Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Kommentar von Antje Mayer

Goldkuppel am Alexanderplatz

In Berlin stemmen Ortner & Ortner den „Alexandria-Palast“

„Armes Berlin. Jetzt wurde zum Glück nichts aus Hitlers und Speers Germania. Jetzt kommen Ortner & Ortner mit ‚zeitgemäßer’ Gigantomanie“, so ätzt Standard-Leser W.S.. Dem ist der 150 Meter hoch geplante Warenhaus-Palast des Architekturbüros Ortner & Ortner zu protzig. Dieser Entwurf auf Basis des Masterplanes von Hans Kollhoff und Helga Timmermann, der jüngst unter sechs Einreichungen (u.a. von den Architekturteams Graetz/Nöfer, Novotny/Mähner oder Collingnon/Fischötter) ausgewählt wurde, soll nämlich, sofern sich das Projekt vermieten lässt, am Berliner Alexanderplatz, zwischen Alexander- und Dircksenstrasse, hochgezogen werden: Mit Goldkuppel, sage und schreibe 220.000 Quadratmeter Geschossfläche, inklusive 800 Nobelwohnungen, samt „Alexandria-Einkaufzentrum“, Kino, Hotel und Restaurants auf 40 Stockwerken. Fifth Avenue-Feeling in der deutschen Hauptstadt!
Fünf autonome Gebäudeteile umfasst das von den Ortners geplante Essemble unter einem Dach mit glasbedeckter Netzstruktur. Von „innen strahlen“ und „glimmern“ sollen die Häuser, so das Büro Ortner & Ortner. Baubeginn ist 2004.
Die einstigen Protagonisten der berühmten Siebzigerjahre- Experimentalgruppe Haus-Rucker-Co und Entwerfer des Museumsquartiers in Wien, der Berliner ARD-Hauptstadtstudios, des Schauspielhauses in Zürich oder der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden gehe es um eine „urbane Figur, die an die Tradition der prächtigen Berliner Kaufhäuser um 1900“ anknüpfe.
Um Protzigkeit jedenfalls oder, positiver ausgedrückt, um Glamour und im konservativen Sinne repräsentative Architektur verlegen ist das österreichische Architekten-Bruderpaar Laurids und Manfred Ortner mit Dependancen in Berlin, Düsseldorf und Wien, noch nie gewesen. Sie scheinen damit zwar nicht unbedingt den Zahn der Zeit, zumindest aber den der Investoren, wie in diesem Fall den der Sonae Immobiliária aus Portugal, zu treffen. Laut BauNetz-Ranking behaupten sich die Zwei neben den internationalen Superstars immerhin auf Platz 9. Kritierien wie „längerfristige Gültigkeit“, „Speicherung von Zeit“ und das „Spiel“ mit der „architektonischen Atmosphäre“, so Laurids Ortner, scheinen anzukommen.

Gemütlich dürfte die „architektonische Atmosphäre“ jedenfalls am zügigen Berliner Alexanderplatz mit der alles bestimmenden „Ulbrich-Kathedrale“ (dem Fernsehturm) auch nach der geplanten Fertigstellung des „Alexandria-Palastes“ von Ortner & Ortner im Jahre 2006 nicht werden. Dann soll dem ersten Zacken in der Berliner Stadtkrone mit einer Gesamt-Investitionssumme von 500 Millionen Euro nämlich noch weitere neun folgen. So will es der Berliner Senat und der umstrittene konservative Stadtentwickler Hans Kollhoff. Der beschwört ja bekanntlich „das städtebauliche Berlin der Vorkriegszeit“ und predigt „architektonische Kontinuität“ á la Disneyland am Potsdamer Platz.
Standard-Leser P.S. aus Frankfurt am Main hat mit „Stadtkronen“ jedenfalls Erfahrung: „Für diejenigen, die internationale Anbindung suchen: Die paar Kisten in der Skyline haben aus Frankfurt keine internationale Großstadt gemacht – im Gegenteil.“



erschienen im Informationsdienst Nr.276/Mai 03,S.15