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Kommentar von Antje Mayer

Gar kein Museum

Wien: Museum in progress und artpool

Wohin bewegt sich das Museum des 21. Jahrhunderts? Zum Dienstleistungsbetrieb (Karlheinz Schmid, KUZ 3/2000), zur Bildungsstätte (Jörg Restorff, KUZ 3/2000)? Wie wär’s mit einer anderen Strategie?
Keine Mauern, keine Wärter, keine Eintrittskarten und keine ständige Sammlung. Das museum in progress, ein 1990 von Kathrin Messner und Josef Ortner in Wien gegründeter Kunstverein, zeigt wie es gehen könnte: gar nicht erst versuchen, die verstaubten Kunsttempel aufzupolieren, lieber gleich das Spiel verlagern. Das Motto: wenn die Leute nicht zur Kunst kommen, kommt die Kunst eben zu den Leuten, in die Zeitungen, ins Fernsehen, ins Internet, auf Gebäudefassaden und Plakatwände. Frei nach Alexander Dorner (1893 - 1957): „Der neue Typ des Kunstinstituts kann nicht nur kein Kunst-Museum im bisherigen Sinn sein, sondern gar kein Museum.“

Das Konzept -so die Initiatoren- ist weltweit einzigartig. Durch Kooperationen mit Medienträgern wie dem ORF, der Gewista und Der Standard, schmuggelt sich kontinuierlich und flächendeckend Kunst in den Alltag. Zur Zeit rivalisieren in Wien Markus Schinwalds Plakate „Stage“ mit den obligaten Werbebannern von MacDonald bis Palmers. Im Standard prangen ganzseitig zweidimensionale Kunstobjekte anerkannter Künstler von Heimo Zobernig bis Maria Lassnig, im Wirtschaftsteil schlägt die Interviewserie „Kunst und Wirtschaft“ Brücken zwischen Kultur und Geld. Dokumentiert und kunstheoretisch gewichtet wird das alles im Internet von Namhaften, wie Robert Fleck oder Peter Weibel.

Der Flirt mit den Unternehmen und den Medien soll Wasser auf die Mühlen des privatwirtschaftlichen Engagements für die Kunst sein. Gerade in politischen Situtationen, wie derzeit in Österreich, ist die Unabhängigkeit von der öffentlichen Hand ein Frage des Standpunkts geworden. Damit das Rad nicht zum Stehen kommt, wurde neben dem „museum in progress“ das Finanzierungmodell „artpool“ gegründet. In eine Art Clubkasse zahlen dort 15 Firmen jährlich knapp 30.000 Mark ein. Dafür wird ihnen ein „Rutscherl“ zur Kunst gelegt: Information, Beratung und die Möglichkeit die Patronanz für Projekte zu übernehmen, sind das Zuckerl.

Die Werke, die da in Massenauflagen unter das Volk gebracht werden, seien, darauf legen die Kuratoren wert, Originale. Freilich: die Kunstprojekte sind von der Reklame und den Medieninhalten kaum mehr zu unterscheiden. Allein der kleine Schriftzug „museum in progress" verrät noch die Provenienz. Indes kein Manko für die Kuratoren, sondern Teil der Taktik: „Sammeln Sie das Kunstwerk oder werfen sie es weg“, fordern sie, “manche falten daraus Papierschiffchen oder legen sie den Wellensittich unter. Tun sie das doch auch!“



erschienen in Kunstzeitung Nr.44/Apr.00