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Kommentar von Antje Mayer

Überholt?

Linz ist 2009 Kulturhauptstadt Europas

Kulturhauptstadt Europas zu sein, ist nicht immer gut für die Kultur einer Stadt.

Das hatte man in Graz im Jahr 2003 gesehen. Da wurde in kurzer Zeit eine Menge Geld für die 360 Tage verpulvert, für ein aufwendiges Marketing, elitäre Kulturevents, für spektakuläre Bauten wie die Murinsel des New Yorker Künstlers Vito Acconci, die sich nicht als „lebendige und lustvolle Plaza für das neue Millennium“, wie im Programm damals angekündigt, etablieren konnte, sondern heute eine kommerzielle Restauration beherbergt. „Entertainmentpolitik der verbrannten Erde“ kritisierten es damals die vielen kleineren, alternativen Kulturinitiativen. Seitdem hat das Wort „Nachhaltigkeit“ auch in der Kulturpolitik Einzug gehalten.
Die Nerven liegen auch bei der freien Szene im oberösterreichischen Linz blank. Die „Mittelstadt“ (Programmtext zur Vor-Ausstellung „Linz Texas“ bis 8. September 2008 im Architekturzentrum Wien) mit 190.000 Einwohnern feiert zusammen mit Vilnius 2009 sein Kulturhauptstadtjahr. Dem Schweizer Intendant Martin Heller wird sein "borniertes, arrogantes Kulturprogramm" vorgeworfen, der im Übrigen mit einer Brutto-Jahresgage von 183.048 Euro (für 65 Prozent Arbeitsleistung) angeblich Österreichs bestverdienender Kulturmanager ist. Seine Kritiker verstehen nicht, warum man in den vergangenen Jahren einerseits die Budget der lokalen und regionalen Initiativen kürzte oder nicht erhöhte, auf der anderen Seite nun satte 65 Millionen Euro für das Programm und 260 Millionen in große Infrastrukturprojekte (wie etwa in das neue Ars Electronica Center von Wiener Architekten Andreas Treusch) investiert werden. "Kulturpolitik wird in Linz in Kubikmeter Beton gemessen", so der Vorwurf.
Aber ist Beton nicht manchmal nachhaltiger als diese immer so konstruiert und alle irgendwie ähnlich wirkenden Kulturhauptstadtprogramme? Stets werden „unbekannte Stadträume entdeckt“ (die Ausstellung „Tiefenrausch“ führt u. a. in die Stollen, Keller und Wasserspeicher des Linzer Untergrunds), irgendwelche Schiffe umgebaut (Hubert von Goisern fährt mit seinem Konzertschiff die Donau auf und ab), ertönen irgendwelche „Klangwolken im öffentlichen Raum“ (das Projekt „Hörstadt“ will Linz akustisch wahrnehmbar machen). Entspringt der Ansatz, Kultur thematisch innerhalb eines Jahres auf eine Stadt oder eine Region zu beziehen per se nicht einem ziemlich provinziellen Kulturverständnis?
Das „Kulturhauptstadt Europa – Konzept“, das viel zu sehr von der kommerziell orientierten Idee des Kulturmarketings getragen ist, muss überdacht werden. Weniger Events angesichts der ohnehin jedes Mal schier unübersichtlichen und kaum konsumierbaren Menge an Programmpunkten, hauptsächlich Investitionen in Infrastrukturen, in vorhandene und neue, immer auch in die der Kleinen, ist weniger spektakulär, wäre aber nachhaltiger.



Dieser Text ist erschienen in der Kunstzeitung Nr. 7/2008

Kunstzeitung - linz09 -