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Kommentar von Antje Mayer

It's phantastic - Ein Kunstwerk wird Gouverneur

“Steirermen san very good”. In jedem Steirer steckt ein kleiner Arnold Schwarzenegger. Einer der es von ganz unten (also der Steiermark?), nach ganz oben (also zum kalifornischen Politiker?), geschafft hat. You can make it. Vom Traktor, über den Terminator zum Governator.
Äußert sich vor dieser „Von-ganz-unten-nach-ganz-oben“-Begeisterung der Steirer, Österreicher und Europäer nicht ein innerer Kulturkampf oder besser ein veritabler Minderheitskomplex gegenüber den USA? Warum ist eigentlich Europa „unten“ und die USA „oben“? Fast könne man meinen, Arnie stampfe nun als der Befreier voran, der die gschlamperte k.u.k-Welt Österreich, das alte Europa, endlich ins Roboterzeitalter führt.
Sogar die für ihre Sport- und Männlichkeitsaversion bekannte österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek gab sich angesichts Arnolds Protz-Männlichkeit gänzlich hypnotisiert: Arnold sei für den Gouverneursposten in Kalifornien "bestens geeignet" - verkörpere er doch, flötete sie, "eine Mischung aus Kraft, Schönheit, Intelligenz und Berühmtheit". Elfriede, bitte!
Die Mensch-Maschine Arnold scheint überhaupt alle Grundsätze und jeden Ratio auf wunderbare Weise auszuschalten. Denn Arnie ist ein Kunstwerk, etwas, jemand, nein etwas, also so etwas zwischendrin, der außerhalb eines Regelsystems steht. Das Guiness-Buch führt ihn immerhin als den »am perfektesten entwickelten Mann in der Geschichte der Menschheit« an. So was inspiriert eben.
Schwarzenegger als Mr. Universum trat eine Lawine unter den Künstlern los. Die Bodybuilder-Meisterschaften wurden plötzlich im New Yorker Madison Square Garden ausgetragen oder in der Oper von Sydney. Die Kulturwelt, gleich ob Roman Polanski oder Harry Belafonte, interessierte sich für Muskeln. Bei "Mr. Olympia 1974" saßen Warhol und Jack Nicholson unter den Zuschauern, und Warhol, der wirklich kein Bodybuilder-Typ war, hauchte angesichts des Superhumanen der Ohmacht nahe: "It's phantastic".
Daraufhin malte und fotografierte er Schwarzenegger und seine explodierenden Muskeln, später tat es unter vielen anderen Künstler auch LeRoy Neiman, Starfotografen wie Herb Ritts (siehe Fotos) oder Gottfried Helnwein konnten nicht widerstehen, genauso wenig wie das russisch-ukrainische Künstlerpaar Chernyshev & Efimov.
Die und Herwig Höller von Forum Stadtpark wollten im vergangenen Jahr als Arniefans mal Nägel mit Köpfen machen und in Graz eine 25 Meter hohe Schwarzenegger-Statue, die eine Weltkugel trägt, aufstellen. Die internationale Presse und die Grazer Bürger waren begeistert, der steirische Polizistensohn Schwarzenegger weniger. Der schrieb sogar persönlich einen Brief. Man solle doch das Geld lieber für Soziaprojekte verwenden.
Der Künstler Aristarkh Chernyshev sieht das indes anders und meinte Kunst könne nicht als eine Alternative zu sozialen und humanitären Projekten dienen. Schwarzenegger als Person sei dabei ja nicht das Wichtige, sondern die Schaffung eines Monuments für Roboter, Technologie und Popkultur.“
Aha. Schwarzenegger als Metapher. Darin liegt demnach die Begeisterung für den Muskelmann bei Warhol, Jelinek, Neiman und Konsorten begründet. Ist es dann nicht reichlich zynisch, wenn ein Kunstwerk oder eine Metapher Gouverneur wird und über die Schicksale von echten Menschen entscheidet? Nein!? Dann also doch: Arnie for President! Nobody is perfect. Auch Kunstwerke nicht.



erschienen in Kunstzeitung Nr.87/NOv.03,S.29