Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Kommentar von Antje Mayer

Hansi Hinterseer entwirft Möbel!

Die Segnungen der "Hansi Collection" finden Sie im Versandhauskatalog.

Jennifer Lopez, Victoria Beckham, Madonna und Sienna Miller machen es, sogar Skandalrocker Peter Doherty findet zwischen seinen Drogenräuschen dafür Zeit: eine „eigene“ Modekollektion zu entwerfen, besser gesagt einem Label seinen guten, oder schlechten, Namen nebst ebensolchem Image für ein sehr hohes Honorar zur Verfügung zu stellen. Was internationale Stars können, kann ich schon lange, dachte sich Hansi Hinterseer, der blond gelockte Ewiggrinser der österreichischen Volksmusik und entwarf kürzlich eine Wohnkollektion für das deutsche Versandhaus Quelle. Die Linie nennt sich sinnigerweise „Hansi Collection“ und ist –wie hätte es anders sein können- im schnittig-rustikalen Lederhosenbraun gehalten.
Somit haben wir den Übergang zur „Kulturnation“ Österreich geschaffen. Gerade in der österreichischen Kunstszene sind solche Strategien nämlich weit verbreitete Praxis, wohl nicht zuletzt durch die geografische und sicher auch mentale Affinität des Landes zum Balkan und seinen Bazars. Sprich Handeln und Tausch ist dortzulande nichts Unanständiges. Der Kunstmarkt heißt ja unter anderem Kunst-Markt denken sich offensichtlich viele, weil dort Gewinn versprechenden Strategien des Kapitalismus wie die des Imagetransfers (siehe „Hansi-Collection“) bestens funktionieren. Als Journalistin, die in Österreich arbeitet, kann ich davon ein Lied singen. Angebote wie „Schreiben Sie eine gute Rezension über unserer Ausstellung, dann buchen wir in ihrem Medium auch eine Anzeige“ sind noch die harmlosesten Auswüchse dieses Denkens, dem man –besonders oft im Alpenländle- standhaft zu widerstehen hat.
In jenem Geiste denkt wohl –durchaus besten Willens- auch der Gründer der österreichischen Baumarkkette „bauMax“, Karl-Heinz Essl, der bekanntlich eine private Kunstsammlung von über 6.000 Exponaten und ein eigenes Museum in Klosterneuburg bei Wien sein eigen nennt. Nur andersherum eben. Aber von vorne.
Essl schrieb die Künstler an, die in seiner Sammlung vertreten sind, doch im Vorfeld der aktuellen Jubiläums-Ausstellung „Passion for Art. 35 Jahre Sammlung Essl“ (mit einer Auswahl aus 400 Werken bis 26. August 2007) anlässlich des Feierjahrs dem Haus „künstlerische Geburtstagsgrüße“ zukommen zu lassen. Jedoch keine Kärtchen oder Grußbotschaften waren damit erbettelt, sondern offensichtlich Kunstwerke. Essl dachte wohl, er hätte die vergangenen Jahre immerhin seinen guten Namen als Sammler und den guten Ruf seines Museums für die Künstler hergegeben, sollten die doch einmal was Anständiges zurückgeben. Dabei muss man wissen, dass viele in der Sammlung vertretenen Künstler bekanntlich ohnehin bereits etwas für das gute Image „gespendet“ hatten, indem sie dem bekannt hart verhandelnden Geschäftsmann Essl nämlich Rabatte gewährt hatten, die für sie nicht selten an der Schmerzgrenze lagen.
Tat Essl etwas Ungewöhnliches? Nein. Es ist doch mittlerweile gängige Praxis, dass Künstler ihre Werke einer Sammlung, Institution oder einem Museum schenken, um gezeigt zu werden und so an biographischer Bedeutsamkeit zu gewinnen. Immer öfter mutiert die „freiwillige“ Schenkung zum Finanzierungskonzept vieler Kunstinstitutionen. Während potente Sammler davon einen kapitalen Nutzen haben, gehen Künstler dabei oft leer aus, können sie doch kaum einem Haus diktieren, was mit ihren Werken passiert. Nicht selten verschwinden sie als Wertanlage in den Depots.
Gerade erst verkündete Edelbert Köb, Direktor des MUMOK, er werde Schenkungen von Privatsammlern „von über fünfzehn Millionen Euro (!) und voraussichtlich mehr“ für sein Haus erhalten, mit denen er sein neuestes Projekt, das MUMOK21, bestücken will. (Siehe ID Seite???). Auch Klaus-Albrecht Schröder, Direktor der Albertina in Wien, setzt in Zukunft, wie er kürzlich öffentlich bekannt gab, offensiv auf diese Taktik.
Diktieren die Sammler damit nicht zunehmend die Ausstellungspolitik öffentlicher Häuser? „Ich weiß, es ist eine Gratwanderung, wenn man Sammlungen geschenkt bekommt, denn die Sammler wollen darauf Einfluss nehmen, wie und welche seiner Werke gezeigt werden“, so Köb. „Wir haben in unserem Fall ausverhandelt, nur die Kunstwerke auszustellen, die wir für richtig halten.“ Köb findet an seiner Taktik nichts Verwerfliches: „Achtzig Prozent der deutschen Museen finanzieren sich doch mittlerweile über Schenkungen. Das ist auch ein Trend, der sich derzeit in Österreich durchsetzt, denn der Staat zieht sich leider immer mehr aus der Verantwortung zurück“.
An die Künstler denken bei diesen Deals die wenigsten. Die Vermittlungs- und Finanzierungsstrategien um die Kunst bekommen offensichtlich einen immer höheren Stellenwert als die Kunst selbst. Dass die meisten Galerien bekanntlich fünfzig Prozent des Verkaufspreises als Vermittlungsgebühr vom Künstler verlangen, ist ein weiteres Indiz hierfür. Wenn auf Auktionen und Kunstmessen aktuell horrende Summen für Gegenwartskunst erzielt werden, sollte einen dabei auch immer klar sein, dass ein großer Anteil (sehr viel mehr als die Hälfte) davon nicht an die Künstler selbst geht, sondern an die Beteiligten des Kunstmarktapparats dahinter. Will sagen, dem Kunstmarkt geht es derzeit gut, den Künstler nicht unbedingt besser. Auch Bekanntere hangeln sich oft subventioniert von einem Artist in Residence-Programm zum nächsten. So sollte es wohl in vielen Künstlerbiographien besser heißen: „lebt und arbeit von der Hand in den Mund“. Hansi Hinterseer müsste man sein.



Dieser Artikel ist im Informationsdienst Kunst Nr. 373 am 22.3.2007 erschienen.

Link:Informationsdienst Kunst - Link:Hansi Hinterseer - Link:Quelle.at - Link:Quelle/ Hansi Collection - Link:Albertina - Link:Mumok - Link:Sammlung Essl -