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Kommentar von Antje Mayer

Schrecklich schön - Julie Monaco im DAM Berlin

Es gruselt einen. Und es sehnt einen vor diesen Landschaften der österreichischen Künstlerin Julie Monaco (Jahrgang 1973). Eine grau-schwarze Meeresebene, darüber hängt ein mächtiger bedrohlich-schöner Himmel. Der Horizont ist nur ein schwarzer Strich in der Ferne. Ozean? Atlantik, Nordsee? Nicht doch noch ein Schiff, ein Schiffsbrüchiger, etwas Klitzekleines in dieser unheimlichen Weite, das möglicherweise von menschlicher Zivilisation zeugt? Nichts. Was macht diese Bilder nur so schrecklich schön und jenseitig? Was macht diese großen Querformate mit ihren altmeisterlichen Sujets in Sepia-Ton, die an holländisch Landschaftsmalerei oder an den Romantiker Caspar David Friedrich erinnern, nur so anziehend? Sind sie gemalt, fotografiert, bearbeitet?
Nein, nichts von alledem. Sie basieren auf O und 1. Nicht mehr und nicht weniger. Sie sind rein digital erzeugt. „Diese Bilder könnte im Prinzip jeder erzeugen“, so Monaco. „Ihre Produktion ist eine ganz trockene Sache, bei der ich stundenlang vor dem Rechner sitze. Die Software dafür kann man im Prinzip in jedem Laden kaufen.“
Als Betrachter glauben wir die menschliche Hand, den künstlerischen Genius, hinter dem Gezeigten und erahnen doch an Parametern, die wir nur im Unterbewusstsein wahrnehmen oder eben vermissen, dass da irgendwas nicht ganz stimmt. Das ist doch kein bestimmtes Meer. Das ist ein Roboter-Meer! Ein Retorten-Meer! Michel Houellebecq lässt grüßen. Monacos Kniff, um uns zu verwirren: Die Referenz an das klassische Gemälde durch das große Leinwandformat und das klassische Landschaftssujet und das Ton-in-Ton, das Vermeiden von Hollywood-Buntheit.
Schon früh hat sich Monaco damit auseinandergesetzt, wie man numerische Systeme visuell zwei- und dreidimensional umsetzen kann und sich mit dem Thema der Fraktale, wiederholte Anwendungen eines geometrischen Prinzips, wie sie auch in der Natur vorkommen, beschäftigt. Bei älteren Arbeiten hat die Künstlerin einen Ausschnitt aus einem musikalischen Improvisationsstück in Graustufen umgesetzt oder einen Kalender in entsprechend große Dämmplatten übertragen. Klingt spleenig, abstrakt und verkopft. Was den Appeal Monacos Werke aber ausmacht, ist, dass sie dann doch überaus konkret sind. Sie erinnern uns an Bekanntes, sind nicht vollends entzifferbar, aber verständlich und berühren und das nicht nur haptisch. Wie hat Albert Einstein doch einmal gesagt?„Alles Geniale ist einfach.“
„Ich habe schon sehr früh als -Computerkunst noch kein Modewort war- mit dem Rechner experimentiert“, erzählt die Künstlerin. Monaco studierte Graphik bei Ernst Caramelle an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, legte kurz ein Intermezzo im damaligen „Studio“ von Medienkünstler Peter Kogler ein, machte dann Station in der Bildhauerklasse von Michelangelo Pistoletto, um dann schließlich bei Brigitte Kowanz ihren Abschluss zu machen.
Bei ihrer Solo-Ausstellung in Wien im vergangenen Jahr -in der inzwischen mit Kerstin Engholm fusionierten- Galerie Engelhorn20 bewies Monaco, dass sie zu einer der ganz großen neuen Talente aus Österreich gehört. Das Digital Art Museum (DAM) in Berlin zeigt noch bis zum 28. April eine Solo-Ausstellung mit Julie Monacos „Hyperrealistic Landscapes“. Sehr empfehlenswert.



erschienen in Kunstzeitung Nr.92/Apr.04, S.16