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Kommentar von Antje Mayer

Mozarthaus und aus!

Das schöne Barockstädtchen Salzburg frei von moderner Kunst?

Angesichts der vielen erbitterten Proteste der Salzburger in den vergangenen Jahren gegen Kunst im öffentlichen Raum, dachte sich der Künstler Christoph Büchel, müsse man endlich Zivilcourage zeigen. Nie wieder ein erigierter Penis wie der von Gelitin! Eine weibliche Mozartstatue von Markus Lüpertz? Nein! Weg mit dem Anselm Kiefer-Pavillon neben dem ehrenwerten Festspielhaus! Barock, Salzach, Mozarthaus und aus!

Kurzerhand rief Büchel, gebürtiger Schweizer und damit sozusagen Fachmann für das Metier der Konkordanzdemokratie, im Rahmen des heurigen Salzburger „Kontracom- Festivals“ eine entsprechendes Unterschriftenaktion ins Leben. 2.000 Gegenstimmen immerhin konnte er sammeln. Ergebnis: Zähneknirschend musste die Stadt damit aus rechtlichen Gründen ein Bürgerbegehren genehmigen. Bis 2. Dezember 2006 konnte man sich dafür eintragen. Vor allem ältere Leute waren gekommen und das Ergebnis blieb das gleiche: 1.786 Gegner unterschrieben.
Nun kostete aber dieses demokratische Kunstschauspiel um die 40.000 reale Euro, die die vernaderte Stadt nun partout nicht zahlen will. Jetzt müssen die Veranstalter vom "Mozartjahr 2006", die das "Kontracom-Festival" initiiert hatten, dafür aufkommen. Tun sie gerne, denn dank des Künstlers Christoph Büchel hat man ja nun endlich Fakten auf dem Tisch: um die 2.000 Gegenstimmen ergeben bei circa 100.000 Salzburger Einwohnern zwei Prozent Kunstgegner. Damit sind 98 Prozent der Salzburger für Kunst im öffentlichen Raum! Phänomenal. Wer hätte das von den Salzburgern gedacht?
Gegenwartskünstler wie der deutsche Künstler Stephan Balkenhol können sich also getrost wieder in das Städtchen trauen. Kürzlich erst wurde der nämlich von der "Salzburg Foundation" im Rahmen deren für zehn Jahre konzipierten Reihe "Kunstprojektes Salzburg", eingeladen. Balkenhol soll seine realistischen Menschenskulpturen an der Salzach aufstellen. Die Veranstalter scheinen (dank Büchel?) nun richtig mutig geworden: Der Künstler darf sich den geeigneten Platz sogar selbst auszusuchen. Voraussichtlich im Sommer 2007 werden seine Figuren enthüllt. Und die zwei Prozent der Salzburger, die gegen solche Kunst sind, sorgen dann wieder rituell für deren Publicity.



Dieser Artikel ist im Informationsdienst Kunst Nr. 366 am 11.12.2006 erschienen.
Link:Informationsdienst KUNST - Link:Christoph Büchel - Link:Salzburg Foundation - Link:Artfacts.Net/Stephan Balkenhol -