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Kommentar von Antje Mayer

Tayfun Belgin ist neuer künstlerischer Leiter der Kunsthalle Krems

Ein echter Lottogewinn, freut sich Tayfun Belgin (Jahrgang 1956), sein neuer Job als künstlerischer Leiter der Kunsthalle Krems: Ein einwandfrei geführtes Haus, mit einem jungen, hochengagiertem Team, mit ausreichend Budget, auf einem der „schönsten Fleckchen Erde“ (Belgin), den Wachauer Weinbergen. Zugegeben: Was will man mehr?

Kommenden November soll es in Krems bereits losgehen, denn der scheidende Kunsthallen-Chef Carl Aigner (Jahrgang 1954), Gründer der Photo-, Medien- und Kunstzeitschrift EIKON (1991), hat schon wieder alle Hände voll zu tun, als neuer Direktor des erst im vergangenem Herbst eröffneten Landesmuseum Niederösterreich in St. Pölten. Sechs Jahre führte er die Geschicke in der Kremser Kunsthalle. Wie lange der Vertrag des designierten Leiters laufen wird, ist derzeit noch, so Belgin, „in Verhandlung“.

Bis Herbst wird der in der Türkei geborene Deutsche jedenfalls von Dortmund an die Donau übergesiedelt sein, mit seiner erst kürzlich angetrauten Gattin, der Kunsthistorikerin Andrea Fink-Belgin (Jahrgang 1968). Belgin scheidet aus dem Westfälischem „zugegeben mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. „Es war eine sehr glückliche Zeit“, gibt er zu. Immerhin 13 Jahre lang realisierte der promovierte Kunsthistoriker dort am Museum am Ostwall Dortmund erst als Kustos, dann ab 1999 als Ausstellungsleiter Schauen zur klassischen Moderne, Belgins Fachgebiet. Mit Publikumserfolg: Der Dortmunder Wirtschaft verlieh ihm für die Konzeption und Realisation der Ausstellung „Von der Brücke zum Blauen Reiter“ (1996) gar einen Marketingpreis. Kein Wunder: Der in Wuppertal aufgewachsene Kunstfachmann kennt das Geschäft von der Pieke auf: Vor seinem Wechsel von Dortmund war er künstlerischer Leiter des Kunstverein Ruhr (von 1985 bis 1988) und daraufhin zwei Jahre Ausstellungsleiter der Galerie Nehrer in Essen. Aus Leidenschaft für die zeitgenössische Kunst gründete Belgin 1990 zudem den Kunstverein Lippstadt.

Ein Unbekannter ist Tayfun Belgin in Krems nicht. Schon bei den dortigen Ausstellung „Repin und die Realisten“ (2002) und der aktuellen Schau „Jawlensky - Magische Bilder. Die Retrospektive“ (bis 21. September 2003) hatte der Jawlensky-Biograf mitgemischt. Dass man sich schließlich unter den fünf, nicht veröffentlichten, Bewerbern, die zur engeren Wahl standen, für ihn entschied, sieht Belgin darin begründet, dass er für „Kontinuität“ eintrete und ein „international positioniertes Programm quer durch alle Sparten, das genauso Malerei des 19. Jahrhundert, wie die klassische Moderne oder die Gegenwartskunst“ miteinbeziehe.

Dass ihm mit diesem Konzept die Museen im nur eine Autofahrstunde entfernten Wien das Wasser abgraben, befürchtet Belgin nicht: „Wir haben in Krems Einzigartiges zu bieten: Kunst gepaart mit kulinarischem Genuß und einer wunderschönen Umgebung. Eine Munch-Ausstellung, wie derzeit in der Wiener Albertina, werden wir uns wohl nie leisten können. Es gibt jedoch wahrlich genug Nischen, die wir besetzen können.“

Ab 2004 wird, „wenn alles gut geht“, so Belgin, seine erste Kunstpräsentation als Direktor mit dem Arbeitstitel „Liebe, Tod und Leidenschaft“ mit russischer Malerei des 19. Jahrhunderts zu sehen sein. Genug Zeit also, sich einzugewöhnen. „Auch wenn schon so mancher Deutscher die Österreicher mit seiner teutonischen Strenge vor den Kopf geschlagen hat“, schmunzelt Belgin, „mit meinem türkischen Blut in den Adern bringe ich hoffentlich genug südländisches Temperament mit, um die österreichische Seele zu erwärmen.“



erschienen in Kunstzeitung Nr.82/Jun.03,S.29
Kunsthalle Krems -