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Kommentar von Antje Mayer

Sirene Werbung

Werbeskandal in Spanien

Die Sache mit der Werbung, die sich dem Mittel der Überschreitung von Tabus bedient, um aufzufallen, ist nicht neu. Ob sie ethisch vertretbar ist, ist eine andere Frage. Der deutsche Starfotograf Juergen Teller lichtete seine Models einst als Wasserleichen ab, der Fotograf Oliviero Toscani schreckte nicht davor zurück, mit Aidskranken und blutgetränkten Uniformen für die Textilmarke Benetton zu werben. Kürzlich erregte sich die spanische Öffentlichkeit über ein Plakat von Dolce & Gabbana, auf dem ein Mann zwischen den Beinen einer Frau steht, sie gewaltsam festhält und eine Gruppe von Männern dabei zusieht. Die Assoziation zu einer Massenvergewaltigung war zu groß, dass das Plakat vom Markt genommen werden musste. Kürzlich stand eine Armani-Kampagne –wieder in Spanien- unter Beschuss, weil dort asiatische Kinder geschminkt, im Bikini und sich umarmend abgebildet wurde, was als Anspielung auf Kinderprostitution bewertet wurde.
Besehen wir uns jüngsten Fall. Als Mutter bekomme ich immer wieder Kataloge für Kindermode in die Hand. In fast jeder dieser Broschüren sind die Mädchen und Jungen geschminkt, lächeln aufreizend in die Kamera und sind wie kleine Erwachsene zu Recht gemacht. Wie süß! Auch Bikini und Badehosen trage sie. Für Pädophile dürften das Traumlektüren sein. Der einzige Unterschied zur Armanikamapgne ist vielleicht, dass die Kindermodells hierzulande selten asiatisches Aussehen haben. Aber reicht die Herkunft der Personen, um die Assoziation mit Kinderprostitution herzustellen? Es wirkt eher wie positiver Rassismus, den die spanischen Bedenkenträger da an den Tag legen, sonst müssten jene jedes Versandhaus, das Kindermode bewirbt, mittlerweile anklagen.
Denn es ist Praxis, Kindermode verkaufsfördernd aufreizend wie es Armani tat, zu präsentieren. Aber es wäre an der Zeit, dass jene Firmen sich tatsächlich einmal Gedanken darüber machen, ob es nicht zum Schutz von Kindern besser wäre, die Kleinen nicht in erotischen oder zweideutigen Lolita-Posen wie Erwachsene abzubilden. Weil, wenn die Werbung erst einmal auf dem Markt ist, dann ist es eine Krux: Wer solche Anzeigen – oft zu recht- ekelig, geschmacklos oder empörend findet, ist schon den verführerischen Künste der „Sirene Werbung“ erlegen und ihr in Netz gegangen. Hat sie doch gerade beabsichtig, Gefühle von Ekel, Überraschung, Empörung und Geilheit zu evozieren und den Kunden damit „emotional zu binden“, wie es so schön im Werbejargon heißt.
Der einzige Schutz gegen solche Methoden ist im Grunde völliges Desinteresse, Ignoranz und Abgebrühtheit. Benetton oder Dolce & Gabbana konnten sich wahrscheinlich keine bessere Werbung als die Kritik ihrer Gegner wünschen. Das Thema Kinder ist allerdings heikel. Da funktionieren ethische Bedenken –selbst in der Werbung- offensichtlich noch. Armani dürfte sich über die „Zusatzwerbung“ der Kritiker wohl weniger erfreut gezeigt haben. „Fair trade“ ist in den vergangenen Jahren groß in Mode gekommen. Wie wäre es in Zukunft mit fairem Werben?



Dieser Artikel ist im Informationsdienst Kunst Nr. 373 am 22.3.2007 erschienen.