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Kommentar von Antje Mayer

Fucking poetisch

Der Projektraum Krinzinger zeigt USA-Nachwuchs aus der Sammlung Horst Köhn

„Fucking! Ass! Sticking in your ass!” So rappt es einem laut im Treppenaufgang zur Wiener Ausstellung „Sammlung Köhn - Youngstars“ entgegen. Die Schau zeigt über ein Dutzend Arbeiten US-amerikanischer Nachwuchskünstler, die der deutsche Kunstmäzen Horst Köhn zusammengetragen hat (noch bis 1. März). Stilgerecht präsentiert hat die Galeristin Ursula Krinzinger die Werke in ihrer neuen „Projekte Krinzinger“-Galerie. In dem mehrgeschossigen Fabrikbau, nur ein Steinwurf von der momentan in punkto Mode und Fotografie überaus angesagten Westbahnstraße im 7. Wiener Bezirk, versucht Krinzinger seit Mai vergangenen Jahres möglichst „spontan, junge und alternative Events“ zu inszenieren.

„Fucking! Ass! Sticking in your ass!“: Aggressiv diese Begrüßung, wie alles, was diese Gesellschaft jenseits des Atlantiks momentan global verbreitet, möchte man denken, verkneift sich aber dieses Vorurteil gleich wieder. Der Sprechgesang stammt von einem Video des New Jersey-Künstlers Luis Gispert (Jahrgang 1972). Der Sohn kubanischer Eltern verarbeitet in seinen Videos, Fotografien und Skulpturen Einflüsse aus der latino-amerikanischen HipHop-Kultur und paart diese mit barocken Kirchen-Kitsch.

Gisperts in Wien gezeigte Filmsequenz ist schlichter. Ein hübsches Cheerleader-Mädchen tut so, als rappe sie. Sie bewegt die Lippen, aber eine Männerstimme zischt die Beschimpfungen statt ihr. Nette Arbeit, die männliche Gewalt in Sport und Pop thematisiert. Dem Gewaltpotenzial eines MTV-Videos und einer Bush-Rede kann das Kunstwerk freilich nicht das Wasser reichen. Popart ist nun mal nicht Pop. Einen Wettbewerb geht Gispert gar nicht erst ein. Urteil: „Fucking brav“.

Popkultur, Gewalt und Konsum, das sind drei Schlagwörter (und drei Vorurteile), die tatsächlich den Alltag der amerikanischen Kultur zu bestimmen scheinen, denn die Arbeiten der übrigen jungen US-Künstler in Wien handeln fast ausschließlich von ihnen. Auch die Galerie Krinzinger spricht von einer Art „Markenzeichen“ US-amerikanischer Kunst.

Die jungen Stars, die der Sammler Horst Köhn im Rahmen des gerade erst von Ursula Krinzinger ins Leben gerufenen „Collector Programms“ ausstellt, das fürderhin interessante Privatsammlungen präsentieren will, waren bisher kaum in Wien zu sehen.

„Emerging“ sind sie dennoch schon alle. Der bereits genannte Luis Gispert, Rachel Harrison (Jahrgang 1966) und Evan Holloway (1967) konnten schon auf der Whitney Biennale zeigen, was sie auf den Kasten haben. Die naiven Malerei von Brian Calvin (1969) war erst auf der Wiener Kunsthallen-Ausstellung „Lieber Maler male mir“ zu diskutieren. Auch die Anderen, Andy Collins (1971), Jason Meadows (1972), Paul Pfeiffer (1966), Mathew Ronay und Benjamin Weissmann sind, so Krinzinger, „bereits international etabliert“. Damit die Suppe trotz der vielen „Stars“ nicht zu dünn werde, hat man ein bisschen nachgedickt, mit Grafiken Altbekannter: Jeff Burton, Mike Kelley, Paul McCarthy, Dave Muller und Tony Oursler.

Alles gut, aber irgendwie nicht wirklich neu. Erstaunlich und seltsam berührend ist aber trotzdem eine Arbeit und zwar gerade vom Jüngsten im Bunde, von Matthew Ronay (Jahrgang 1976) aus Kentucky. Der hat eine kleine Bühne gebaut: eine Mischung aus Architekturmodell, Skulptur, Spielzeug und Gimmick. Fremdartig, nutzlos, kindlich, neu und endlich wieder einmal berührend. Ob Matthew Ronay eine rühmliche Ausnahme ist oder Vertreter einer viel versprechenden jungen Künstlergeneration? Hoffen wir letzteres!



erschienen in Kunstzeitung Nr.78/Febr.03,S.19