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Kommentar von Antje Mayer

„Es ist nie zu spät, sich zu genieren“

Drei österreichische Museumsdirektoren über das heikle Thema der Restitution von den Nazis zwangsenteigneter Kunst

Spät aber doch. Nach über einen halben Jahrhundert ist die Rückgabe von Kunstgegenständen an die Erben von den Nazis zwangsenteigneten Juden in Österreich – anders als in Deutschland- seit 1998 rechtlich eindeutig geregelt. Die aktive Ausforschung der Erben ist im vollen Gange. Interessantes Detail: Zu Unrecht enteignete Kunstgegenstände verlassen in Österreich in jedem Fall das Museum, auch wenn die Erben nicht gefunden wurden. Der Erlös, etwa bei einer Versteigerung, kommt über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus den entsprechenden jüdischen Vereinigungen und Institutionen zugute.
Für Schlagzeilen sorgten zuletzt die von der österreichischen Regierung unsensiblen Verhandlungen mit den Erben der berühmten „Goldenen Adele“ von Gustav Klimt, die letztlich zur Ausfuhr des Gemäldes in die USA und daraufhin zu deren spektakulären Versteigerung zu einem Rekordpreis von 135 Millionen Dollar führte. Die Spitze des Eisberges oder ein Sonderfall? Antje Mayer erkundigte sich bei den österreichischen Museumsdirektoren Wolfgang Kos (Wien Museum), Wilfried Seipel (Kunsthistorisches Museum) und Albrecht Schröder (Albertina).

Wolfgang Kos, Direktor Wien Museum:
"Das Wien Museum hatte als Mehrspartenmuseum nicht nur zwangsenteignete Kunstwerke in den Sammlungen, sondern auch viele geraubte Alltagsobjekte. Es wurden von den Nazis ja oft ganze Wohnungen leergeräumt, wovon manches im Museum landete. Seit 1998 wurden im Wien Museum 24.000 fragliche Objekte überprüft, rund 2.900 wurden auf Grund der Entscheidung der Wiener Restitutionskommission den Erben zurückgegeben. Einige Objekte konnten wir rückkaufen, natürlich zu Marktpreisen. Ein Gemälde von Waldmüller oder eine Blatt von Schiele ist aus den Eigenmitteln des Museums allerdings nicht leistbar. Die bisher spektakulärste Restitution des Wien Museums waren zwei Messerschmidt-Köpfe, die bei einer New Yorker Auktion mehrere Millionen Dollar erzielten - einer befindet sich nun im Louvre.
Im Bereich der Stadt Wien - unser Haus ist ja kein Bundesmuseum - wird der gesetzliche Auftrag rigoros umgesetzt, und zwar mit unserer vollen Unterstützung. Wir mauern nicht, handelt es sich doch um Sammlungszuwächse, die niemals rechtens waren. Zusätzlich suchen wir aktiv und offensiv in aller Welt nach Erben, um restitionsfähige Objekte möglichst schnell zurückgeben zu können. Für mich hat die Restitution vor allem eine moralische Komponente, weshalb von uns auch dann, wenn es sich um juristische Grenzfälle handelt, tendenziell retourniert wird. Vor allem dann, wenn man nach 1945 mit den Beraubten, die Anträge auf Rückgabe stellten, schäbig, zynisch und erpresserisch umgegangen ist. Es ist nie zu spät, sich zu genieren."

Wilfried Seipel, Direktor Kunsthistorisches Museum:

„Das Kunsthistorische Museum hat ein paar Dutzend Objekte bisher- etwa an die Familie Rothschild- zurückgegeben und seine Nachforschungen so gut wie abgeschlossen. ‚Primärbilder’ waren kaum darunter. Es freut mich, wenn restituierte Werke, wenn auch nicht im Land, so doch in anderen Museen nach der Versteigerung der Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Der Fall der „Goldene Adele“ ist im Grunde gut ausgegangen. Klimt ist durch die Ausfuhr internationalisiert, bei Ronald Lauder in der ‚Neuen Galerie’ in New York prominent präsentiert und die rechtmäßige Erbin finanziell entschädigt. Die „Goldene Adele“ ist für Österreich doch letztlich auch ein Fenster nach außen geworden.
Umso mehr bedauere ich, wenn ich sehe, dass einer der reichsten Nationen wie Österreich, es nicht zu Wege bringt, so etwas wie eine Österreichische Kulturstiftung ins Leben zu rufen, wie es der Wiener Galerist John Sailer auch mit meiner Unterstützung initiierte und letztlich damit scheiterte. Bei uns werden etwa Lotteriegelder für die Budgetsanierung verwendet statt wie in anderen Ländern ein Teil der Kunst und dem Denkmalschutz zu widmen.“

Klaus Albrecht Schröder, Direktor Albertina
"Die Albertina hat bisher 2.000 Kunstwerke zurückgegeben, wobei es noch sein kann, dass eine größere Sammlung bei uns im Haus zurückgegeben werden muss. Ich plädiere dafür, nicht nur in Österreich, sondern mit den offiziellen Vertretern der Betroffenen, auch eine EU-weite gültige Rechtsregelung für zu restitutierende Kunstwerke festzulegen. Sie sollte, der juristischen Eindeutigkeit willen, langfristig auch eine im Konsens definierte zeitliche Befristung beinhalten, um Rechtsicherheit zu schaffen. Ich meine, dass die Museen in Europa jedenfalls den rechtmäßigen Erben gegenüber eine Bringschuld haben. Die sollte -wie in Österreich- in jedem Fall eingelöst werden und nicht nur dann - wie etwa in Deutschland-, wenn ein Museum über entsprechende Finanzmittel verfügt. Denn nur so kann man eine profunde Provenienzforschung durchführen. Ich bin für eine klare juristische Grundlage und halte nichts von dehnbaren moralischen Interpretationen.
Ich bin gegen Stiftungen, deren primäres Ziel es ist, zu restituierende Werke im Land zu halten. Ein falsches Signal. Wenn man das dramatisch geringe Ankaufsbudget für die österreichischen Museen erhöhen würde, wäre es auch möglich, manches zu restituierende Werk von den Erben zurückzukaufen. Aber im Vordergrund steht für mich in jeden Fall deren Rückgabe."



Artikel erschienen in Kunstzeitung 01/2007
Link:Restitution.or.at - Link:Albertina - Link:Kunsthistorisches Museum - Link:Wien Museum - Link:Kunstzeitung -