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Kommentar von Antje Mayer

Breche mein Herz!

Pierre & Gilles im KunstHausWien

Wer die Pierre & Gilles-Ausstellung „Arrache Mon Coeur“ („Breche mein Herz“) im KunstHausWien (bis 26. Mai) betritt, ist angesichts des Überflusses an knackigen Männerhintern und imposanter Gemächte, eingerahmt von barocken Goldrahmen, überwältigt. Soviel klebrig-süße Homoerotik, soviel fast bis zur Schmerzgrenze geglättete Makellosigkeit auf einem Fleck, nimmt einem Normalsterblichen förmlich den Atem.

Das homosexuelle französische Künstlerpaar Pierre & Gilles, deren Alter und Nachnamen niemand wissen darf, muss jedenfalls eine Menge Spaß bei seiner Arbeit gehabt haben. Das ist die simple Erklärung für die Faszination der großen kolorierten Fotografien in altmeisterlicher Manier: „Man bekommt, was man sieht. Wir öffnen uns, und es kommt einfach aus uns heraus“, so einfach sehen es auch die Zwei. „Die Dinge werden natürlich geboren und wir lassen sie leben.“

Ähnlich wie bei Jeff Koons oder Cindy Sherman, ist das Werk der zwei Lebemänner ein riesiges stilisiertes Fotoalbum ihres Lebens und ihrer Freunde: Aber nicht nur schöne Strichjungs und Tunten, auch Frauen haben Zugang in die Welt von Pierre & Gilles: Popstars wie Nina Hagen, Madonna oder Kylie Minogue, Schauspielerinnen wie Catherine Deneuve und Models wie Laetitia Casta, die sie auf weißen Hengsten mit wehender Mähne, auf Wölkchen, oder auf einer Gänseblümchenwiese zu Traumbildern ihrer selbst machen. Die Grenze verwischt dabei zwischen den Kategorien Männlich und Weiblich. Irgendwo dazwischen existiert Pierre & Gilles Wunderland, in dem Alice auch einem Penis unterm Rüschröckchen haben kann.

Kennengelernt hatten sich die Zwei 1975 bei der Eröffnung einer Kenzo-Boutique in Paris und sich sofort ineinander verliebt. Seither arbeiten und leben sie –in einem Atelier, das vollgestopft ist mit kitschigen Kleinoden, unzertrennlich zusammen. Ihre Porträts von Andy Warhol, Salvador Dalì und Mick Jagger für die Publikation „Façade“, schlugen in der Welt der Werbe- und Modefotografie ein, wie eine Bombe. Die berühmte P&G-Mischung aus aufwendigst ausstaffierten Hintergründen, märchenhaften Kostümierungen, diese Melange aus Historie, Phantasie und Realität, machte Kitsch wieder gesellschaftsfähig. Den künstlerischen Durchbruch erlebte das Paar schließlich im Jahre 2000 mit einer Retrospektive im New Museum in New York.

Nur süßlich romantisch und schön sind Pierre & Gilles allegorischen Porträts, mit programmatischen Titeln wie „Vénus Marine“, „Dream Girl“ oder „Take my Heart“ allerdings nicht. Wenn ein kleiner blonder Junge auf dem Bild „Maman!“ im Pyjama von goldenen Sternchen umflort ein Kuscheltier in der Hand hält, aus dem Blut hervorquillt, dann ist man an die schlimmsten Albträume der eigenen Kindheit erinnert.

Aber solche fiesen Bilder passen für Pierre & Gilles gleichermaßen in ihren Traumzirkus: „Schönheit ist überall, ebenso wie sich Glück hinter Unglück und Reichtum hinter Armut verbergen kann. Schönheit ist nur ein vergänglicher Moment, und der Künstler kann ihn aufnehmen und an andere weitergeben.“



erschienen in Kunstzeitung Nr.68/Apr.02,S.12
Kunsthaus Wien - Pierre&Gilles (frz.) -