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Kommentar von Antje Mayer

Salzburg im Kunst-Fieber

Neues Museum und viele Ausstellungen

Kennen Sie diese Art Damen aus guter Gesellschaft? Solche, die aus der Hüfte für hundert Gäste ein angeblich selbstgekochtes Mehrgänge-Menü zaubern; in eine perfekt selbst(?) aufgeräumte 18-Zimmer-Villa laden und dabei so unglaubwürdig erholt aussehen, als hätten sie gerade drei Wochen Mauritus-Urlaub hinter sich? Diese Damen pflegen nach dezenter Nachfrage, wie sie denn das alles als Hausfrau und Mutter neben all den gesellschaftlichen Verpflichtungen allein geschafft hätten, kokett zu flöten: „Aber nicht doch. Das ist doch eine Kleinigkeit. Habe ich alles zwischen Golfplatz und Zahnhygienestudio schnell heute Nachmittag erledigt.“ Ob nun gut selbst gemacht oder gut selbst delegiert, ist im gewissen Sinne eben dasselbe.
Die blaublütige Direktorin Agnes Husslein-Arco lud am Tag der Eröffnung der Salzburger Festspiele, Ende Juli, ebenfalls ein und zwar marketingtechnisch perfekt getimet, zu einem Preview in „ihr“ neues Museum der Moderne Salzburg am Mönchsberg. Das ist ein schlichter, großzügiger Betonkasten des Münchner Architektenteams „Friedrich Hoff Zwink“: 2.300 m² Ausstellungsfläche mit viel Tageslicht und grandioser Aussicht auf das Städtchen. Im Detail nachlässig, aber dafür im Ganzen erfrischend unprätentiös und dadurch sehr gut bespielbar. Allein das Museumscafé „Mönchsberg 32“ von Designer und Architekten Matteo Thun besitzt trotz -oder eher wegen- der 500 Hirschgeweihe als Kronleuchter die Originalität einer Themen-Starbucks Motto: lustige Lodengesellschaft. „Lusterweibchen“ nennt Thun sein Wild(es)ungetüm zudem noch geckig.
Für das Museumskonzept zeichnet sich offiziell zwar Husslein verantwortlich, inoffiziell hat unter anderem Museumsexperte Dieter Bogner kräftig seine Hände mit im Spiel gehabt, seines Zeichens auch Mitstreiter von Husslein beim Museum Moderner Kunst Klagenfurt. Für die grandiose Ausstellung „Einleuchten“ (bis 31. August), „spontan eingeschoben“ zwischen Festspiele und offizieller Museumseröffnung am 23. Oktober (mit der Ausstellung „Vision einer Sammlung“ bis 6.3.2005), holte sich Husslein ebenfalls Hilfe, nämlich bei ihrer „guten Freundin“ Francesca von Habsburg. Die steuerte schnell, sozusagen „zwischen Golfplatz und Zahnhygienestudio“, Stücke aus ihrer Sammlung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (T-B A21) bei: Lichtobjekte, Licht- und Filminstallationen wie etwa die bekannten Diskokugeln von John M. Armleder, die „Hollywoodlicht-Röhren“ von Carsten Höller oder Buntes von Olafur Eliasson. Die Künstlerliste liest sich wie ein Who-is-Who der internationalen zeitgenössischen Kunst.
Und die Moral von der Geschicht’? Man soll eben das tun, was man kann, alles andere delegieren. Agnes Husslein kann repräsentieren und kontakten, die Kunst und die Konzepte überlässt sie Fachleuten. Gut so. Aber immer brav darauf schauen, dass keiner was mit Penis und so -wie die Künstlergruppe Gelatin vergangenes Jahr- macht.
Apropos: Leider, leider gab’s heuer keinen Skandal zur Eröffnung der Salzburger Festspiele, dafür aber wieder mehrere Dutzende Adabeis, die sich auf ebenso vielen Vernissagen abbusselten. Da tat sich der Salzburger Kunstverein schwer, Besucher zur Eröffnung seiner Ausstellung „Michael Raedecker. Forevernevermore“ (bis 3. 10.) zu locken.
Raedecker wurde 1963 in Amsterdam geboren und lebt in London. 2000 wurde er sogar für den ruhmbringenden Turner Prize nominiert. Am Goldsmiths College büffelte er. Vorher hatte er Mode studiert. Nun „malt“ er seine klassischen Sujets mit Farbe und, der nicht mehr ganz taufrische Clou: mit Stickereien. Liegt es daran, dass man Raedeckers Kitschwerke nicht einfach hinhängen darf, ohne sie zu brechen, da sie sich dann kaum von dem Tand in den Salzburger Souvenirshops rundherum unterscheiden? Oder ist es einfach langweilig, wenn man immer den gleichen Stickerei-Witz ansehen muss? Irgendwie kommt bei der Ausstellung die Ironie der Werke nicht rüber. Die Direktorin Hildegund Amanshauser findet ihre klassische Präsentation hingegen erholsam: „Ich wollte einen Kontrapunkt zum Festspielwirbel setzen“. Hingehen: diskutierwürdig!
Vielleicht inspiriert eine andere Ausstellung das „Gespräch danach“, nämlich die in die Galerien Weihergut. Werke von Beuys, Nitsch, Wesselmann und Alechinsky, die sich mit dem Thema „art & economy II“, so der Titel der Schau, auseinandersetzen, werden dort gezeigt (bis 5.9.)
Sehr empfehlenswert ist übrigens die kleine, aber sehr feine Ausstellung „Philipp Bradshaw- a fly in the house“, die die Kuratorin Margrit Brehm für das Salzburger Rupertinum kuratiert hat (bis 31.10.). Bradshaw installierte dort eine Landschaft aus Vorhangketten: bunt, lustig und sinnlich! Die Ausstellungen „Klimt und Wien um 1900“ (bis 26.9.) in den oberen Stockwerken meiden. Ein wenig informatives und schlecht präsentiertes Stückelwerk! Bleibt noch die Galerie im Traklhaus zu empfehlen, die Werke von VALIE EXPORT und Papierarbeiten von Tone Fink zeigt (bis 18.9.) Immer gut!
Bei so viel internationalem Niveau kann sich Salzburg wahrlich die Hände reiben. Zu diesem Thema gibt es übrigens auch eine Ausstellung. Die Residenzgalerie zeigt „Beredte Hände“ (mit Werken u.a. von Inge Morath, Günter Brus, Gerhard Rühm, Albin Egger-Lienz oder Moritz von Schwind (bis 1.11.).



erschienen in Kunstzeitung
Museum der Moderne, Salzburg, Mönchsberg - Salzburger Kunstverein - Galerie im Traklhaus - Residenzgalerie -