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Kommentar von Antje Mayer

Very british!

Großbritannien: Die coole Phase ist weggeschmolzen

Cool oder nicht cool? Das ist hier die Frage. Der von Tony Blairs Marketingberater einst erfundene Slogan der „Cool Britannia“ war anlässlich des bevorstehenden Milleniumswechsel kaum in die Welt gerufen, schon setzte die globale Rezension in der IT-Branche der Goldgräberstimmung, unter den Design- und Mulitmediaagenturen auf der Insel auch schon wieder ein Ende. Die Mehrzahl der jungen, erst kürzlich zu hunderten gegründeten Büros auf der Insel, waren darüber „not amused“. Ohne potente Auftraggeber die horrenden Mieten für die schicken Lofts in der Londoner City zu zahlen, war dann irgendwie auch nicht mehr so cool. Ein Büro nach dem anderen und die Zulieferbranchen dazu, schlossen ihre Pforten.

Dabei hatten es Ende der Neunziger so gut ausgesehen. Die jährliche Messe „100 % Design“ in London, war neben der Möbelmesse in Mailand zu einem der wichtigsten Impulsgeber der Branche aufgestiegen. Der gigantisch überdimensionierte Millenium-Tower war nahe der neu erstandenen und viel beachteten Dock-City im Werden und zwei globale Ikonen mit reichlich Sexappeal erblickten immerhin in Großbritannien das Licht der Welt: die Spice Girls und Lara Croft. In Scharen rannten die Studenten aus der ganzen Welt die Türen des „Oxford der Designwelt“, des Londoner Royal College of Art, ein, aus dem wiederrum die Autoindustrie annähernd ihr gesamtes Designerpersonal rekrutierte. Vivienne Westwood-Nachkömmlinge wie John Galliano (Dior), Alexander McQueen (Givenchy) und Stella McCartney (Chloe) standen inzwischen den bekanntesten Modehäusern vor. Dieser Hauch Punk (immerhin auch eine britische Erfindung, wie jeder weiß), in den letzten Jahren etwas gezähmt zum „Streetfashion“-Look mutiert, der mit diesem unnachahmlichen britischen Konservativismus ironisch abgeschmeckt war, war bei der vom ausgekauten Pariser Chic gelangweilten Highsociety auf einmal en vogue.

Die natürliche Auslese ließ schließlich nur die Besten im Kampf um die heißumkämpften Spitzenplätze, im immer noch vornehmlich europäisch dominierten Designerolypm übrig, in den in den vergangenen Jahren zunehmend eine immer stärker werdende Konkurrenz drängte: Länder wie Italien besitzen dort sowieso unangefochtenes Gewohnheitsrecht. Frankreich, seit längstem auch Spanien, gefallen neuerlich wieder mit ihrem Savoir vivre classique, und „Neulinge“ wie Holland und die skandinavischen Länder durch ihre unprätentiöse, liberale, weltweit bestens absetzbare Lässigkeit. Die legendäre Einrichtungskette „Habitat“, inbegriff englischen Wohndesigns schlechthin, wurde im übrigen bereits 1995, welche Schmach für die Insulaner, von Ikea geschluckt. Immerhin steht ihr noch ein britischer Art Director vor, der bekannte Designer Tom Dixon, der zusammen mit anderen englischen Stars wie Ron Arad und Jasper Morrison längst unumstößlichen Kultstatus genießt.
Denn nichts desto trotz, es gibt -wie Kenner der Branche verlauten- „Überlebende“ auf der Insel. Das kann wohl nur als britisches Understatement gemeint sein: hochbezahlte Stars wie der Architekt Norman Forster, Designer Michael Young oder Ross Lovegrove, Künstlerdesigner wie „Sensationer“ Damien Hirst oder Kommunikationsdesignbüros wie Tomato, die Liste ließe sich ewig fortschreiben, spielen in der Ober-Oberliga. Nur „wo kreischt der Punk im Schottenrock“? fragt sich die Welt und wartet gespannt, was in den nächsten Jahren über Lara Beecrofts Hotpants hinaus an neuem Input, vor allem im derweil angeschlagenen Bereich Neue Medien, über den Kanal aufs Festland schwappt.

In der Ausstellung „Design for Use“ zeigt das Künstlerhaus Wien, in Zusammenarbeit mit dem British Council von 15. bis 20. März, nun zwanzig Produkte von den 16 führenden Designagenturen.

Die Ausstellung wird im April im Design Zentrum Essen zu sehen sein.



erschienen in Kunstzeitung Nr.67/März 02,S.21