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Kommentar von Antje Mayer

Caravaggio tanzt: Bilder einer Ausstellung

Der Abend hätte verdammt spannend werden können, denn die Story ist wirklich gut: Das exzessive Künstlerleben und die gleichermaßen exzentrischen, zu Lebzeiten höchst umstrit-tenen, Hell-Dunkel-Gemälde des italienischen Frühbarock-malers Michelangelo Merisi (1573-1610), besser bekannt als Caravaggio, sind der dramatische Stoff, nach dem Theater lechzt.

Das dachte sich auch die Choreographin der Wiener Volksoper Liz King, die an ihrem Haus erst im vergangenen Jahr einen phänomenalen Erfolg mit einem fetzigen „Schwanensee Remixed“ gelandet hatte, und übertrug Bilder und Leben des Welt-berühmten in ein Tanzstück. „Caravaggios Malerei als Thema eines Tanzstücks hat mich“, erklärt Liz King, “vor allem wegen der enormen körperlichen Präsenz seiner Figuren inspiriert. Es scheint als wären sie mitten in einer Bewegung eingefangen, fast wie vor einer Kamera.“

Damit der Abend keinesfalls zu verstaubt geriete, bat King abermals die österreichischen Electronic-Dj’s Erdem Tunakan und Patrick Pulsinger mit dem Wiener Symphoniker-Schlag-zeuger Friedrich Philipp (zusammen FTP) die Musik zum Stück zu liefern. Für den nötigen Trash-Touch mit verwackelten Videoprojektionen in MTV-Manier, sorgte das Wiener „Theater ohne Grenzen“.

Klingt spannend, wie gesagt. Nach dem Premierenabend war dem Publikum und der nahezu vollzählig erschienenen heimischen Kritik klar: Da muß etwas schiefgelaufen sein.

Zur gefälligen Geräuschkulisse von FTP hopste das Volksoper Ballettensemble, in unglaublich beeindruckend kreativen Posen abgemischt, mit altbekannten Ballettverrenkungen über die fast schwarze Bühne, die als Reminiszenz an Caravaggios berühmt dunkle Bildhintergründe gedacht war. In unregel-mäßigen Abständen verrenkte sich eine Ensemble-gruppe zu einem dramatisch beleuchteten Caravaggio-Bild. Das Gemälde „Judith“, mit dem abgehackten Kopf des Holofernes, wollten danach einige Kritiker aus dem Körpergewusel herausgelesen haben. Nun ja.

Der wieder auferstandene Caravaggio, so die Geschichte, erlebt sein Leben noch einmal und geht durch eine Ausstellung seiner Bilder, die -der „Nußknacker“ läßt grüßen- erwachen. Unterbrochen werden die langatmigen Tanzfolgen, die den Plot assoziativ umsetzen, von akustisch und inhaltlich schwer verständlichen Monologen aus eigenen Stücken und Dantetexten des begnadeten Tänzers und Caravaggio-Darstellers Michael Dolan. Gesungen wurde auch noch: Eugène van den Boom im Engelkostüm sang ein Madrigal und eine Händelarie. Am Ende gab es unvermeidlich noch die Pflichtbrise Multimediales: Der Hauptdarsteller filmt mit einer Videokamera Bewegungssequenzen von sich und seinen Modellen, die auf eine Leinwand projiziert werden.

Schade: der Verkuppelungsversuch zwischen dem ungleichen Paar, Tanz und bildender Kunst, hätte sich zur einer leiden-schaftlichen Beziehung auswachsen können. Ergeben hat sich in Wien leider nur ein unreflektiertes, lauwarmes Geplänkel. Fazit: Heirat ausgeschlossen!



erschienen in Kunstzeitung Nr.54/Febr.01,S.10