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Kommentar von Antje Mayer

Frühjahrsputz

Kunst im öffentlichen Raum

Es gibt viele ruhmreiche Ausnahmen. Aber mal ehrlich, in der Mehrzahl ist das, was bis vor ein paar Jahren noch als „Kunst am Bau“, dann umgetauft, ersetzt oder verheiratet mit „Kunst im öffentlichen Raum“ in die Stadtlandschaften gepropft wurde - einfach Schrott. Da können die Kulturreferate nachträglich Qualität herbeiinterpretieren, soviel sie wollen. Straßen und Plätze wurden bis zur Peinlichkeit möbiliert. Man biederte sich mit gefälligen Entwürfen bei der Bevölkerung an, oder dachte, mit pseudo-kontroversen „Einschnitten“ Kommunikationsforen und Öffentlichkeit herbeizaubern, wo schon längst keine mehr war. Namenhafte Künstler schützten da bisher nicht vor Banalitäten: Exemplarisch: Nam June Paiks Tele-Archälogie für die Wiener U-Bahn, ein Waggon aus alten Ziegeln, mit eingemauerten Hochtechnologieteilen und Monitoren, ist an platter Metaphorik (Rundbogen versus PC-Tastatur) kaum mehr zu überbieten.

Bei den Bürgern -denen die Projekte galten, die sie bezahlten- hatte „Kunst im öffentlichen Raum“ bisher einen denkbar schlechten Stand. Münchnens Oberbürgermeister Christian Ude brachte das einmal auf den Punkt: „Kunst im öffentlichen Raum ist auch manchmal schön, macht aber immer Ärger.“ Angesichts des Maleurs beschränkten Städte wie Frankfurt, Köln oder Zürich ihre öffentlichen Kunstaktivitäten in den letzten Jahren auf ein Mindestmaß.

Die Buß- und Fastenzeit -so scheints- ist vorbei. Ob in Zürich, Münchnen, Frankfurt oder Köln, überall beginnt der Frühjahrsputz in den Räumen der öffentlichen Kunst.
Schon vor Jahren fegten die beiden Stadtstaaten Berlin (1979) und Hamburg (1981), nach dem Vorbild Bremen, genervt die unrealistische „Kunst am Bau“-Verordnung vom Tisch. Wenn die Kommune baut, sollten danach zwei Prozent der Baukosten an bildende Künstler gehen. Alternative: ein unabhängiger Geldtopf für die Kunst im öffentlichen Raum. In Berlin liegen darin jährlich 400 000 Mark, in Hamburg derzeit sogar eine Million bereit. Von solchen Sondergeldern können andere Städte nur träumen. Wien, Zürich, Frankfurt und Köln verfügen nicht mal über ein eigenes Budget für Kunst im öffentlichen Raum. Einen versierten Kunstbeirat, der von Fall zu Fall entscheidet, haben sie immerhin alle.

Jetzt hat auch Münchnens Kulturreferent Nida-Rümelin einen Vorstoß gewagt. „Wir wollen keine so radikale Lösung wie in Hamburg, aber die Hälfte der zwei Bauprozent soll in einen „Pool Freie Kunst“ einfließen.“ Das wäre schon ein Batzen Geld, angeblich sechs Millionen jährlich. Vorher hatte er gerade einmal müde 167 000 Mark für die Stadtkunst. Durch ist Nida-Rümelins Idee beim Münchner Baureferat noch nicht, aber so der Kulturchef: „Der Münchner Baureferent Horst Haffner ist in dieser Sache auf meiner Seite. Zwischen uns paßt da kein Blatt.“ Nida-Rümelin hat gute Chancen, daß es klappt, weil es eine populäre Entscheidung wäre. Einer aktuellen Umfrage zufolge akzeptieren 70 Prozent der Münchner -wenn es von der Fachwelt als erstklassig anerkannt wird- ein ungewohntes Kunstwerk.

Die Bürger haben wieder Lust an Kunst im öffentlichen Raum und Kunst an der Öffentlichkeit bekommen. Junge Kunst ist kommunikativ, unterhaltsam und bürgernah wie selten zuvor. Sie trampelt mit Lust die Museumsmauern nieder. Und sie hat eine ganz wunderbare Eigenschaft: sie hat kein Problem damit, auch wieder aus dem Stadtbild zu verschwinden. Temporäre Installation -wie etwa das in Hamburg in Rahmen der Aktion „weitergehen“ realisierte Projekt von Dellbrügge & de Mol „Hamburg Ersatz“, finden überhaupt nur noch virtuell am Bildschirm statt.

Auch Zürich hat den Zahn der Zeit erkannt. Chef der Züricher Kulturpflege Jean-Pierre Hoby ist klar: „So gehts nicht weiter. Bis jetzt haben wir für alle Kulturinstitutionen Kunst eingekauft mit 140.000 Franken jährlich. Für den öffentlichen Raum brauchen wir aber ein Konzept, was darüber hinausgeht“ In ein paar Wochen soll es verabschiedet werden. Eine Art Masterplan für Köln will die neue Kulturdezernentin Marie Hüllenkremer aufstellen. Das chaotische Kunstaufstellen am Rhein soll in geordnete Bahnen geleitet werden. Klaus Klemp vom Frankfurter Amt für Wissenschaft und Kunst hat zwar extra eine Neue, Cordula Frohwein, für die Vermittlung von Kunst im öffentlichen Raum eingestellt, bleibt aber auf dem Teppich: “Der programmatische Schwerpunkt kann nicht in einer immer weiteren Anhäufung künstlerischer Monumente bestehen. Wir müssen vielmehr aufräumen.“ Jonathan Borofskys 22 Meter hohe „Hamering Man“, längst Wahrzeichen von Frankfurt, dürfte seine Gnade finden.

In Wien ticken die Uhren bekanntermaßen etwas langsamer. Da bleibt vorerst alles beim Alten. „So die Partei will“, verlautet es aus dem Magistrat. Private Initiativen wie „artpool“ und „work in progress“ füllen das Leck angemessen und machen mit Aktionen, wie bei der Opernvorhang-Neugestaltung ordentlich Furore.



erschienen in Kunstzeitung Nr.42/Febr.00,S.3