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Kommentar von Antje Mayer

Große Illusionen

Thomas Demand im Kunsthaus Bregenz

Sicher haben Sie im heurigen Sommerurlaub Fotos von sich und ihren Liebsten geschossen. Erholt und braungebrannt sieht man sich doch am liebsten. Schnute ziehende oder schielende Porträts kann man ja - dank digitaler Kamera - einfach „löschen“. Das eine oder andere Pigmentfleckchen wird dann noch zuhause mit Photoshop retouchiert...
Auf daß die Nachwelt ein Bild von Ihnen habe, wie sie es bestimmen. Im Grunde ist das Bild-Manipulation, wenn auch eine harmlose, höchst menschlich motivierte.

Wann ist was Abbild der Wirklichkeit? Was ist ein wahres Bild?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich der deutsche Fotokünstler Thomas Demand (geboren 1964 in München), dem das Kunsthaus Bregenz derzeit seine erste Soloschau in Österreich widmet (bis 7.11.).

Auf den ersten Blick möchte man meinen, die großformatigen Bilder seien gemalt, weil das Abgebildete, vornehmlich Räume, irgendwie abstrahiert sind: zu leer, zu fehlerlos, um real zu sein: Der Teller ist doch nicht aus Porzellan und der Herd nicht aus Stahl, oder doch? Aber auf dem Schildchen daneben steht, daß es sich um eine Fotografie handelt? Die Antwort: Nicht die Fotografie ist manipuliert, sondern die Wirklichkeit.

Thomas Demand baut tatsächlich die Enviroments, typische Ausschnitte aus einer Küche, einem Flughafen oder einer Parkgarage, präzise nach, leuchtet sie perfekt aus, fotografiert sie und zerstört danach die Installationen wieder.

Eigentlich manipuliert Demand auf die altmodische Art, nämlich die Wirklichkeit, nicht ihr Abbild. So ein bisschen wie früher im Fotostudio um die Ecke, als man im Kommunionkleidchen mit rosa geschminkten Bäckchen auf einen Beichtstuhl vor einer Landschaftstapete kniete und ein heiliges Gesicht machte. Solcherart Illusionen erzeugt heutzutage bestenfalls der Computer.

Ebenso wie das Fotostudio ein Heiligenbildchen imitiert, bezieht sich auch Demand auf Bildvorlagen. Szenen, derer man aus Filmen und Magazinen erinnert, etwa das Foto vom toten Uwe Barschel in der Badewanne, zu dem ihm sein Bild „Badezimmer“ 1997 inspiriert hat.

Alle Details, einschließlich der Person Barschel, hat der Künstler eliminiert, um eben diese für ihn so typisch entleerte und klinisch saubere Atmosphäre zu schaffen, die uns an charakterlose unspezifische Räume unserer urbanen Zivilisation gemahnt. Die wage Erinnerung an das Bekannte bringt die Wirklichkeit wieder raffiniert ins Spiel.

Nahezu 25 Fotoarbeiten sind man auf vier Stockwerken in Bregenz sehen, dazu ein Kurzfilm und zwei monumentale Fototapeten innerhalb zweier Rauminstallationen im Erdgeschoss und ersten Stock.



erschienen in Kunstzeitung Nr.98/ Okt.04, S.20
Kunsthaus Bregenz -