannten, Malerin Cecily Brown (*1969) zeigte.

Aber bevor ich nun an diesem Platz naseweiß Ausstellungen in kleinen Galerien aufführe, die die Hälfte der Leser ohnehin nicht gesehen haben, möchte ich das Ausstellungsjahr 2004 in Wien so zusammenfassen: Danke, dass ich so viele Stars der Kunstgeschichte in Wien so umfangreich im Original sehen durfte: Dürer, Rembrandt, gleich vier Mal Rubens (Albertina), Bacon (KHM), Goya (Leopold). Aber wo war das Außergewöhnliche und Mutige der Institutionen, die traditionell eher für Jüngeres oder Zeitgenössisches stehen: Secession, Kunsthalle, MAK oder Bawag Foundation? Vorauseilender Gehorsam? Fehlende Ideen? Schlechte Konzepte und Kuratoren? Ein großes Kompliment hingegen an die Wiener Galerien, die, wie in guten alten Zeiten, mit kleinen, aber hervorragenden Ausstellungen das Ruder wieder übernommen haben. Auf Galerien-Vernissagen gehen lohnt sich wieder! Schlechter Wein, gute Kunst.

Die Falter-Jahrescharts

1. X-Screen Mumok
Warhol, Export und Co.: Überfälliger Rückblick auf die großen Zeit des Kino-Kunst-Crossovers.

2. Franz Kapfer
Galerie Hohenlohe & Kalb
Wer wagt gewinnt: In diesen Skulpturen sprechen Italiensehnsucht, Männerkrämpfe und antike Mythen.

3. Dass die Körper sprechen, auch das wissen wir seit langem **
Generali Foundation
Eine Schau über die Beredsamkeit des Leibes, analysiert nach kunstgeschichtlichen und philosophischen Kategorien.

4. Werner Reiterer
Galerie Krinzinger
'Ein Hoch auf die Tücke des Objekts, die Komödie des Zufalls, die utopische Kraft des Zeichenstifts.

4. Birgit Jürgennsen
MAK
Im Werk der heuer verstorbenen Künstlerin gibt es noch überraschend viel zu entdecken.

5. Manfred Pernice
Galerie Nächst St. Stephan
Die U-Bahn als Skulpturengarten. Der neue Akademieprofessor verknüpft urbanistische Recherche mit Bildhauerei.

7. Die flämische Landschaft
KHM
Bilder, die den Atem rauben: Fantastischer Tauchgang in die Tiefen der Landschaftsmalerei.

8. The personal is political, und peinlich
Kunsthalle Exnergasse
Kunst mit feministischem Anspruch um die richtige Ecke gedacht.

9. N.I.C.J.O.B
Kunstbuero
So gelungen können Video, Installation, Humor und Militär auf engstem Raum ineinander übergehen

10. "Das Unheimliche"
Mumok
Mike Kelley schreibt die Geschichte der Skulptur neu, indem er deren polychrom-perverse Seite zeigt.



erschienen im Falter
Falter -