Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Kommentar von Antje Mayer

Aufwärmphase in Bratislava

„Es ist so schade!“, bedauert die junge slowakische Kuratorin und Kunsthistorikerin Maria Riskova (27). „Bratislava und Wien sind sich so nahe, und wir machen fast nichts gemeinsam.“ 58 Kilometer, nicht einmal eine Stunde Autofahrt inklusive Grenzkontrollen, ist die slowakische von der österreichischen Hauptstadt entfernt. Fast stündlich fährt ein Zug vom Wiener Südbahnhof Richtung Osten und retour, aber die trennende Grenze hat sich festgeschrieben in den Köpfen beider Länder. Erst jetzt, nach über zehn Jahren der Öffnung, werden zaghafte Annäherungsversuche unternommen. Die hatten sich seitens der Slowaken bisher auf Shoppingtrips zu H&M nach Wien beschränkt, seitens der Österreicher auf billige Hospodabesuche bei Bier und Knedleki. „Trotz allem, ich denke, die Aufwärmphase hat endlich begonnen,“ freut sich die umtriebige Riskova.

Bratislava macht mobil, so scheint’s. Mit seinen 450.000 Einwohnern ist Pressburg (deutsch für Bratislava) nicht einmal halb so groß wie Wien. Dennoch etabliert sich dort momentan eine junge Generation, die vorwiegend in den Siebzigern das Licht der Welt erblickte, engagierter Künstler, Kunstkritiker und Kuratoren, die der Kunstszene in Bratislava gerade ein Leben einhauchen, das an urbaner Qualität jedem Vergleich standhält.

Allein weit über ein Dutzend slowakischer Hochglanzmagazine zu aktueller Kunst, Architektur, Design und Kunsttheorie findet man in den Büchergeschäften der Stadt aufliegen. Immerhin annähernd vier Galerien in Bratislava -vor ein paar Jahren noch undenkbar- zeigen inzwischen regelmäßig zeitgenössische Kunst: Das avancierteste Programm fährt mit Abstand immer noch die 1999 gegründete Galerie “Priestor”, gleich gefolgt von der „Open Gallery“, ehemals Soros Foundation. Auch das Ausstellungslokal „Medium“ der Akademie für Angewandte Kunst und Design denkt in letzter Zeit um und immer häufiger traut sich an junge Kunst selbst die ehrwürdige Galerie der Stadt Bratislava.

Wer sich ein Bild vom regen Kunstleben in Bratislava machen will, fahre am besten auf einen Tagestrip, an einem Freitag und mit dem Zug dorthin. Ein paar Gehminuten nämlich vom Hauptbahnhof entfernt, in einem kleinen Wohnhaus, versteckt in der kleinen, dunklen Cajakova-Gasse 11, befindet sich der Geheimtip der Stadt, der freitägliche Kunstclub „BuryZone“ (www.buryzone.sk). Jeder darf dort rein. Der strengen Gewerbehörde wegen, muß jedoch jeder das Eintrittsritual über sich ergehen lassen: Klingeln, Warten und Gesichtskontrolle. Underground braucht Disziplin. Man hat seine Lektion im Sozialismus gelernt. Dort trifft man alles, was Rang und Namen hat in Bratislava: Junge Künstler, Journalisten, Theoretiker, Elektronik-Musiker und Kuratoren. Kaum zu glauben, wieviel Menschen in eine so kleine Wohnung passen. Bei billigem Wodka, Bier und Salzstangen wird dort alle drei Wochen eine neue Ausstellung eröffnet, die von Maria Riskova, der Initiatorin des Clubs, kuratiert wird. Zusätzlich gibt es Lesungen von Futurologen, Musikevents und natürlich jede Menge Partys. „Wir sind allem offen gegenüber, das nicht als Kunst im klassischen Sinne daherkommt, sondern unter der Überschrift ‚Kultur und Gesellschaft’ zu subsumieren ist“, erläutert Riskova enthusiastisch ihr einschlagendes Programm. „Und: wir zeigen ausschließlich junge Künstler. Die einflußreichen Sechziger-Jahre-Dogmatiker bei uns gehen uns die längste Zeit auf den Geist.“ Dann wird Maria Riskova sehr ernst: „Die slowakische Kunstszene ist immer noch eine tiefe, dunkle Höhle“, und dann blitzt ein schelmisches Lächeln über ihr Gesicht: „in die inzwischen ein paar Sonnenstrahlen blinzeln.“



Bis 4.4. ist im Club Buryzone eine Ausstellung des jungen slowakischen Künstlers Tomáš AGAT B³oñski (1975) zu sehen.

Öffnungszeiten Mittwoch bis Donnerstag: 14 – 22 Uhr,
Freitag: 14 bis 24 Uhr

erschienen in Kunstzeitung Nr.70/Jun.02,S.33
New Media Nation - slovakische Designer -